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W ganz in 10. Kapitel. I Lis^Ltsmpsl. !l! so verleumdet man mich so starke' Erfolg nicht im sich niüp d.e bedeutendsten ziehung getäuscht? Wer voraus geglaubt habe. Haben Kenner der Bühne in der Be- einen Erfolg mi t absoluter wüsste, wäre unschätzbar und jäh als feierliches Schwarz gekleidet, mit einem Flor um den Zylinder,, in schwarzen Handschuhen, stand plötzlich Er wurde durch das hereinstürzende Dienftmädch« unterbrochen, die ganz aufgeregt „eine Masse Herren Deputation der Liedertafel anmeldete. Goltz reckte sich in die Höhe. „Da! Wer hat das wieder gemacht? Habe ich g! M- ..Vsyp ^aiu? dS'tsi scki ieM an Ving hab' net so vüll Zeit wie Sie ... t muß zur Prob'/ Fortsetzung folgt. durchs Zimmer. Da öffnete sich die Türe, und Herr Goltz, und speziell seine Oper von jeher nicht anerkannt habe, Ich gebe zu, daß ich an einen Herr Goltz machte ein sehr verdutztes Gesicht, und wir nicht minder. Natürlich hörten wir sofort zu tanzen auf. Mußte auch gerade im schönsten Moment unserer im provisierten Siegesfeier die Kreuzspinne auftauchen. Er schüttelte bedächtig sein weises Haupt und sagte jn einem ironisch sein sollenden Tone: . „Man scheint ja hier sehr vergnügt zu sein?" „Jawohl," rief ich händereibend, um ihn noch mehr zu ärgern, „wir sind sehr vergnügt! Wir feiern den gestri gen Erfolg an derselben Stelle, an der ich ihn vor zehn Monaten vorausgesagt habe, was nicht jeder von sich sagen kann." „Sie feiern ihn mit einem kleinen Hausball, wie es scheint, ich habe ihn in meiner Weise begangen, am Kla- vier, indem ich mich in die Melodien des Meisters ver senkte. Und da habe ich eine Idee, einen Plan auszu- sühren beschlossen, den ich schon seit einiger Zeit mit mir herumtrage. Ich bedarf freilich Ihrer Hilfe dazu, Frau Roland. Doch vorher erlauben Sie —" Er zog einen Gegenstand hinter seinem Rücken her- vor, der sich, als er die Papierhülle abgestreist, als ein kleiner Lorbeerkranz mit einer Florschleife enthüllte. Er trat feierlich auf eine eingerahmte Photographie Rolands zu, die über dem Sofa hing, und hängte den Kran; um das Bild. „Es ist die Huldigung, die dem Genius mei nes verblichenen Freundes gebührt." „Uebrigens, wenn man etwa verbreiten will —" da bei blickte er mich scharf an —, „daß ich Rolands Talent gar nicht tot." Ich blickte ihn erschrocken an. Sie machte ein ganz harmloses Gesicht. Jedenfalls wollte sie bloß einen Füh ler ausstrecken, wie die Welt die Nachricht aufnehmen würde. Das konnten wir in der Tat beobachten. Goltz rief ganz erschrocken: „Aber gnädige Frau, denken Sie doch so etwas nicht! Sein Tod ist doch festgestellt, und Herr Krug ist doch nach der Schweiz gefahren und hat festgestellt —" „Daß ein Mann, der ans einem Boot in den See sprang und nicht wieder zum Vorschein kam, meinem Manne ähnlich gesehen haben soll — Weiler nichts!" „Aber gnädige Frau, klammern Sie sich doch nicht daran!" stieß er bestürzt hervor. „Alle die Nekrologe und die illustrierten Blätter haben sein Bild gebracht, mit einem Kreuz darunter. Das sollte alles auf Unwahrheit beruhen?! Wo sollte er denn stecken? Es ist ja erklärlich, daß Sir sich noch immer dagegen sträuben. Aber, glauben Sie mir, er muß tot sein! Er kann doch die Welt nicht so dementieren!" Unterdes war die Kiste hereingebracht worden und Goltz machte sich darüber her. Aber kein Schlüssel paßte, trotzdem die Rätin ihm ein ganzes Bund voll zur Aus wahl gab. Während er damit weiter probierte, stand derweil Josepha mit einem recht verlegenen Gesichtchen da. Wußte sie doch nicht, nachdem nun die erste Freude der Erregung verrauscht war, wie sie sich Frau Roland ge genüber zu verhalten hätte oder vielmehr, wie diese sich ihr gegenüber verhalten würde. Ich nahm Frau Lenchen beiseite