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KriiM W Wrißech-AeivW. Nr. 288 Mittwoch den 12. Dezember 1917 abends 83. Jahrgang Droge» Hauptquartier, lt. De cmier i<-l7. ' Westlicher «riegssch mplatz. j Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht. In Flandern und von der Scarpe bis zur Somm ! entwickelten sich am Nachmittag vielfach lebhafte Artiillere lümpfe. i Heeresgruppe Deutscher Kronprinz. Die Feuertätigkeit war auf der ganzen Front rege, j In überraschendem Vorstoss holten Stosstrupp« nordöstlich « von Craonnc 22 Franzosen aus den feindlichen Graben « Auch in anderen Abschnitten wurden in Erlundunge ! gcfechten Gefangene eingebracht. Starker Einsatz der Fliegrrverbände, namentlich an der französischen Front, führte zu heftigen Luftkämpfen; unser § Gegner verlor t l Flugzeuge und einen Fesselballon. vestlicher Kriegsschauplatz. Nichts Neues. Mazedonische Front. Keine größeren Kampfhandlungen. Italienische Front. Auf beiden Seiten der Brenta und längs der unteren Piave zeitweilig gesteigerte Artillerietätigkeit. Der Erste General-Quartiermeister. Ludendorff. Die Erfolge des Ll-Boot-Krieges. In ihrer Verblendung deuteten unsere Feinde das i hochherzige Friedensangebot des Vierbundes als Aus- Scuck unserer Schwäche und glaubten, durch Fortsetzung des Krieges doch noch ihr Ziel, die Vernichtung der Mittelmächte, erreichen zu rönnen. So mußte denn i unsererseits an Stelle des versöhnlichen, die gehar nischte Sprache der Kriegführung mit allen Mitteln treten. Der U-Boot-Krieg wurde aller seiner bisheri gen Fesseln ledig, und mit seiner Hilfe galt und gilt es nun, das Ziel zu erreichen, das wir uns gesteckt haben, , nämlich der Welt den Frieden wiederzugeben. Ströme von Blut sind seit dem 12. Dezember 1916 geflossen, neues Elend über den Erdball herein gebrochen. Weitere Staaten haben sich der vielköpfigen Hydra unserer Feinde zugesellt. Rußlands Widerstand ist nach schweren inneren Wirren völlig zusammenge brochen, das italienische Heer weit in die oberitalie- uische Tiefebene zurückgetrieüen, und, durch den U-Boot- Krieg sind schwere Breschen in den unseren Feinden nutzbaren Handelsschiffsraum gelegt morden. Das Ver- senkungscrgebnis vom 1. Februar bis 1. November 1917 beträgt 7,649 Millionen Tonnen. Zählt man hierzu die Verluste des Januar mit 439 500 Tonne» und des halben Dezembers 1910 mit 208 000 Ton nen, und nimmt nach dem Voranschlag des Admiral- stabes vor Beginn des U-Boot-Krieges das Monats- ! ergebnis des November und Dezember 1917 mit i 600 000 Tonnen an, so kommt man zu dem Resultat, 1 daß vou Mitte Dezember 1916 bis Mitte Dezember 1917 « S1SKVNV Brutto-Negister-Tonne» versenkt sind. Was diese gewaltige Ziffer bedeutet, ist dem Laien nicht ohne weiteres klar. Sie wird aber verständ licher, wenn man damit vergleicht, daß die Handels flotten von Frankreich, Norwegen, Japan und Italien bet Kriegsausbruch zusammen 8 200 000 Tonnen auf wiesen, und daß Deutschlands große Handelsflotte da mals nur 5 459 296 Tonnen zählte. Wahrscheinlich wird dermaleinst die Geschichte die Ablehnung unseres Friedensangebotes als einen der § grüßten Mißgriffe bezeichnen, den die Entente begehen , konnte. Während sie damals den Frieden zu Verhältnis- > mäßig billigem Preise hätte haben können, hat der Krieg inzwischen Formen der Verwüstung angenommen, die unersetzbare Verluste im Gefolge haben. Mit jedem versenkten Schiff bröckelt ein Stein von dem morschen Unterbau der englischen Weltstellung ab. Daneben gibt uns unsere glänzende militärische und bedeutend ge besserte politische Lage die, feste Gewähr, daß wir uns sein Ziele, dem dauerhaften Sicherheitsfrieden mit Hilfe des Unterseebootkrieges um so eher nähern, je eiserner ! unsere Nerven sind. * * * Jetzt soll's die Flotte machen. Das Londoner Konfektionsblatt für die kleinen Leute, die