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Goethe verabschiedete sich und zog sich von neuem in sein Schlafgemach zurück. Die Gesellen fuhren fort zu zechen, sie lärmten und polterten immer lauter. Zuletzt verlangten sie ein Bett. „Wir haben keins übrig — die vorhandenen sind für den Herrn Marschall und sein Gefolge bestimmt,"- fertigte Riemer sie ab. „Wir müssen haben ein Bett." „Tie sechzehn Husaren schlafen ja auch auf dem Fußboden —" „Ist ganz egal. Wir sein müde, wir haben ge fochten in der Schlacht. Ein französischer Soldat ist tzein Hund — wir müssen haben ein Bett." Zornig stürmten sie die Treppe hinauf, zu neh men, was man ihnen verweigert. So gerieten sie in das Schlafzimmer des Hausherrn. Mit entblößten Sä beln drangen sie auf ihn ein, der sie ersuchte, sich ruhig zu Verhalten. An einem Haar hing das Leben des großen Mannes. Ta stürzte Christiane herbei, bleich, aber entschlossen. Sie wollte ihr Leben daran wagen, das des geliebten Mannes zu retten. „Zurück!" herrschte sie die Betrunkenen an, sich zwischen diese und den Dichter werfend. Mit fester Hand zog sie ihn zurück, laut nach Hilfe rufend. Einen Augenblick stutzten die rohen Gesellen. Da durch gewährten sie dem Bedrohten Zeit zur Rettung. Ein Mann aus dem Hause springt herbei, mit seiner Hilfe gelingt es, die Rasenden hinauszudrängen. Christiane verriegelt blitzschnell die Tür — aufschreiend wirft sie sich in Goethes Arme. „Ich danke dir, liebes Kind — dir danke ich mein Leben!" „Gerettel!" jubelt sie. Waren die berauschten Tirailleure auch hier ab geblitzt, so verließen sie das Goethesche Haus darum doch nicht. Sie setzten ihre Untersuchung fort, erreich ten das für den Marschall bestimmte Zimmer und machten es sich in seinem Bett bequem. Riemer gab sich alle Mühe, sie davon abzubringen, indem er ihnen die Folgen ihrer Handlung vorstellte — umsonst! Zu betrunken, um sich noch über ihr Tun Rechenschaft zu geben, beharrten sie bei ihrem Vor- saM^ Bald schnarchten sie wie zwei Tampssägsn. ^lm anderen Morgen traf endlich der Marschall ein. Seine Adjutanten machten wenig Federlesen mit den Marodeurs und jagten sie zum Hause hinaus. Gott sei dank! Die Gefahr war vorüber — wenigstens siir den Dichter und die Seinen. Nicht für die arme Stadt, in welcher die Plün derung und Mißhandlung fortdauerte. Der Bruder Christianens, der Verfasser des „Rinaldo Rinaldini", schrieb darüber in einem Briefe am 20. Oktober: „Abends 5 Uhr (am 14.) fing die Plünderung an, die 36 Stunden dauerte und mich von allem entblößt hat. Drei Tage waren wir nicht in unserem Hause. Mordgewehre auf uns gezückt, gemißhandelt, beraubt, unendlich unglücklich gemacht. Wir sprachen jetzt gute Seelen um Geld an — und wer hat welches? Tenn nicht 10 Häuser, selbst das Schloß nicht, sind ver schont geblieben. Tie fürchterliche Nacht, Geheul, Ge winsel, Brand — ach Gott! und meine Frau und das Kind, Stunden in kalter Nacht unter freiem Him mel im Park!" Goethe empfand inniges Mitleid mit dem armen Betroffenen. So unerträglich erschienen ihm diese Zu stände, daß er zu Voß mit Tränen in den Augen äußerte: „Wer nimmt mir. Haus und Hof ab, daß ich in die Ferne gehen kann?" Vor allem das Schick sal des Herzogs und der Herzogin lag ihm am Her zen. Karl August als preußischer General hatte Na poleons bitteren Haß auf sich gezogen. Man fürchtete für seinen Thron. Nur dem mutigen Auftreten der Herzogin Luise verdankte er die Schonung, die ihm Napoleon zuteil werden ließ. Auf des Korsen Frage: „Bei seiner Pflicht!" Schere Und ErE ti Eine erfolgreiche Patrouille. In der Nacht -um ... erfolgte die Rückwärtsverlegung der dar..