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Lie Frauenrechtlerin ! Roman von Heinrich Köhler. ü. Fortsetzung.) ! UN einem elegant und dabei sehr behaglich ein- i gerichteten Salon, eher noch ein Boudoir, sanden sie eine Dame in nachlässiger, aber desto bestrickenderer Haltung aus einer Chaiselongue ruhend. Sic war in einen weiten, mit Pelz verbrämten Schlafrock gehüllt, der große Aehnlichkeit mit einem griechischen Gewände hatte. Dichtes schwarzes Haar ringelte sich ungefesselt auf > j Schultern und Brust herab, in welchem die plastisch geformte Hand nachlässig wühlte, und umrahmte ein Gesicht von edlem Schnitt und blendender Weiße, dem die gerade Stase etwas Griechisches und der kleine Mund etwas Bestrickendes gaben. Die Dame erhob sich bei dem Eintritt der Herren nur ein wenig aus ihrer bequemen Lage und streckte mtt einer nachlässig graziösen Bewegung Herrn von Schwindt die schöne Hand entgegen. Der also Emp fangene beugte sich über die Weiße Hand und stellte dann seinen Begleiter vor. ! „Mister Richard Brown — Oberingenieur und mein Kollege," sagte er. „Eine sehr interessante Per sönlichkeit, welche die halbe Welt gesehen hat. Nur in Rußland ist er noch nicht gewesen, und -deshalb konnte ich mir nicht versagen, ihm in Ihnen eine Repräsentantin dieses Landes vorzustellen, von der er sicher den denkbar günstigsten Eindruck von dessen Bewohnern und vorzüglich Bewohnerinnen erhalten wird." „Sie Schmeichler," sagte die schöne Frau mit scherzhaftem Fingerdrohen, dann streckte sic dem Bor gestellten ebenfalls mit einer bezaubernden Grazie die schmalen Finger entgegen. „Dou ars verv woleome iaäseä, Mistor," sagte sie zu ihm mit einem reizend klingenden fremden Akzent. Der junge Ingenieur bewies in diesem Augenblicke, daß es ihm durchaus nicht an weltmännischer Ge wandtheit fehlte. Er verbeugte sich mit einer ele ganten Verneigung über die seinen Finger und führte sie an die Lippen. „Lernt man in den amerikanischen Urwäldern auch solche Galanterien?" fragte sie. Könnte es nicht behaupten, gnädige Frau, aber die amerikanischen Ladies und deren Gentlcmen sind darin ziemlich bewandert, und es ist erklärlich, daß ' man alle seine wenige Nebung auf diesem Gebiete ° zusammenruft, wenn man sich plötzlich mitten in einer alltäglichen Stadt einer der griechischen Gottheiten gegenüber findet." „Müßte ein recht ungeleckter Bär sein, wenn ich Ihnen gegenüber erst eines solchen bedürfte, halte es i übrigens in allen Dingen mit der Originalität, meine schöne Lady." Dies« lachte. „Sie haben sich ein schlechtes Beispiel an Herrn von Schwindt genommen," sagte die junge Russin. „Mister Brown bezieht das sogar bis auf seine Wöhnung," sagte Herr von Schwindt. „Denken Sie sich, gnädige Frau, als ich ihm vor einiger Zeit pflicht schuldigst meinen Besuch mache, finde ich ihn in einer Chambregarni-Wohnung, die gerade für einen seiner Schreiber oder Zeichner passen würde, zwei Treppen hoch mit einer abgenutzten Mahagonimöbel-Einrich- ! tung und einem baumwollen-überzogenen Sofa. „Habe das Sofa wahrhaftig noch nicht auf seinen Ueberzug hin untersucht," entgegnete der Geneckte gleich mütig, „übrigens sitzt es sich ebenso gut auf Baum wolle wie auf Seide für einen Menschen, der Jahr und Tag bei den Nussteckungen und Ausmessungen her Bahnlinie durch unbewohnte Gegenden sich mit den primitivsten Lagerstätten begnügen mußte." „Aber hier inmitten der Kultur, zwei steile Treppen hoch, in einem ärmlichen Hause, das ist für die be suchenden Freunde eine schwere Zumutung." „Werde draußen einen Fahrstuhl anbringen lassen, in dem sie sich hochwinden können — vielleicht kann ich dabei gleich eine neue Erfindung machen. Aus der Wohnung bringen Sie mich nicht heraus, die ge hört einem Original, dessen Gesellschaft mir mehr wert ist als so eine stumme