Northcliffesche „Daily Mail" schreibt: „Am 21. September wurde von einer „hohen Marinestelle" verkündet, daß die Unterseeboote besiegt seien. Seit dem sind aber 161 britische Kauffahrteischiffe versenkt worden, was im Jahre 2 Millionen Tonnen bedeuten würde. Wieviel Schiffe in der gleichen Zeit beschädigt wurden, wissen wir nicht. Wir wissen überhaupt sehr wenig darüber, was gegen die U-Boote getan wird. Es wurde uns gesagt, der Feind baue schneller U-Boote, als wir sie zerstörten. Diese Tatsache wird dadurch nicht berührt, daß wir an einem Tage fünf Boote versenkt haben. Das Glück schwankt, ebensosehr in der Versenkung von U-Booten wie in der Ver senkung von Handelsschiffen. Vielleicht vergrößert Deutschland seine U-Bvotflottillen so schnell wie mög lich und behält den größten Teil' davon jetzt im Hafen, nm sich auf eine große Frühiahrsoffenslve im At lantic vor-mbereiten. Das ist die wahrscheinlichste Er klärung dafür, daß die Versenkung britischer.Schiffe zu rückgegangen sind. Wir nehmen an, daß die Admiralität ihre Vorkehrungen getroffen hat, um die Einfahrt der U-Boote in den Atlantischen Ozean zu verhindern. Die Methode, viele kleine Boote aufs Meer zu schicken, würde in diesem Falle nichts nützen. Das einzige ist, die deutschen Häfen zu sperren, und wenn das nicht geht, die Nordsee. , Der GimseSoktor. Humristlsche Nonelette von O. Gaus-Bachmann. k?. Karlletzmrg.)- Frau Betti Uetz das Federbett zur Erde fallen und eilte dem jungen Manne entgegen. „Willkommen, lieber Neffe!" rief sie freudig, ihm beide Hände entgegenstreckend. „Aber du kommst allein, wo ist deine Mutter?" „Kommt nach mit Sack und Pack," entgegnete er, in dem er der Tante ehrerbietig die Hand küßte. „Sie wartet auf den Anschluß, ich bin mit dem Rad davongesahren." Kienholz hatte inzwischen die Tante an die Wand ge- > lehnt und war auf den Neffen zugetreten. „Willkommen > in meinem Hause," sagte er freundlich und fügte dann hin- ' zu: „Aber sage einmal, sind nicht zwei Damen mit etwas i fremdländischem Aussehen zugleich mit euch auf der Um ! steigestation ausgestiegen?" „Ja, Onkel, das heißt, nur die eine Dame sah ziem lich fremdländisch aus, sie war etwas bombastisch ange zogen." „Amerikanisch!" rief Kienholz. j „Ja, sehr — amerikanisch," bestätigte Gustav, und ein gutmütig spöttisches Lächeln zuckte um seine Mundwinkel. „Das ist sie, das sind sie!" rief Kienholz seiner Fran j zu, dann wandte er sich wieder an den Neffen, > „Du mußt wissen, lieber Gustav, daß sich Verwandte § aus Amerika angesagt haben und leider ist der Brief erst heute eingetroffen. Wir möchten ein wenig znm Empfang ; vorbereiten — wir hätten es auch für euch getan, wenn ! ihr den Tag eurer Ankunft bestimmt hättet, also du mußt « entschuldigen —" i „Urtd es trifft sich herrlich, daß ihr auch gerade kommt, j so gilt es für beide zugleich," fiel Frau Betti ein. „Ja, freilich, wirklich sehr nett," stimmte Kienholz bei. , „Wenn's eine Dekoration gilt, dann verfügen Sie über mich, da will ich gerne helfen," sagte der junge Mann eifrig. ! „Aber lieber Gustav, was höre ich da? Du wirst doch wohl nicht Sie zu uns sagen? Das gibt's hier nicht, nur immer auf du und du," rief Frau Betti. So, und nun , mußt du auch unsere Kinder kennen lernen." Sie wandte sich nach Mariechen und Fritz um, die mäuschenstill dagestanden waren und zugehört halten. Ma- ' riechen hate in dem Augenblick, als ihre Mutter das Feder bett fallen ließ, ihrerseits das Gleiche getan, nur war sie nicht auf den neuen Vetter zugeeitt, sondern hatte ihn aus sicherer Ferne betrachtet. Nach einiger Musterung gestand sie sich, daß sie noch nie einen so hübschen Jungen gesehen hatte. Die lustigen braunen Augen, das zierliche Schnurr- ! chen, die blitzblanken Zähne, das Grübchen im Kinn und die prächtige Gestalt, die durch den kleidsamen Anzug recht zur Geltung kam, das