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»abe Sie geliebt vom ersten Augenblick an, va ich Me sah. Sie sind mein Stern, meine Heldin, meine Muse gewesen, die mich begeistert hat, di« mich zum wahren Künstler gereist. O, könnten Sie auch mein guter Engel sein für das ganze Leben, es sollte ein fortwährendes Dienen von meiner Sette fein." Es war eine Gruppe, rührend und ergreifend! Lili hatte die Hände in holder Verwirrung gegen das Gesicht gedrückt, und ihre ganze, leise widerstrebende Haltung drückte dasselbe aus — sie war in diesem Augenblick das kindliche Mädchen und zugleich ein Weib, dessen Ohr mit Entzücken der Offenbarung des größten Geheimnisses lauscht und dessen jungfräuliches Herz doch dabei zugleich erbebt. „Lili," sagte er nach einer kurzen Pause mit den tiefsten Seelentönen seines unverdorbenen Herzens, „Lili, könnten Sie mich ein wenig lieb haben?" Da legte das Mädchen plötzlich die Arme um seinen Hals und schmiegte ihre Wange an sein Gesicht — nur einen Moment, dann schnellte sie wie über sich selbst erschrocken zurück. Aber da stand er auch schon aus den Füßen und schlang die Arme um ihre Gestalt und sagte dazu mit Jauchzen: „O Lili, Dank, Dank! Mein Stern, mein Engel, meine Muse!" Und dann suchte er schüchtern mit seinen Lippen die ihren, und wenn sie auch schamhaft erglühend das Gesicht zur Seite wandte, so sand er ihn doch, den kleinen süßen, rosigen Dtuno, und ihre Seelen waren eins im Kuß. Es war nur gut, daß der Park heute wenig be sucht war und sie keine Zuschauer hatten, denn vor der Welt lag ihnen ein Schleier — gewoben aus Mär chenduft und Liebestraum. Dann gingen sie zurück — Arm in Arm — und der Glückliche streifte den Handschuh von der Hand, die so hingehend aus seinem Arm ruhte und hielt sie fest und führte die feinen Finger im Gehen wiederholt an seine Lippen. Als sie sich dem AuSgang des Parkes näherten, N>g Lili den Arm wieder aus dem seinen, er sah sie fragend an. „Heute noch nicht vor der Welt," sagte sie halb schalkhaft, halb verlegen, „wir müssen doch erst die Erlaubnis von Mama einholen." — Der Ingenieur war, nachdem er das Paar im Stadtpark zusammengebracht und damit seine Aufgabe erfüllt hatte, zu Frau Börner gegangen, die er auf das Kommende vorberetten wollte. Er mar ein Mann, der die Ergebnisse seiner Handlungen aus sich zu neh men gewöhnt war, er wollte es auch hier. Als er bei Frau Börner eintrat, kam ihm diese mit verstörten, Gesicht entgegen. „O, wie gut, Mister Brown, daß Sie kommen!" sagte sie aufgeregt, „ich bin ganz fassungslos!" x „Was gibt es denn?" fragte er erschreckt — er dachte gleich an Helene. „Bor einer halben Stunde haben sie Fräulein Stark abgehvlt, zwei PolizeibeaKlte haben sie verhaftet." „6oö äsmn! und warum? fragte der Ingenieur erregt. „Ich weiß nichts Bestimmtes, sie haben ihre Sachen durchsucht und sollen verbotene Schriften bet ihr ge funden haben." „Verbotene Schriften — vielleicht sozialdemokra tische?" sagte Mister Brown bestürzt. „Wie kam sie dazu, sollte sie zur Verwirklichung ihrer Ideen mit diesen Leuten in Verbindung getreten fein?" „Ich weiß es nicht, aber es ist schrecklich, diese Schande für mein Haus." „Nun, nun, über die Schande beruhigen Sie sich nur, etwas Unehrenhaftes hat das Mädchen nicht ge tan, dafür bürge ich Ihnen." „Ich habe es immer gesagt, daß es kein gute» Ende mit ihr nehmen wird." Der Ingenieur stand in Sinnen