fashionable von modernen Möbelstücken." „DaS ist schön, das gefällt mir, Mister Brown," sagte die junge Witwe, „ich teile Ihre Shmpathie für das Besondere, Sie sind ein interessanter Mann." „Und dazu eine Berühmtheit in seinem Fach," be merkte Herr von Schwindt artig, „ein zweiter Edison." Der junge Ingenieur lachte gutmütig in einer ! Art, die bewies, daß er nicht der Mann war, welcher sich durch dergleichen Komplimente den Kopf ver- drehen ließ. Er streifte den anderen einmal mit einem prüfenden Blick, der zu fragen schien: „Was willst du damit bezwecken?" Die junge Russin hatte unterdessen die bei ihrer Nation unvermeidliche Teemaschine, welche auf einem Zeitentischchen stand, in Gebrauch gesetzt, sie prüfen- , tierte den Herren t".-kischen Tabak, und ihre seiner: Kinger entwickelten dann selbst eine große Kunstfertig keit i» der Anfertigung von Zigaretten, wobei sü so liebenswürdig war, die erste dem Gast zu über reichen. Als die beiden Herren wieder aufbrachcn, geschal eS in gegenseitig angeregtester Stimmung, und der Abschied von der Dame war ein sehr Liebenswürdiger ! Unten aus der Straße sagte denn auch der junge ! Ingenieur. „Was tut die eigentlich hier?" j „Was tun solche Damen überhaupt? — Nichts! ! Sie war längere Zeit in Paris und wird nun eine Weile versuchen wollen, wie es sich in einer deutschen Residenz lebt." „Bloß ihre Mänuerstudien erweitern! Bloß ! darum lebt ein so geistreiches und kluges Weib nicht > ständig in der Fremde!" > Herr von Schwindt blieb unter einer brennenden " Laterne sieben. „Mr jetzt mutz ich Sie verlassen, werter Freund," sagte er. „Sie wissen, daß mir heute noch ein zweites Mal das Vergnügen zu teil werden soll, Tee zu trinken." „Kalkuliere, es wird Ihnen nicht sehr um das wässerige Zeug zu tun sein, ich für meinen Teil ver spüre regelmäßig Leibschmerzen danach, die ich nur durch einen herzhaften Schluck Kognak vertreiben kann." „Das Teetrinken ist allerdings eine fatale Sitte. Aber Sie hörten, daß man mich mit einer Einladung beehrte. Ich gehe noch zur Regierungsrättn Landrö." „Nicht zu vergessen ihre interessante Tochter Lucie," bemerkte Mister Brown mit einem Lächeln. Der andere zeigte auch eines — ein etwas selbst gefälliges, und wirbelte dabei an seinem schwarzen, sehr zierlich aufgesetzten Schnurrbart. „Nun ja, es wird Zeit, daß man solide wird. Auf Wiedersehen!" „Gute Nacht!" In den: Augenblick, als sie sich trennten, ging der alte Sieber an ihnen vorbei. Er grüßte in seiner gravitätischen Weise, und der junge Ingenieur rief ihn an. „Wo denn hin, alter Herr? Hier entlang geht's doch nicht nach Hause." „Svll's auch nicht, Herr Mister Brown. War ja «in sehr feiner Herr das?" „Soll Wohl eine Anzüglichkeit auf mich sein?" scherzte der andere, „es scheint, ich komme Ihnen nicht wie ein Gentlcmen vor?" Sieber ließ die Frage unbeantwortet. „Ist der Herr auch musikalisch?" fragte er. Sein Mieter lachte hell auf. „Kann Ihnen diese wichtige Frage leider nicht beantworten, alter Freund, werde aber nicht verfehlen, bei der nächsten Gelegen heit mich danach zu erkundigen. Möglich immerhin, daß er bei seinen vielen Kavalierfertigkeiten sich auch darauf versteht, die Gehörnerven seiner Zuhörer zu malträtieren. „Sie scheinen in dieser Beziehung allerdings sehr cülllichtsvoll zu sein," sagte der alte Sieber in seiner trockenen Sprechweise, „unser Uebereinkommen haben Sie rein vergessen." „Oho — wer sagt Ihnen denn das? Ich könnte Ahnen ja Wohl eine heimliche Freude machen wollen." „Na —" machte der alte Mann gehend mit einem mißtrauischen Seitenblicke, „eine heimliche Freude, ja, daß ich eben nie etwas davon höre." „Ah, ich denke doch, Sie müßten es merken, welche unmenschliche Mühe ich mir gebe, meinen Sinn für Musik zu entwickeln. Hören Sie mich nicht immer in meiner Stube bei der