- schen Front an der Ancre. Die 7. Komp. 2. G.-R. hatte hierbei als Vorpostenkompagnie die Sicherung der neuen Hauptstellung zu übernewnen. Es galt, Füh lung mit dem Feinde zu haltewDnd alle Mittel an zuwenden, ein vorzeitiges Nachstoßen desselben zu verhindern. Da hieß es aufpassen. Völlige Kampf bereitschaft war höchstes Gebot. Noch ehe der Tag anbrach, sandte der Kompagnieführer nach sorgfältig erwogenem Plane Patrouillen aus. Vorsichtig pürsch- ten sich die Leute durch das im Nebel liegende Ge lände. Sie tasteten sich durch die Laufgräben hin durch in die vor wenigen Stunden geräumte Stel lung, um festzustellen, ob sie schon vom Feinde be setzt sei. Gefreiter Schwarz aus Reudnitz im Fürsten tum Reuß unternahm sogar das Wagnis, mit seinen Leuten durch Schlamm und Wasser bis zu dem entfern testen Horchpostenstand des Grabenabschnittes vorzu dringen. Dort hörten sie in geringer Entfernung vor der feindlichen Stellung, wie die Engländer Schanz material heranschleppten und an ihren Drahthinder nissen arbeiteten. Die Räumung des deutschen Gra bens und die Sprengung der Unterstände waren also von ihnen völlig unbemerkt geblieben. Diese Feststel lung war äußerst wertvoll. Wenn es gelang, den Geg ner über die veränderte Lage nur noch wenige Stun den in Unkenntnis zu erhalten, so wär die Rückwärts bewegung beendet und die Unternehmung geglückt. Wohlverdientes Lob wurde den mutigen Erkundern zuteil. Mit Stolz vernahmen die Leute, daß ihnen sogar der Chef des Generalstabes seine Anerkennung ausgesprochen habe. Gefreiter Schwarz wurde für seine schneidige Patrouille mit dem Eisernen Kreuz 2. Kl. ausgezeichnet. tf. King George will sich anglisieren. Eine Sonder sitzung des Geheimen Rats findet heute in London statt, um den Namen des königlichen Hauses zu ändern. Damit ist der Gipfel einer Bewegung erreicht, die bald itach Kriegsbeginn sich in England ziemlich heftig .bemerkbar gemacht hatte: die Anfeindung des deut schen Charakters des englischen Königshauses. Am Hofe der Königin Viktoria (Haus Hannover) wurde im Familienkreis fast nur deutsch gesprochen. Dem gro ßen Engländer Eduarp VIl., mit dem das Haus Sachsen« Koburg und Gotha auf den Thron kam, sagte man noch einen deutlichen „deutschen Akzent" nach. König George aber spielte von Anfang an den echten englischen Seemann (und hiSkh-Freund), aber auch er beherrscht noch das Deutsche vollkommen. Nun hat sich in Eng land eine ziemlich starke republikanische Strömung ge zeigt, die auf die „Fremdstämmigkeit" des Königs hauses hinweist. Um ihr zu begegnen, hat der König zuerst Namensänderungen der königlichen Prinzen und Prinzessinnen angeordnet und nun kommt der Name des Könighauses selbst daran. Der König Georg führt nach Aufzählung aller seiner englischen Würden auch noch die Titel Herzog und Prinz zu Braunschweig- Lüneburg, Herzog zu Sachsen-Koburg und Gotha. Durch die Ablegung dieser Titel wird das letzte dynastische Tischtuch zwischen Deutschland und England zer schnitten. * „Oderint, dum metuant" („Mögen sie mich hassen, wenn sie mich nur fürchten"), sagte der deutsche Michel, nachdem die andern durch fünfhundert Jahre Schind luder mit ihm gespielt hatten. Da schrieen sie, er leide an Cäsarenwahnsinn und müsse in eine Zwangs- lacke gesteckt werden. „Noch ein solcher Sieg und ich bin verloren!" sagte General Pelain, da las er die in der Kammer geführten leidenschaftlichen Anilagen gegen seine selbst mörderische Angrifsskunst. * „Ich kam, ich sah, ich siegte," drahtete Jonnart, , da hatte er das entwaffnete und verhungerte Grie- : chenland unterworfen. Kriegs .. Karlchen Mießnick in der „L. Kztg "