und setzte ihr ans- einander, daß ihre Eifersucht gegen das arme Mädchen ganz unbegründet, wirklich ohne jede Grundlage sei. „Aber Sie selbst haben mich doch erst daraus auf merksam gemacht, Herr Krug?" „Ich? So? Na, da war ich eben ein Esel." Ich berichtete ihr, mit welcher ehrlicher Entrüstung die junge Dame den Verdacht eines wärmeren Interesses für Roland zurückgewiesen habe, daß sie sich nie für einen solchen „Nörgelfritzen", wie Hans doch wirklich einer sei, überhaupt nie für einen Musiker, interessieren könne! „Und jetzt machen Sie's wieder gut, Frau Lenchen! Kommen Sie doch mal her, Fräulein Sepherl!" Die Oesterreicherin trat verlegen näher. „Was wollen's denn von mir?" „Frau Lenchen will Ihnen die Hand schütteln." „Aber i bitt' Sie, Frau Lenerl," rief sie gerührt, „las sen's doch die Dummheiten! Es ist ja schon alles wieder gut!" Und dabei umarmte und küßte sie die junge Frau, die die Liebkosung erwiderte. > Ich breitete die Arme auS. „Ich sei, gewährt mir die Bitte, in Eurem Bunde der Dritte!" Jcsepha nannte mich aber höchst schöne coram publico einen „Hanswurschten". Das Mädchen gefällt mir immer mehr und mehr. Ich werde doch nicht etwa —? Unsinn, das kann mir geschworenem Junggesellen, der sein Herz zwischen der Musik, der dazu gehörigen Wissenschaft und seinem gottlob nicht seligen, genialen Freunde geteilt hat, überhaupt nicht passieren. Das ist nichts als die Sym pathie für das von den gleichen Gefühlen und Gesinnun gen beseelte junge Mädchen, das ich bisher schmählich ver kannt hatte. Basta! Unterdessen hatte Goltz das Schloß endlich geöff net. Wir traten an die Kiste heran, die bis an den Rand mit Noten und Heften gefüllt war. „Jedenfalls lauter Bausteine zur Psychologie deS Ge nies!" Trotz seiner grimmigen Miene holte ich dabei schnell eine Schachtel heraus mit der Aufschrift: „Als Hänschen sechs Jahre alt war." „Da haben wir ja gleich so einen Baustein!" rief ich lachend. Er versuchte mir die Schachtel auS der Hand zu win den, da Frau Noland ihm allein das Verfügungsrecht übertragen hätte. Ich wehrte ihm ab mit dem Bedeuten, Sicherheit vorauszusagen . könnte sich viele Millionen damit verdienen. Das trifft macht!" Das Mädchen öffnete auf einen Wink von Frau Len chen die Türe. Vier Herren im Frack und weißer Krawatte, flormn wundene Zylinder in den Händen, traten feierlich ein An ihrer Spitze — der Seifenfabrikant Herr Klemm, de Präses der Liedertafel, dem Roland einst die Türe gewiese» hatte. Die Herren machten eine tiefe Verbeugung und grün Vierten sich anmutig in einem Halbkreis. Dann trat Her Klemm vor und begann einen Speech. Ich hatte scho! gefürchtet, er würde zu singen ansangen. „Verehrte Frau Noland senior und junior," begam er — „Sie sehen mich hier als Dolmetsch der GefühlI unserer Stadt, ja der gesamten Mnsikwelt. Aus Anlaß des gestrigen Triumphes und als Dolmetsch der Gefühle um srer Stadt —" Hier blieb der ehrenwerte Präses der Liedertafel stecken, kam noch einige Male auf die Gefühle der Stam und sein Dolmetschamt zurück, um uns endlich triums ohierend die Mitteilung zu machen, daß die Liedertal« einstimmig beschlossen hätte, den Verstorbenen nachträgli? ,um „immerwährenden Ehrenmitglied" zu ernennen. „Niemals," fuhr er erhobenen Tones fort, „werde sie Stunde vergessen, in der es mir vergönnt war, sein! persönliche Bekanntschaft zu machen, in der wir aufrichtig! Worte miteinander wechselten." Er schnäuzte sich gerührt und ergriff einen kiesige« in Papier gewickelten Lorbeerkranz, den ihm einer tu! Herren reichte. In diesem Augenblick erschien der Herr K« pellmcister des Stadtthcaters, Herr Luckinger, in der Tüm ebenfalls mit einem flornmwnndenen Lorbeerkranz in d« Hand. Numero Drei. Sämtliche Lorbeerkränze der Sta» schienen sich heute morgen hier ein