Arbeit pfeifen?" „Na ja — das stimmt. Aber immer falsch, einen halben Ton zu hoch oder zu tief. „Mit Variationen, alter Herr, mtt Variationen!" Der alte Sieber lachte in seiner würdevollen, ge messenen Weise halb geärgert, halb versöhnt. Er hatte immer etwas Wehmütiges, wie ein Mann, der sein schweres Schicksal und seine getäuschten Hoffnungen zwar mit Fassung und Würde, aber doch mit einem stets nagenden inneren Schmerze trägt. „Heute abend," sagte er, „sind wir dafür auch ganz und gar musikalisch." „So? Sie gehen Wohl in die Philharmonie?" „Na, das gerade nicht. Aber in ein Lokal, in dem der Verein akademisch gebildeter Musiker und Musikerinnen eine Festlichkeit abhült. Erst musikalisch« Borträge, leider nur eine Stunde, und dann Tanz. Meine Frau und Tochter haben die Damen- und 'ich mit noch einem andern, der schon da ist, die Herren garderobe. Aber ich muß mich sputen, daß ich hin komme, die Frauensleute sind schon längst voraus." Er wollte sich von seinem Mieter verabschieden, aber dieser blieb an seiner Seite. „Da würde ich mich ja so ganz allein in der Wohnung fürchten," sagte er. „Ist die Gesellschaft eine geschlossene? Was meinen Sie, wenn ich mitküme. Die erste Stunde wird ja Wohl zu überstehen sein." „Eine geschlossene ist's freilich, aber wenn Sie einen Frack anhaoeu, Amute ich Sie wohl Hinein bringen." „Geht es denn nicht auch ohne Frack?" fragte sein Begleiter neckend. „Partout nicht, die Leute halten aus gute Sitte." ,JVKI,' dann nehmen Sie mich nur getrost mtt, ich habe zufällig gerade dieses geheiligte Kennzeichen eines sittsamen Menschen an." V. Es wurde dem alten Sieber nicht schwer, seinem Mieter den Eintritt in das Lokal zu ermöglichen, es bedurfte dazu nur dessen Vorstellung bei einem der Herren vom Komitee: dann mußte er ihn freilich seinem Schicksal überlassen, denn das seinige rief ihn in die Herrcngarderobe, wo auch Mister Brown seinen Ueberzicher und Hut ablcgte. Als er in den Saal Um Heimat und Herd, um Brot und Arbeit, um des deutschen Arbeiters Zukunftshoffnung kämpfen wir den schwersten Krieg der Weltgeschichte; zu dem sieg- haften Heldenmut der Armee und der hingehendsten Arbeit des Volles daheim mutz die finanzielle Opfer- Willigkeit treten, sollen wir den Krieg zu einem ehren vollen Frieden führen, der Deutschlands Wirtschafts- und Weltgeltung sichert. Erst mtt einem solchen Frie den ist auch die Zukunft der deutschen Arbeit und die Vollentwickelung der Sozialpolitik einer erfolgreichen Zukunft gewährleistet. Deshalb alle eure Ersparnisse für die Kriegsanleihe! Was ihr den: Vaterland« leiht, wird euch tm Frieden hundertfältige Frucht bringen! F Giesberts, - Arbeitersekretär, Mitglied des Reichstags. k - - rrar, war man g rave ver vem ersten Leit ve» Pro gramms, den omsikaltschen Borträgen, und eine junge ' Dame machte eben vom Podium aus dem versammelten Publikum eine zierliche Verneigung, um sich dann an ! das dort ausgestellte Piano zu setzen und etwas vor- zutragcn. Mister Brown ließ diese musikalische Leistung ohne großen Eindruck an sich vorübergehen, er hatte für diese in kunstvoller technischer Fertigkeit gipfelnde Salonmusik wenig Verständnis und begnügte sich mit der Annahme, daß die Leistung jedenfalls keine schlechte sein könne, da sic vor ein Ho durchaus aus Sachverstän- j digen bestehendes Publikum sich tvagte. Mehr als die j Musik interessierte ihn die junge Dame, welche diese j ausübte. In der lächelnden Verneigung, die sie dem ! Auditorium beim Beginn und nach dem von Applaus ! begleiteten Schluß machte, lag etwas so Midlich Un- > befangenes und natürlich Anmutiges, daß er einen ! Reiz empfand, das Mädchen liäher kennen zu lernen, i Und der Zufall war ihm in dieser Beziehung gün ¬ stig, denn nachdem die junge Dame da« Podium ver- ! lassen, setzte sie sich nicht weit