verloren da? er kaut« an seinem Barte und seine Stirn war düster gefaltet, er war offenbar tn «rasser innerer Wr«Lung. „Ich iverde sogleich zum Polizeipräsidenten geh«," sagte er dann. Indem brachte das Dienstmädchen einen Bries herein, der soeben von einem jungen Menschen abge geben worden war, er war an Fräulein Helene Stark adressiert. ! „Geben Sie her den Brief," sagte Mister Drown, „man weiß nicht, was er enthält, die Polizei wird alles tn Beschlag nehmen, was an sic gelangt. Ich bin des Mädchens Verwandte., ich habe die Pflicht, über sie zu Wachen, sie zu schützen, ich werde den ! Bries öffnen, die Verantwortung trage ich allein." Es stand nicht viel da^in, und das Wenige hatte weder eine Ueber- noch eine Unterschrift. Es lautete: „Entledigen Sie sich schleunigst aller ominösen Schriften. Wir sind verraten durch die Jntrigue eines Weibes, welches eine Abtrünnige ist und Sie wegen eines Mannes, bei dem Sie jener im Wege steAn, verderben will. Man wird Ihnen nichts anhaben können, wenn Sie alles ableugnen. Ich und die an dern sind in Sicherheit. Erkennen Sie hieraus die , wahre Freundschaft eines Mannes, der fest auf ein ! Wiedersehen hofft." Der Ingenieur sann über das Gelesene nach. Es war von der Jntrigue eines Weibes die Rede, welchem Helene bei einem Manne im Wege stehen sollte. Er lies; p'ötzlich wieder den bekannte» pfeifenden Ton ver nehmen, denn es fiel ihm ein grelles Licht in die Seele, und mit diesem faßte er einen Entschluß. Er wandte sich zum Gehen, aber schon in der Tür kam er nochmal zurück. „Beinahe hätte ich ganz und gar den eigentlichen Zweck meines Besuches vergessen," sagte er zu Frau Börner. „Ich kam, um Sie aus etwas vorzubereiten. Ich habe da eben auch eine Jntrigue, aber eine gut gemeinte, gespielt, ich habe zwei Menschen, von denen ich wußte, daß sie sich lieb haben, aneinander gebracht. Seien Sie nicht böse darüber, es ist alles in bester Ordnung, er hat sein Auskommen und ist ein Mann wie ein Kind, Sie haben nichts weiter zu tun als Ihren Segen zu geben, wie das im Lustspiel auf der Bühne, wie in der Komödie de» Lebens meist den lieben Eltern so geht." Frau Börner verstand ihn nicht ganz, nur soviel merkte sie, daß e« sich um» Lili handelte und daß nicht er es war, der sie begehrte, was sie doch ani liebsten aeieben bätte. trwiwwnw sogt.) Ans aller Wett. In oer Genossenschaftsstraße in Rüstrtngeu , wurde die 65 jährige Frau des Kesselwärters Schelper , im Bett erschlagen. Die Tat geschah einige Minuten ' später, nachdem Schelper um 5 Uhr zur Arbeit auf der Kaiserlichen Werft sortgegaugen war. Der Mörder ! floh, ohne seine Naubpläne ausgeführt zu haben. — Der Verwalter des Gutes Sophienhos bei Schwanse« ! (Schleswig), namens Rabbow, wurde mit Stichwunden . rm Kopfe tot aufgefunden. Da der Verwalter in Kl.- ! Waabs war, um dort Geld für die Lohnzahlung zu wechseln, nimmt man an, daß Raubmord vorltegt. ! Der Ermordete war als Farmer in Deutsch-Tüdwest- ! Afrika ansässig und hatte als Kriegsbeschädigter die ! Verwalterstelle erhalten. ! * * * Kleine Nettigkeiten. * Das Konsistorium für Brandenburg empfiehlt, für Knaben Einsegnungsanzüge mit nur kurz« Hofst zu kaufe«, um Stoff zu sparen. * In der Leipziger Stadtverordnetenversammlung wurde eine Eingabe verschiedener Frauenvereine, die für Frauen Sitz und Stimme in städtischen Kommis- sionen verlangt, dem Rat der Stadt zur Berücksichtigung überwiesen.