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„Sahib, höre mich! Mein Vater war ein mächtiger Fürst, doch die fremden Sahibs nahmen ihm seine Macht, da erbot sich Rafah v. D., ihm zn helfen, wenn er ihm seine jüngste Tochter zum Weibe gäbe. Schwester Ari war schön, wie die Sonne, und rein, wie der junge Tag. Sie enrsagte ihrer Liebe und willigte ein, das Weib des alten Rajahs zn werden. Doch noch war ein Hindernis zu überwinden: unsere Religion verbietet, daß die jüngste Schwester vor der älteren heiratet, ich aber war noch un- vermählt und liebte niemand. Der Rajah drängte, da griff man zu dem üblichen Mittel, mich einer göttlichen Blume anzutrauen. Die heilige Lotosblume ward mein Gemahl: diese Ehe ist unlöslich, keinen irdischen Mann darf ich lieben, ihm angehören; mich und ihn würde die Rache der Götter treffen und verderben. — Das ist mein Geheimnis!" Berauschender, schöner erschien ihm die Inderin, das Mondlicht flutet voll herein über das Mädchen hinweg. Die Nachtigall singt ihr Liebeslied und im Herzen regen sich tausend Wünsche, verborgenes Sehnen wird wach, heiß lodert die Flamme des Herzens — und sie sinkt in seine Arme. Welt, Menschen und Haß und Rache sind vergessen. Die Nachtigall schweigt uud gcbcimnisvoll keuchten und schimmern die wunderbaren, weißen Blüten kelche dort unten am Ufer des Flusses, und ein leises Minzen und Rauschen ertönt über den Wassern. Monate waren vergangen, die kleine Villa umschloß ein Paradies von Glückseligkeit. „Mira, warum bis du traurig, was umflort dein Auge? Entbehrst du die Welt? O gedulde dich nur noch wenige Wochen, und ich führe dich fort in meine ferne Heimat: und entrückt der Macht deiner Götter, dem Haß deiner Familie, wirst du als Christin mein angebetetes, geliebtes Weib, vor Gott und der Welt! Meine schöne Mira!" In Miras Augen liegt Todestraurigkeit, unendliche Liebe zu dem vergötterten Manne klingt aus jedem Worte heraus. „Fred, die Götter werden mich niemals freigeben, mein Glück ist zu groß, es kann nicht sein " Kapitän Henricourt wirft achtlos die Sportmütze auf einen Sessel. „Fred!" Unendliche Qual liegt in dem einen Wort. „Eine Lotosblume — du, du konntest sie brechen, um sie achtlos verwelken zu lassen, o Fred, sie wird sich rächen!" „Thorheit, Kind, es ist ein Zeichen unserer Partei, morgen ist der große Match in den Pologrounds." ' Das Polo, einer der gefährlichsten und aufregendsten Sports, ist bei den in Indien garnisonierenden Regimen tern außerordentlich beliebt. Die Poloretter erscheinen ohne Kopsbedeckung und Facket, in Reithosen und hohen Stiefeln auf kleinen, kräftigen Pferden in der Bahn. Die Grounds sind weite Rasenflächen, auf zwei ge genüber liegenden Seiten derselben befinden sich in einer Entfernung von 300 bis 400 Metern die durch Flaggen gesteckten Ziele. Inmitten der Bahn liegt ein großer Ball, den jede Partei bemüht ist, auf ihrer Seite durch die Flag gen zu bringen. Sie bedienen sich hierzu langer Hammer,' Äe, unter dem Arm geführt, stets zum Schlage bereit sind. Die Partei nun, der es gelingt, den Fall während einer Spieldauer, das ist 20 Minuten, durch ihr Ziel zu treiben, ist Siegerin. Jedes Spiel ersordert der schnellen Wen- -dungen und heftigen Paraden wegen einen Pferdcwechsel, und selbst der passionierteste Poloplaher ist nicht imstande mehr als drei Touren zu reiten. Schroffe Zusammenstöße find in der Hitze des Gefechts unvermeidlich, Arm- und Beinbrüche durchaus keine Seltenheiten, ja manch tapferer Poloreiter hauchte auf.den Grounds sein junges