Volltext Seite (XML)
Sonnabend, 3. September 1960, 19.30 Uhr Sonntag, 4. September 1960, 19.30 Uhr 1. Philharmonisches Konzert DIRIGENT Prof. Heinz Bongartz SOLISTIN Prof. Elly Ney, München (Klavier) Ernst Hermann Meyer geb. 1905 Sinfonie für Streicher Adagio, molto maestoso, ma non troppo lento Assai allegro Larghetto Adagio — Allegro con fuoco (con variazione I — IX) Wolfgang Amadeus Mozart 1756—1791 Sinfonie D-Dur, KV 385 (Haffner-Sinfonie) Allegro con spirito Andante Menuetto Finale — Presto PAUSE Ludwig van Beethoven 1770—1827 Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4 G-Dur, op. 58 Allegro moderato Andante con moto Rondo — Vivace ZUR EINFÜHRUNG Prof. ELLY NEY Bei der Uraufführung der Streichersinfonie von Ernst Hermann Meyer stand noch handschriftlich am Anfang der Partitur das Entstehungsjahr 1946: „Symphony for String Orchestra 1946 London“. Heute heißt es in der inzwischen von der Edition Peters in Leipzig gedruckten, vom Komponisten autorisierten Partitur: 1946/58! Die Fassung der Uraufführung ist also 1958 überarbeitet worden — vielleicht in Äußerlichkeiten, kaum in ihrem inneren Wesen. Im ersten Satz, einem Adagio molto maestoso (= langsam, sehr würdig), protestieren punktierte, trotzige Rhyth men gegen die Menschenunwürdigkeit der Nazizeit. Der zweite Satz ,,Assai allegro“ (= genügend schnell), in seinem leichten Scherzo-Thema am Anfang und am Ende eingänglicher, aber kaum freundlicher als der erste Satz, ist ein dunkel rumorender Tanzsatz, in der Aufführung schwierig durch allerlei technische Raffinements. Nach der Ruhe des dritten Satzes „Larghetto“ (Verkleinerungsform von Largo — breit) mit dem Hinweis „nachdenklich, mit großzügigem, ernsthaftem Ausdruck“ ist der vierte und Finalsatz, vom vorbereitenden Adagio zum feurigen Allegro über leitend, in seinen neun Variationen geradezu ein Aufschrei, von höhnischem Lachen begleitet, von wütend arpeggierenden Akkorden, von lyrischer Besinnlichkeit bis zur erneuten Drohung am Schluß. „Die Partitur kündet dem Ausführenden und auch dem Hörer an, daß sie in keinerlei Hinsicht leicht zu bewältigen ist. Sie stellt höchste Ansprüche in aller Beziehung, so daß Dirigent, Orchester und Konzert besucher Gelegenheit gegeben ist, besondere Ehre für sich einzulegen!“ (Ludwig Richard Müller) Ernst Hermann Meyer wurde am 8. Dezember 1905 in Berlin geboren. Er war nicht nur Schüler von Joh. Wolf, Schering, Blume, Hornbostel und Besserer (bei dem er 1930 in Heidelberg den Dr. phil. erwarb), sondern neben der Musikwissen schaft auch Kompositionsschüler von Hindemith, Butting und vor allem von Hanns Eisler. Schon früh stellte sich Meyer der Arbeiterbewegung als Politiker, Künstler und Wissenschaftler zur Verfügung. Vor den Nazis emigrierte er nach London, wo er auch der Arbeiterklasse dieses Landes ein hilfreicher Freund wurde. Eine ganz andere Welt tut sich auf. Eine Weltrevolution bereitet sich vor, in Salz burg aber lebt das geruhsame Bürgertum. Für die Nobilitierung des jüngeren Siegmund Haffner mußte auf Bestellung Vater Mozarts in aller Eile eine Serenade komponiert werden, welche Mozart im Juli 1782 in wenigen Stunden fertigstellte. Mozarts Hauptaugenmerk lag in diesen Julitagen mehr bei der „Entführung“, und so lesen wir in einem Brief an den Vater, daß der Meister sein Werk völlig ver-