alles gefiel ihr ganz ausnehmend gut. Aber auch der junge Mami hatte während des Ge sprächs mit Onkel und Tante öfters in die Ecke gespäht nach der lieblichen Mädchengestalt und hatte Zeit gefunden, die langen blonden Zöpfe, die großen, fragenden, blauen j Augen, die rosigen Wangen und die kleinen Händchen und Füßchen zu bewundern. i „Das sind unsere zwei Kleinen," erklärte Frau Betti, indem sie die Kinder heranzog, „Mariechen und Fritz." Mariechen warf der Mittler einen vorwurfsvollen Blick zu, den der Vater Wohl bemerkte; sie reichte ihm er rötend die Hgnd, die er herzlich drückte, aber gleich wieder ! losließ. Dafür nahm er das rosige Gesichtchen der jungen ! Base in seine Hände und küßte sie ein paarmal ans den Mund; als sie sich verlegen losmachte, schaute er sie schein- - bar erstaunt an und meinte dann, zur Tante gewendet: ' „Aber Tante, das ist ja gar keine Kleine, das ist ja schon , ein Fräulein!" Und dann zu Mariechen: „Du bist doch nicht böse, Kusinchen, über meine heftige Begrüßung?" Sie schüttelte lächelnd den Kopf, und Papa Kienholz schüttelte den seinen ebenfalls, aber sehr nachdenklich. „Alle Wetter, das ist ein Draufgänger," murmelte er. Nun empfing auch Fritz seinen Begrüßungsknß, und der Kleine schmiegte sich zutraulich an Gustav. „Du, Gustav," sagte er schmeichelnd, „darf ich mal pro bieren, auf deinem Rad zu fahren?" „Aber natürlich darfst du das," rief Gustav, „und ich will dir noch was sagen: Wenn unser Gepäck kommt, dann gib acht ans eine lange, schmale Kiste, da ist was drinnen für dich, was glaubst du Wohl?" Fritz sah ihn zweifelnd an, und als er sein Lächeln sah, rief er jubelnd: „Ein Nad!" „Ja, ein Nad," wiederholte Gustav, „gerade so groß, wie cs für dich paßt." „Hurra!" brüllte Fritzchen, und auf den Lärm eilte Waldemar herbei, der nun auch den Vetter herzlich be grüs^- , willst du denn am liebsten zum Frühstück, Gustav' fragte die Tante. 1 „Gar nichts, Tante, ich danke," entgegnete er, „ich habe ans dem Bahnhof gefrühstückt und will jetzt gerne auf vic Nachkommenden warten. Erlaube mir lieber, daß ich bei den Empsangsvorbereitungen mithelfe; die Ve randa da läßt sich prächtig dekorieren, das soll meine «sorge sein, wozu wäre ich denn der Tapezierer." Kienholz sah seine Frau triumphierend an. „Tape zierer?" wandte er sich fragend an Gustav; „ich dachte, du „Bin ich auch," erwiderte dieser lachend. „Aber weil ich bei Dilettantenvorstellungen und ähnlichen Veranstal tungen stets mit geringen Mitteln ganz nette Dekorationen hergestellt habe, so haben sie mich den Tapezierer ge nannt." Kienholz räusperte sich und machte ein äußerst.schlaues Gesicht, als ob er fagen wollte: „Der hat sich aber gründ lich verschnappt!" Er schwieg aber still. „Liebe Tante, jetzt bitte ich dich um einige Bett tücher und ein paar farbige Wäschestücke, Schürzen und der gleichen oder allenfalls zertrennte bunte Kleider. Du sollst sehen, wie hübsch alles werden soll." Man versprach, das Verlangte herbeizuschaffen; Ma riechen und ihre Mutter rafften ihre Federbetten auf und eilten hinaus, Waldemar ging Laub und Reisig besorgen» während Fritz längst in den Garten gelaufen war, wo er sich eingehend mit Gustavs Nad beschäftigte. So kam es, daß Kienholz auf einmal mit dem neuen Neffen allein war. Und da blitzte ihm eine Idee auf, eine Idee, auf die er unendlich stolz war und die seine Achtung vor sich selbst ins Unendliche steigerte. Er trat auf den Neffen zu und faßte ihn vertraulich beim Rockknopf. „Du, Gustav," begann er, „du bist ein netter Junge, ich habe Vertrauen zu dir und will dich um etwas bitten." „Du machst mich stolz, Onkel," versicherte Gustav. „Weißt du," fuhr Kienholz fort, „die Verwandle, die wir heute erwarten, ist ein armer Teufel, eine entgleiste Schauspielerin, deren Gehirn nicht ganz richtig arbeitet. Wir möchten diese Schwäche