Leben «ls — doch höher nur blüht der Sport auf. Der Reitplatz ist gerüstet, das glänzende Publikum versammelt, die Reiter eilen von allen Seiten herbei, auch Kapitän Henricourt steht, Abschied nehmend, vor der schä men Mira. „D Sahib, Fred, bleibe heute, geh nicht, die Lotos blumen werden sich rächen, die Nixen des Ganges habe» es mir vertraut, sie warnten mich, o Sahib, verlaß mich nicht!" Tas junge Weib sieht tränenden Auges zu ihm auf. Ungeduld liegt in des Kapitäns Stimme, als er sie liebkosend, dann leise vor sich schiebend sagt: „Mira, es geht nicht!" Und die sanfte, sonst so ruhige Mira sinkt verMe»- felt vor ihm ins Knie, stehend umklammert sie ihn: „Bleibe, Fred, nm meiner Liebe willen!" Ein heftiger Kampf malt sich auf Fred Henricourt-' Zügen, voch er ist ein Ehrenmann, sein Offizierswort bin det ihn, cs geht nicht — „Mira, geliebtes Mädchen, vertraue mir, es wird daS letzte Mal sein, dir zu Liebe werde ich nie wieder beim Polo reiten." Noch einmal küßt er das angebetete Weib, noch ein mal drückt er die Verzweifelte an sein Herz, dann geht er sroh, siegesbewußt, nicht ahnend, wie nah sein Schicksal, wie wahr seine Worte! Das Spiel ist im vollen Gange, Henricourts Partei ist am verlieren, die Kugel ist fernab vom Ziel schon, ist er der berühmte Spieler nicht mehr?" „Hurra, Henricourt besiegt!" schreit ein vorschnel ler Zuschauer von der Tribüne herab. Fred Henricourt, der sich absichtlich abseits gehalten, trifst der höhnische Ruf wie ein Peitschenhieb — er reißj das Pferd herum, und die Kugel, die fast schon das feind liche Ziel erreicht, fliegt im weiten Bogen zurück. Der Feind wehrt sich verzweifelt, Henricourt ist ein gewichti ger Gegner. Da ein Schrei! Die Hammer ruhen, Fred Henricourts Ponny jagt wild, reiterlos durch die Bahn, sein Herr liegt von einem Hammerschlag an die Stirn getroffen, von Pferdehufen zertreten, tot auf dem grünen Rasen. Man bettet den Toten auf eine Bahre, und schwei gend naht unter Doktor Duns Führung der kleine Zug der Villa Henricourts. Alle Räume sind leer, der Tote wird in den Salon gebracht, Doktor Dun, hat es übernommen, die Ehrenwache bei dem Freunde zu halten. Doktor Dun ist allein mit der Leiche, seine Gedanken fliegen zurück zu jener Nacht, als er die Inderin zum Le ben erweckte. Wo mag sie weilen? Da hebt sich die Portiere und die, deren er eben ge dacht, tritt herein. Schwebend ist ihr Gang, nichts Irdisches scheint ihr anzuhaften, der Glanz ihrer Augen ist tot, bleich ihr Ge sicht. Sie tritt an die Bahre und legt einen Strauß blü hender duftender Lotosblumen auf die Brust des Ge liebten und küßt seine erblaßten Lippen, seine blutbedeckte Stirn. Schweigend, wie sie gekommen, verläßt sie wieder! den Salon. Doktor Dun wagte sie nicht mit einem Wort z« ban nen, alles versank wieder in Totenstille, nur von unten herauf, von der Wassersette tönt ein dumpfer Fall und hochaus spritzen die Fluten des Ganges und die Lotosblu men schimmern und leuchten, duften und flüstern wie im mer. Ueber den Wassern wölbt sich der ewige Himmelsdom mit seinen glänzenden Sterq-n, und als der Morgen her aufdämmerte, spülten die Wogen des Ganges die Leicht der schönen Mira ans Land. Humoristisches. Schüüengrabensprüche zur Weltgeschichte. Das Haus Romanow, das blutigste Europas, fiel lautloser als ein Halm, den der Wind von der Teune trägt. — Nikolaus, hätten deine Soldaten Rußland so verteidigt, wie du deinen Thron — die deutschen Armeen stünden heute in Kamtschatka — und das heilige Rußland wäre eine deutsche Provinz.