Stelldichein gegeben z» haben. Entschuldigen vielmals, meine Herrschaften . . ." ril Luckinger, eilig vorstürzend. „Pardon, Pardon, jetzt spreche ich!" unterbrach ihl Klemm aufgeregt. „Die Liedertafel also hat ferner bl schlossen -" „Aber i bitt' schön," rief der andere noch viel aufgere» ter, „i muß nämlich um zwölf Uhr zur Prob' von dl neuen Operett' . . ." „Die Liedertafel hat ferner beschlossen, diesen Kranz? ries Klemm dazwischen. „Aber so san's doch bloß einen kleinen Moment stil . i. i bitt Sie. Der Herr Direktor und 's gesamte Persil nal schicken mich ja her." „Pardon, Pardon!" krähte Klemm, dessen Stimme sll vor Wut überschlug. „Ich halte eben eine Rede . . . tl bin mitten drin. Hören Sie denn das nicht?" „Na, warten's noch einen Moment mit Ihrer Red! nichts erraten, hatte mich vollständig täuschen lassen. Frei- lich, für einen großen Menschenkenner darf ich mich nicht ausgeben, sonst hätte ich auch der armen Josepha nicht so unrecht getan. „Das ist ja alles sehr begreiflich," fuhr ich fort. „Aber wenn Sie mit HanS in Verkehr standen, warum weiß er denn nichts von seinen Erfolgen, von seinem Ruhm? In diesem Briefe steht nichts davon. Er klingt im Ge- genteil sehr resigniert." Die junge Frau machte ein etwas verlegenes Gesicht. „Verkehr ist doch etwas zu viel gesagt. Ich habe von Hans einen Brief aus Genua, viele Wochen später einen aus Montevideo bekommen. In letzterem stand, er wüßte noch nicht, wohin er zunächst gehen würde. Ich schrieb i dorthin und teilte ihm in vorsichtigen Ausdrücken mit, daß -man anfinge, sich um seine Musik zu bekümmern. Mehr war damals nicht wahr. Aber er scheint den Brief nicht ! erhalten zu haben, denn vor drei Wochen bekam ich sei nen dritten und letzten aus Chile, in dem er mein Schrei- ! den garnicht erwähnte." ! . „Und wann er zurückkommt, das stand nicht darin?" ' „Im Gegenteil, er schreibt, die Turnee würde sich i in die Länge ziehen. Irgendeine große italienische Sän gerin sollte zu ihnen stoßen; sie sollten dann nach Rio zu rückgehen. Und daß er Heimweh hätte. Weiter nichts!" „Aber hier steht's," rief ich erregt. „Er kommt zu- . rück, er ist vielleicht schon unterwegs." Da stieß Frau Lenchen einen leichten Schrei aus und die Rätin sekundierte ihr dabei. Dann fielen sich die bei- den Damen in die Arme und weinten und lachten ab wechselnd durcheinander. Fran Lenchen wirbelte ihre Mutter, trunken vor Freude, in der Stube umher, während sic dazwischen ju belnd ausries: „Hans kommt, mein Hans kommt." Und Josepha, angestcckt von diesem Jubel, breitete plötzlich die Aime aus und ries :m> nlsiv: r „Kommen's her, Krug — i muß Sie jetzt umarmen!" Ich ließ mir das von dem hübschen Mädchen nicht zweimal sagen! Und dann wirbelten auch wir tanzend zwischen uns und schaute überrascht auf uns vier jubelnde Menschen. ! werde Sie nach allem Möglichen ausfragen müssen, zu- , nächst über seine Jugend. Sie sprachen neulich von einer Kiste, die seine ersten Versuche enthält." § „Jawohl, die steht auf dem Boden." § „So leichtsinnig bewahren Sie diese wichtigen Do- i kumente auf?" „Aber ich bitte Sie, altes Notenpapier stiehlt doch i , niemand!" „Altes Notenpapier?!" Ueber Goltz' Züge huschte § , ein verächtliches Lächeln, das unverkennliche Lächeln deS . Kenners, der einem Bauer eine kostbare Antiquität als altes Gerümpel abgeschwatzt oder einen unkenntlich gewor denen Rafael bei einem Trödler für ein Butterbrot er handelt. > Hier war aber dieses Lächeln sehr wenig angebracht. , , Die Kiste enthielt wirklich nur Jugendversuche aus sei- § ner Schulzeit, ehe er mit siebzehn Jahren das Konservato- ! - rium bezog. WaS daraus lrgendwie zu verwerten war,' ' , hatte Roland bereits für seine späteren Arbeiten benutzt. ' Und auch ich hatte die Kiste nach seinem Verschwinden