schonen, und darum empfan gen wir sie feierlicher, als wenn sie wirklich eine Millionä rin wäre; sei also so freundlich, auf ihre Ideen einzu gehen. „Aber natürlich, lieber Onkel! Wie gut und zart du bist!" rief Gustav gerührt. „Na, na, nur Menschenpflicht!" wehrte Kienholz ab. Indessen trat Frau Betti ein mit einem Arm voll Bettüchern und bunten Schürzen, und Kienholz legte den Finger auf die Lippen, um Gustav Schweigen aufzuer legen. „So, lieber Gustav, hier hast du, was du brauchst," ries die Tante munter; „aber zerschneiden darfst du mir die Bettücher nicht, das sage ich dir gleich!" „Keine Idee, Tanterl! Wozu denn auch? Weißt du, ich will den Verandaeingang baldachinartig ausschmücken und die Bettücher sollen als eine Art Zeltvorhänge dienen; na, du wirst schon sehen!" „Schön, schön! Mariechen r'cich mit einem Riesen bündel alter Lappen; ich überlasse euch eurem Schicksal, macht, was ihr wollt, ich muß in die Küche." , Während Gustav die Wäschestücke auseinanderfaltete, hängte Kienholz endgültig die Großtante auf und bat Gustav, sie später mit einem Reisigkranz zu versehen; dann entfernte er sich. Gleich darauf erschien Mariechen mit ihrem Bündel, das sie Gustav zu Füßen legte. „Hier, Vetter," sagte sie schüchtern, „hoffentlich ist etwas Verwendbares darin." „Du mußt mir suchen helfen, Consinchen," entgegnete er, und sie fingen gemeinsam an, in dem Bündel zu stöbern. „Du, Mariechen," begann er nach einer Pause, „warum hast du denn einen so langen Namen? So ein lieber, kleiner Kerl wie du, würde bei uns in Wien nur Mitzi oder Mimi genannt werden; wahrscheinlich Mimi, das ist noch herziger. Hättest du was dagegen, wenn ich Mimi zu dir sagte?" „O nein," sagte sie errötend; eigentlich gefiel es ihr nicht, aber der Vetter hatte eine so nette Art zu bitten, daß man ihm nichts abschlagen konnte. „Aber dn mußt dann," fuhr er fort, „auch zu mir Gnstel sagen und wenn dn mich lieb hast — Gusterl, willst du?" „Ja," entgegnete sie leise und errötete noch tiefer. „Na, dann sag's gleich einmal," sagte er munter. Sie zögerte. „Fällt's dir denn gar so schwer?" fragte er gekränkt. „Gnstel," sagte sie rasch, und tapfer sah sie ihn da bei an. „Und das andere?" drängte er. Sie schlug die Augen nieder. „Gusterl," flüsterte sie kaum hörbar. Er erfaßte ihre Hände nnd küßte sie. „Mimerl, süße kleine Mimerl," rief er. In dem Augenblick kam die Magd durchs Zimmer und die beiden jungen Leute fuhren auseinander nnd stürzteu sich zn gleicher Zeit über das Bündel und wühlten in den Lappen, als ob sie ein Millionen-Testament darin suchten. Die Magd sah gar nicht nach ihnen hin, aber der Zanber war mm doch gebrochen nnd sie kamen nicht mehr in so nahe Berührung. Die Neste eines himmelblauen Kleides gaben einen guten Gesprächsstoff ab; Mariechen erzählte, daß sie darin zum ersten Male getanzt, und Gustav erzählte dann von dem Fasching in Wien, von den Unterhaltungen, die er mitgemacht; das Mädchen hörte andächtig zu nnd zagte schließlich mit einem kleinen Seufzer: „Ach, wenn ich das nur auch einmal mitmachen könnte!" Worauf Gustav feurig beteuerte, daß das nur ein Wort von ihm an seine Mama koste; die werde mit Freu den Mariechen mitnehmen, und er werde es sich angelegen sein lassen, der lieben Cousine so viel Vergnügen als mög lich zn verschaffen. Dabei wählten und schnitten und nähten sie eifrig und als Waldemar nnd Fritz mit den Girlanden erschienen, konnte man gleich ans Werk gehen. In kurzer Zeit er stand vor dem Verandaeingang ein Baldachin, der auf zierlichen, reisigumwundenen Zeltstangen ruhte; prächtige blanwciße Vorhänge blähten sich, gehalten von goldenen Schnüren; die letzieren waren gemeine Wäscheleinen, um wunden mit zerschlissenen Streifen einer einst prächtigen gelbseidenen Bettdecke. Das Ehepaar Kienholz war ent zückt von der effektvollen Dekoration und Gustav erntete