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im ausgeprägten Sinne, denn im gegenseitigen Kampfe stehen hier ja nicht nur ein Soloinstrument und das ganze Orchester, sondern sogar zwei. Ein Mozartsches Kampfspiel verläßt indes niemals die Schönheits linie. Der Meister sagte einmal, die Musik dürfe auch in der schauder vollsten Lage das Ohr nie beleidigen. Unter Kadenz versteht man in Solokonzerten Einlagen ausgesprochen virtuosen Charakters. Ohne Begleitung des Orchesters spielt der Solist technisch schweres, ihm aber gerade gut liegendes Läuferwerk, welches meist Motive aus dem betreffenden Konzert mit enthält. Die zweite Sinfonie D-Dur von Johannes Brahms ■ ■ • ist nach des Meisters erster, von stolzer, herber Größe, von tragischem Pathos erfüllter Sinfonie in C-Moll gewissermaßen als ein Idyll zu be zeichnen. Vom Kampfplatz hat er in anmutige Täler des Friedens hinüber gewechselt. Romantik, Märchenpoesie bildet den Grundcharakter des ganzen Werkes, ist besonders aber dem ersten Satze eigen (Allegro non troppo = nicht zu rasch). Eine weiche Hornmelodie, von Holzblasinstru menten fortgesetzt, gibt die Stimmung an. Muntere, neckische Motive, eine Gesanglinie der Celli, auch ernste Posaunenklänge zum Gegensatz ergänzen das Bild. Die Verarbeitung der Themen in der Durchführung ist mit kontrapunktischer Meisterschaft gemacht (Verselbständigung der zu gleich erklingenden Stimmen). Brahms ist in dieser technischen Hinsicht ein würdiger Erbe der Klassiker Haydn, Mozart und Beethoven. Der zweite Satz (Adagio non troppo — nicht zu langsam) bringt zu Anfang und Ende trübere Stimmungen. Inmitten steht aber ein leichter beschwingtes, tanzartiges Thema, welches die Gedanken etwa in glückliche Jugendtage zu rückzuleiten vermag. Ein schlicht naives Thema beherrscht den dritten Satz (Allegro grazioso — zierlich bewegt). Es erfährt mehrere Umbildungen, sodaß es u. a. neckische Ausgelassenheit und sogar auch Lebenslust ungarischer Zigeuner auszudrücken scheint. Der Schlußsatz (Allegro con spirito — geistvoll, belebt) ist festlich heiter. Ganz leise setzt das erste Thema ein, wird aber bald von den starken Wogen des ganzen Orchesters ge tragen. Der zweite Hauptgedanke hat den gleichen fröhlichen Charakter. Alles ist in prächtigen Orchesterfarben gehalten. Geschickt wird der jubelnde Ausklang des Satzes vorbereitet, sodaß man ihn noch als Stei gerung empfindet. Die Sinfonie kam 1877 in Wien zur Uraufführung. Dr. Kreiser. 1 1