von seinem Standort , an einen Tisch zu einer Gesellschaft, zu der sie zu ge- ! hören schien. Sie war ein Mädchen von mittlerer ! Größe, eher voll als zierlich gebaut, und von einer i Blässe des Teints, daß sie mit jeder englischen Miß ! Sarin wetteifern konnte — die Farbe war eigentlich etwas zu matt. Dem Teint entsprach das hellblonde Haar, welches sehr dicht und schwer war und sich um einen zierlichen Kopf mit einem sein geformten schmalen Gesicht schlang, in dem der liebliche kindliche Reflex einer schönen reinen Mädchenseele einen dauernden Sitz zu haben schien. Und nun erst, wenn sie sprach! Da var Hede Muskel in dem Gesicht Leben, Anmut, Grazie, es gewann dabet so Bezauberndes und kindlich Lieb liches, daß man sie immerfort hätte sprechen mögen leLeu. - tFortletzung folgt.) i X—XX—XX X —XX—XX X Tie Gegenwart verwirft nicht selbstgefällige Worte, ! sonver« selbstlose Taten — auch von vem Bolle da heim. Die Höhe der Zeichn! »On zur 7. Kriegsanleihe wird zum Gradmesser für die Siegeszuversicht des deutschen Bölkes werden von Mackensen, Gencralfeldmarschatt. Turchhalten mutz sein. — Datz die aufgewauvten Milliarden im Lande verbleiben, ist ein ungeheurer Borteil gegenüber - «seren Feinden, deren Geld in das Ausland abflietzt. In Stahl uns Eisen steht Deutschlands Wehr in Feindesland und wird dem Vaterland »en erhofften glorreichen Friede« erkämpfen. Leopold, ! Prinz von Bahern, ; Gencralfeldmarschalk. X—XX—XX— X XX—XX—X Aus aller Welt. * * Tie Heringsfischerei in der Nordsee läßt sich noch nicht befriedigend an. Weder bei der nordischen noch der heimischen Fischerei sind größere Fänge zu verzeichnen. In den Kieler Gewässern werden Heringe und Sprotten nur in kleinen Mengen gefangen. Der wagenweise Versand von geräucherten Fischen nach dem Inland ist wegen fehlender Ware noch nicht ein geleitet worden. * * Erinnerungen an untergegangene Engländer. In Dagebüll an der schleswigschen Westküste wurden 6 ganz mit Muscheln bewachsene Weinfässer angetrie ben. Auch auf Föhr, Sylt und Amrum sind große Weinfässer angetriebcn. Nach Husum wurde dieser Tage ein 500 Pfund schweres Weinfaß von Föhrer Fischern gebracht. Die Finder erhalten guten Berge- , lohn. * * Tollkirschen. In Sonneberg gingen drei Kinder ! eines Porzellanformers, während die Mutter auf dem Felde arbeitete, in den Wald und aßen dort Toll kirschen in der Annahme, es seien Brombeeren. Ein ! dreijähriger Knabe und ein fünfjähriges Mädchen star- . bcn an den Folgen der Veraiftuna. i Lokales. —" ! -st Einschränkung des Reiseverkehrs. Wir stehen augenblicklich im Zeichen der Kohlenknappheit. In folge des gewaltigen, während des Krieges ständig gewachsenen Kohlenverbrauchs unserer Industrie ist die Menge der verfügbaren Kohlen für unsere Heiz- und Feuern ngSzweckc nicht mehr ausreichend. Es muß daher nach Möglichkeit gespart werden. Eine Ersparnis bei unserer Kriegs- und Rüstungsindustrie ist unmöglich, eine Einschränkung bei anderen industriellen Betrieben nur in beschränkten: Umfange durchführbar. Dagegen lassen sich durch Herabsetzung des Kohlenver- b rauch cs der Eisenbahnen nicht unbeträchtliche Ersparnisse machen, wönn die Züge, die bisher ledig lich dem Reiseverkehr gedient haben, in Zukunft eine Einschränkung erfahren. Dazu wird bemerkt: „TaS Publikum wird während des Winters sicherlich gern sein Reiscbcdürfnis unterdrücken und alle nicht unbedingt nötigen Reisen auf bessere Zeiten verschieben. Wenn sich jedermann vor Augen hält, daß unsere Eisenbahnen im Kriege vor allen: dein Zwecke der Heeresleitung, sowie der Beförderung der unentbehr lichen Lebensmittel und Rohmaterialien dienen müssen, dann wird er nur als billig empfinden, datz der pri vate Reiseverkehr bei der überaus großen KohlenknaPP- hcit während des Winters auf ein Mindestmaß be schränkt wird.