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Gerichtsverhandlungen. Chemnitz, den 6. März. Des Mordes und des Raubes angeklagt, erschien heute in öffentlicher Sitzung de- k. Bezirksgerichts vor den Schranken der Bergmann Friedrich Moritz Dittrich aus Lichtenberg bei Freiberg, geb. am 23. November 1843, welcher zuletzt seit dem Monat November 1860 in den Kohlenschächten zu Lugau in Arbeit gestanden hatte und vom Betriebsdirector Müller als Laufbursche in Dienst genommen worden war — ein jugendlich, fast unreif aussehender Mensch, welcher der obgedachten Verbrechen un umwunden geständig war. Dieses Geständntß ergab in Ver bindung mit den übrigen Ergebnissen der heutigen Verhand lung folgenden Thatbestand. Der Spediteur August Ferd. Striegler benutzt zu seinem Geschäftsbetrieb einen dicht am Bahnhofe zu Lugau gelegenen Privatgüterschuppen und be wohnte denselben mit seiner 2Ijährtgen unverheiratheten Schwe ster Bertha Striegler bis zum 8. December 1861. An die sem Tage kehrte Striegler Abends nach 10 Uhr in seine Be hausung aus Stollberg zurück, wohin er sich am Nachmittag zuvor begeben, und fand in seiner Wohnstube seine Schwester Bertha leblos auf den Dielen liegend, sowie eine in der Stube befindliche Pultcommode geöffnet und die in derselben ver wahrt gewesenen Papiere in der Stube umhergestreut. Bei näherer Besichtigung bemerkte er am Kopse seiner Schwester bedeutende Wunden, fand die Leiche in einer BlOlache lie gend, sowie die eine Wand der Stube, ingleichen die Pult commode und einen Waschtisch mit Blut bespritzt und ver mißt« auch alsbald einen bedeutenden Theil seiner Baarschaft, den er sich vorläufig auf circa 70 bis 80 Thl. berechnete. Die gerichtliche Obduction und Sectton der Leiche stellte zweifellos heraus, daß der Tod herbeigesührt worden sein mußte durch wenigstens vier Schläge mit einem beilartigen Instrument, denn so viel Wunden sanden sich am Kopfe der Erschlagenen und hatten durch Zertrümmerung und schwere Verwundung des Schädels den sofortigen Tod verursacht. Der Angeklagte gestand unumwunden ein, daß er, um sich Geld zu verschaffen, die Bertha Str. getödtet und dann aus dem Pulte eine Summe Geldes, die er nicht gezählt, genom men habe. Schon länger sei er mit der Idee ümgegangen, bei Str. zu stehlen. Am Sonntag, den 8. December Nach mittags, sei er, als er einmal in seiner Stube Mein gewesen, aus die Ausführung dieser Idee gekommen. Er habe sich da den Plan gemacht, hinüber zu gehen zu Str. und nachzu fragen, wieviel der Kutscher seines Herrn Hafer geholt habe? Würde er Str. zu Hause getroffen haben, so würde er wieder gegangen sein; wenn aber die Bertha Str. allein sein würde, habe er sich gedacht, müsse er sie erschlagen. Zum Gebrauch beim Aufbrechen des Pultes, in welchem er Geld gewußt, und zu Ausführung der Tödtung habe er ein Beil mitgenommen, das er unter dem Rocke verborgen getragen. Kurz vor 6 Uhr sei er denn' nun zum Güterschuppen Str'S. hinüberge gangen, habe Licht aus dem Boden des Güterschuppens ge sehen und Alles offen gesunden. Auf sein Anklopfen an der Wohnstube habe cs „Herein!" gerufen, und er habe nun die Bertha Str. beim Eintreten am Tische sitzend und essend an getroffen, welche ihm aus seinen „gnten Abend" freundlich gedankt habe. Auf seine Frage: ob Herr Str. nicht zu Hause sei? habe sie geantwortet: „Nein," ich bin ganz allein. Mein Bruder ist nach Stollberg, der Knecht ist auch nicht da. Was soll den sein?" — „Ich wollte wissen, wie viel der.Knecht Hafer hätte? — „Das kann ich auch sagen", habe da die Bertha Str. erwidert-, sei an die Kommode hinangetreten, habe das Licht aus die Pultklappe gesetzt und nun im Con- tobuche nachgesehen. Das habe nicht lange gedauert, und da sei er, so daß fie e- gemerkt, hinter sie getreten und habe über ihre rechte Schulter ihr beim Rechnen zugesehen. Al