noch , einmal durchstöbert und ihr noch einiges entnommen. Sie , enthielt jetzt außer durchaus wertlosen Noten nur noch Jugendreliquien, Andenken an seine ersten Kindertage, die > seine Mutter pietätvoll aufbewahrte. ! > Auch Frau Lenchen wußte das. Und eS war wohl , , mehr, um ihn zu ärgern — denn im Grunde konnte sie , ihn ebensowenig leiden als ich —, daß sie jetzt achselzuckend ' erwiderte: > „Nun, wenn Ihnen an diesen Klecksereien wirklich so ' viel liegt, ich werde sie herunterbringen lassen." Die Rätin entfernte sich zu diesem Zweck nach einem ' kleinen Geflüster mit Frau Lenchen. ! , „Klecksereien?" rief Goltz empört. „Für mich von j allergrößtem Wert für mein Buch." Dann sagte er, sich zu , Frau Lenchen wendend: „Ich beneide Sie um Ihren Hu- mor, gnädige Frau, Sie tragen den großen Verlust so i ruhig, so gefaßt . . .!" ! „Sein wachsender Ruhm tröstet mich. Vielleicht ist er , mich also nicht. Ich gebe auch zu, daß ich die Schwächen des Werkes hervorgehoben habe. Das war meine Pflicht als ehrlicher Freund. Ich habe aber nie das große Ta lent in ihm nnd in seinem Werke verkannt. Und hätte der Selige länger gelebt, er hätte an meiner Hand — ich würde — wie bisher — nun, ich hätte ihm jedensalls weiter geholfen." > Er stotterte die letzten Worte verlegen hervor, als er § Josephas erstauntes und mein ironisches Gesicht bemerkte. Frau Lenchen blickte ihn ganz ernsthaft an; nur in ihren , Augen und um ihre Mundwinkel saßen einige Schelmen geisterchen. „Ja, ja, ich weiß, Sie haben ihn sehr geliebt. Und ich danke Ihnen auch jttr den schönen Kranz — wenn ich Ihnen mit etwas dienen kann —?" „Das können Sie in der Tat," erwiderte der bedeu tende Herr schnell. Aha! Ich wußte doch, der brave Herr Goltz tut nichts umsonst. Er hatte sich bereits einige Arbeiten Nolands zu sehr günstigen Bedingungen für seinen Verlag verschafft. Freilich legte der große Berliner Verlag schnell seine Hand aus alles übrige von irgendwelcher Bedeutung. Goltz schrieb auch für alle möglichen Zeitschriften und Fachschristen Artikel über einzelne Werke, die er sich gut bezahlen ließ. Und jetzt schien er ja wieder ein Speku- lationsobjckt in Aussicht zu haben. Wie ich Frau Lenchen kenne, die es nicht gern mit ihm verderben möchte, nicht ohne Erfolg. i „Es handelt sich nämlich," begann er, „nm jene Idee, von der ich vorhin sprach, um eine Biographie Rolands, die ich schreiben und natürlich auch verlegen will." „Und was soll ich dazu !un?" i „Sie und Ihre Frau Mama können mir nach nnd uach da« nötige biographische Material liefern. Ich ' daß auch ich ein Buch schreiben Völle unter dem Litel „Rolands Flegeljahr«." In der Schachtel befand sich eine Kinderirompete, di einen hohen, schrillen Ton von sich gab, als ich hinein blies. „RolandS erste Komposition in C-Dur! Einfache sinniges Motiv! Mt sechs Jahren... erstaunlich! —Uni hier ist ein Notizbuch. Lesen wir, WaS der Knabe mitzu teilen hat. Am 10. Februar: Für zwanzig Pfennig Knack mandeln gekauft. „Ach ja, die aß er immer so gern!" rief die Räch gerührt. Alle lachten. „Notieren Sie sich daS für Ihr Buch: HanS Rolan pflegte als Knabe sein Taschengeld hauptsächlich in Knac Mündeln anzulegen." Welche Wonne für mich, den Mann zu ärgern! Goltz schlug heftig den Kistendeckel zu, hinter dessei Wall er seinen Grimm bisher verschanzt hatte. „Frau Roland, da Sie mich in Ihrem Hause unge straft verhöhnen lassen . . ." „Ach, Sie möchten mich wohl wieder entfernen wie da mals? Aber diesmal geht das nicht so, mein Liebei Aber lassen Sie sich nicht stören in Ihrer Maulwurfs arbeit!" „Maulwurfsarbeit?" ries er wütend. „Muß ich ali Fremder erst Herkommen, um Ihnen zu sagen, welch ei! Genie Sie bei sich beherbergt haben? Aber so geht e! immer. Der Prophet gilt nichts in seinem Vaterlands —j