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1 Politische Rundschau ' :: Ter RcichWtH tritt am kommenden Donners ¬ tag wieder zusammen. Es sollen Bestrebungen im Gange sein, neben der Kreditvorlage vorhandene An gelegenheiten zu verabschieden. Das „Berl. Tageblatt" will gehört haben: „Die Regierung halte zwei bk» drei Sitzungen zur Erledigung der Kreditvorlage für ausreichend, während eine starke Strömung unter den Abgeordneten auch die bisherigen Arbeiten des Wer fass ungsausschusses in einer Vollsitzung zu be sprechen dränge. Vor allem möchte man die von der Regierung in Aussicht gestellte Vermehrung der Reichstagssitze möglichst rasch erreichen, die dem großen Städten und ausgedehnten Wirtschaftsbezirken' mehr zu ihrem Recht verhelfen sollen. Man rechne' mit dreißig neuen Mandaten. Zur Erledigung dieser, Vorlage würden allerdings mindestens drei Woche» erforderlich sein. Auch die F r i e d e n s f r a g e soll — nach Ankündigung der Linken —erörtert werden." Es ist kaum anzunehmen, daß von allen diesen Nebenplänen etwas verwirklicht werden wird. Darüber, ob der Reichskanzler zur Lage das Wort nehmen 'wird, ist bis zur Stunde nichts zu erfahren. :: Die Steuern im Reiche nach Vein Kriege sollen nach einer Ankündigung des württembergischen Finanz- mrnisters Dr. v. Pistorius ganz neue Gebiete betreffen. — Infolgedessen hat die Sozialdemokratie diese Frage noch auf die Tagesordnung ihres nächsten Parteitages gesetzt und dessen Termin auf den 19. August hinausgeschobcn. :: Ein ehemaliger Deutscher. Der ehemalige el- sässische Abgeordnete Blumenthal wird von der fran zösischen Regierung zum gewerbsmäßigen Be triebe der Deutsche »Hetze verwendet. Am 1. Juni mußte er die französischen Provinzstädte bereisen, um das Interesse der Franzosen für Elsaß-Lothringen zu beleben. Dann war er dem Pressebureau des Mini steriums des Neußer» zuaeteilt worden, um die Jour-, „Inmitten Verwirrungen und Sorgen." Lloyd George weiß nichts Neues mehr. Der englische Premierminister Lloyd George hat in Glasgow eine neue Rede gehalten. Er sollte dort Ehrenbürger werden und mußte also etwas sagen. Zur Lage natürlich. Und da enthüllte sich seine zwie spältige Seele. Zunächst sprach aus seinen Worten schwärzeste Sorge. Da redete er nämlich von den Tatsachen: „England widerstand bisher jenem Sturm, aber der Orkan ist noch nicht vorüber, und wir werde» unsere ganze Geduld, unsere ganze Ausdauer und unsere» ganzen Mut brauchen, uni das Land durch jenen Sturm hindurchzustcuern, ohne daß das Schiff zerschellt. Sie werden mich fragen: „Welche Fort schritte machen wir'?", und ich werde Ihnen meine Ansicht sage». Ich schwimme inmitten der Verwirrun gen, der Schwierigkeiten und der Sorgen eines der schrecklichsten Kriege, aber dennoch bin ich überzeugt, daß wir die Schwierigkeiten überwinden werden. Die militärische Lage hat sich infolge der aufsehenerregen den Ereignisse in Rußland zweifellos zu unserem Nach teil verändert. Die russische Umwälzung hat, wie wohl tätig sie auch immer ist und wie groß ihre Eraebntsse auch sein mögen, zweifellos den absoluten Sieg ver zögert. Tas .Herz von vielen Leuten hatte sich bisher mit banger Sorge erfüllt, im Hinblick auf die kom mende Friedenskonferenz., welche in Beratungen mit Vertretern der reaktionären Autokratie der Welt die Temokratie der Zukunft begründen sollte. Jetzt aber ist Rußland von den Fesseln befreit. Amerika, das i.nmer das Bollwerk der Freiheit war. beginnt jetzt s?:ue tapferen Söhne nach der Wahlstatt in Europa zu schicken. Deshalb wird unser Sieg vollständiger sein, als wir erhoffen konnten. Der Sieg ist sicher, aber nur unter vrr Bedingung, daß wir des Dauchbootkrie- g S Herr werden." i Nachdem er soweit seinem bedrängten Herzen das Wort gegeben hatte, ließ er auch den Verstand wieder ,u seinem Rechte kommen: damit das englische Volk den Mut nicht ganz verliere, schlug er schnell noch einige Male auf die große Drommel deS Optimismus:. „Die „Regierung gelangte, nachdem sie die Auö- sichismöglichkeiten sorgfältig prüfte und die besten Nat- o ber zu Worte zog, zu der Neberzeugung, daß die U- ^ovte weder uns in England aushungern noch unsere ^'rmee. im Auslände schachmatt setzen können. (Bei- f^l.) Unsere Verluste im Mai und Juni wären schwer, o'or doch uni eitrige 100000 Tonnen geringer, als dis Admiralität erwartet hatte. Wir haben sie jetzt erwischt. (Beifall.) Maßnahmen sind getroffen worden, um ihnen in die Quere zu 'kommen und sie zu ver- nichteu." i Tie U-Boot-Abrechnung über