fie bald fertig gewesen mit Rechnen, sei er einen Schritt zu rückgetreten, habe sein Beil unterm Rocke hervorgenommen, dasselbe mit beiden Händen erfaßt, emporgehoben und ihr einen Schlag an die rechte Schläfe gegeben. Sie sei sofort ohne Laut und ohne Bewegung niedergestürzt und. nun habt er mit dem Beile fie noch ein paar Mal auf den Kopf ge schlagen, indem er neben denselben getreten, damit fie vol lends „ganz todt" sein sollte, wenn fie noch nicht todt wäre, damit er nicht verrathen würde. Dann habe er aus dem Pultkasten Geld herausgenommen und eingesteckt; er wisse nicht, wie viel. Sein in den Vorerörterungen und der Vor untersuchung wiederholt gemachtes Zugeständniß, daß er zu zwei Malen, mit der Abficht ausgegangen sei, bet Str. zu stehlen, und wenn es sein müsse, die Bertha Str. zu erschla gen, woran er jedoch beide Male behindert gewesen, änderte Dittrich in der Hauptverhandlung. Er erkannte an, daß er freiwillig dies Geständniß gemacht und erklärte, er habe so ausgesagt, weil er gedacht, er käme zeitlebens aufs Zuchthaus, wenn er nicht so sage, er habe sterben wollen, er habe so gesagt, weil er gedacht, er werde einmal gerichtet. Heute müsse er seine srühern Angaben ändern, weil er die Wahrheit sagen solle. Wie er gerade an diesem Tage darauf gekommen, sein Verbrechen auszusühren, das wisse er nicht. An Gelb habe eS ihm gerade nicht gefehlt, er habe monatlich 10Thlr. Lohn gehabt und davon nur 2 Thlr. für die Kost abzuge» ben brauchen. Am Lohntage, den 9. December, seien ihm 5 Thlr. Lohn ausgezahlt worden, er habe auch noch etliches gespartes Trinkgeld gehabt. Drängende Gläubiger habe er auch nicht gehabt, wegen einiger Schulden an Handwerksleute sei er nicht gedrängt worden. Das geraubte Geld wurde zum kleinern Theil im Laufe der criminalpolizeilichen Erör terung noch bei D. vorgesunden, er hatte es in der Nacht nach dem Morde in seinen Kleidern stecken lassen, am andern Tage im Hause seines Dienstherrn versteckt. Den größern Theil.hatte er verwendet zur Bezahlung einer Bäckerschuld, seiner Wäscherin und Ankauf einiger Kleinigkeiten, unter An- derm auch einiger Weihnachtsgeschenke für seine Mutter'. D. läugnete entschieden jede Mitbetheiligung eines Dritten oder etwaige Wissenschaft eines Solchen. Er bekannte, daß sein Behelf berechnet gewesen, die Bertha Str. an das Pult zu locken. Würde sie ihn abgcwiesen und ihm geheißen haben, wiederzukommen, dann, so meinte er auf eine Frage des Herrn Staatsanwalts, würde er es nicht gethan haben, denn „so gewaltsam habe er sie nicht angreifen wollen". Er stellte nicht in Abrede, zu seinem Mitknecht, dem Kutscher Nestmann, gesagt zu haben, als ihnen am Morgen nach dem Morde die Unthat mitgetheilt worden: „Um das Mädel ist aber schade! So" ein hübsches Mädel wie das war!" Und später, als N. gesagt: „Nein, da wollen wir uns lieber schinden und pla gen, so etwas thun wir nicht!" hatte D. geantwortet: „Nein, das machen wir nicht!" Hinsichtlich einer anderwärts bezeug ten Aeußerung D.'S: „Nein, so eine miserable Hinrichtung von einem so hübsche» Mädchen. Der Mörder muß doch gar kein Herz gehabt haben; es ist schrecklich, wie fie zugcrtchtet ist ic.; ich hoffe, daß der Mörder noch entdeckt werden wird bchauptrteD. sein Nichtwissen. Im fernern Verlaufe der Hauptverhandlung erfolgte die Abhörung der GertchtSärzte, der Bcwetszeugen, namentlich de» Verletzten und Bruders der Erschlagenen, einer Anzahl Per- sonen, welchen Kenntniß über das Verhalten de- Angeklag ten nach der That inne wohnte, und aller Derjenigen, hei welchen Dittrich gelegentlich des Ankauf- div. Kleinigkeiten Theile des geraubten Geldes verausgabt hatte. Au» den Zeugenaussagen find nur einzelne Momente hervorzuheben. ES wurde bezeugt: daß D. meist nur dann, wenn man ihn an-eredet, vom Morde gesprochen; daß er dann aber sein Be»