Juli wird zeigen, daß Llovd George hier bewußt log — wie er das ge wohnt ist. Nachdem er sich dann seiner Pflicht, dem eng lischen Volke Mut einzureden, bewußt geworden war, kam er dann auch auf die Frievenssrage. „Nach meiner Ansicht, sagte er, wird dieser Krieg ein Ende nehmen, wenn dje Verbündeten das Ziel erreicht haben, welches sie sich vorgenommen haben, als sie den Handschuh aufnqhmen, den Deutschland der Zivilisation ins Gesicht warf. Wenn der Krieg nur eine Stunde früher endigt, dann wird dies das schlimmste Unheil sein, das die Menschheit jemals betroffen hat. Ich höre, sagte Lloyd George, daß gesagt wird, Deutschland sei bereit, uns einen befriedigen den Frieden anzubieten. Zweifellos können wir in diesem Augenblick zu einem bestimmten Preise Frie den schließen, denn es besteht kein Zweifel, Deutsch land braucht den Frieden. Aber das ist ein Frieden, der Deutschland wirtschaftlich und in anderer Hin sicht eine Kontrolle über die Länder geben würde, in die es eingefallen ist." „Was das Schicksal der deutsche» Kolonien betrifft, so sollen die Wünsche der Einwohner dasselbe entscheiden. Unkultivierte Völker werden ver mutlich sanftere Hände brauchen, als diejenigen der Deutschen, welche sie bisher nur verführten. Bestehe auf deutscher Seite irgendein Wunsch, über diesen Hauptpunkt zu einem Ausgleich zu gelängen?" Das wagt ein Vertreter einer Nation zu sagen, deren Hände seit Jahrhunderten im Blute der Einge borenen fremder Erdteile gewühlt, deren Reichtum in fremden Ländern zusammengeraubt und gestohlen worden ist. c Wann wird die Schinderei aufhören? Zn der irischen Hauptstadt Dublin schrieb der „Evening Telegraph" u. a.: „Lloyd George hat eine eingehende Untersuchung über die Ursachen der Arbeiterbewegung in Aus sicht gestellt, und zwar sollen bereits Anfang Juli Vorschläge gemacht werden, um die Lebensbedingun gen der Arbeiter zu erleichtern. Das mutz als ein Wink aufgefaßt werden, daß schon in absehbarer Zeit der Krieg zu Ende geht. In Irland und hier in Dublin find die Arbeiterverhältnisse besonders traurig, und die Lohnfrage nimmt ein immer bedrohlicheres Aus sehen an. Die Tiere im Freien leben im Luxus, verglichen mit unseren schlecht bezahlten, schlecht ernährten und überanstrengten Arbeitern in ihren nicht mehr Wohnungen zu nennenden Unterschlup fen. Wann wird die Schinderei aufhören?" Das sagt ein Blatt, das keineswegs ein radi kales Jrenblatt ist! Allgemeine Krieasnachrichten. DäS Große Hauptquartier volle Zuversicht In einer nationalliberalen Versammlung in Karlsruhe teilte der Chef der badischen national- liberalen Partei Geh. Hofrat Rebmann mit, daß man in der kürzlich' in Berlin abgehaltenen Sitzung des ge samten geschäftsleitenden Vorstandes der nationallibe ralen Partei des Reiches, nach dem Berichte von maß gebenden Stellen aus dem Großen Hauptquartier, einen überwältigenden Eindruck bekam vou der Ruhe und Sicherheit» die im Großen Hauptquartier über den AuSgang des BölkerringenS herrsche. Neues Portugiesisches Kanonenfutter. Der portugiesische Kriegsmintster Matos erklärte nach seiner Besichtigungsreise an die Front französi schen Ausfragern, daß von 130 000 ausgehobenen Por tugiesen 40000 in Frankreich eingetroffcn seien. Von diesen befindet sich ein großer Teil an der Front. Gegenwärtig werden in Portugal noch 20 000 Mann ausgebildet, die zur Ergänzung der beide» Divisionen an der Westfront dienen sollen. Desertionen in SanitätSzügeu. In der russischen Armee ist man trotz der rück sichtslosen Strafandrolmnaen asae»z,die..Mentz..^8eur- laubung" der Desertionen noa) nicyr verr qewvrvril. Die 2 Millionen Ausreißer kehre» nicht allein nicht zurück, werden auch nicht, wie Reuter schwindelte, von den regierungs- und vielverbandstreuen Bauern aus den Dörfern hinausgeprügelt, im Gegenteil, die Desertionen häufen sich. Aus der Front setzte eine Massenflucht ein, indem sich die Soldaten einfach krank meldeten, die Sanitätszüge stürmten und he im reisten. Seit Mitte April seien in Moskau diese Soldaten in Sanitätszügen eingetroffen. Die Hälfte dieser Ankömmlinge sei vollkommen gesund gewesen. Stenern zahle»? Warum? Die Freiheit des neuen Regimes setzt nach Ansicht der Durchschnittsrusscu auch die Freiheit vom Steuer zahlen voraus. Nack der „Nowoje Wremja", dem Blatte des englischen Zeitüngslords Harmsworth- Northclisfe, die also sicher nicht zu schwarz malt, haben seit dem AuSbruche der Revolution die Steuer eingänge in Rußland ständig abgenommen. In der letzten Zeit hören, namentlich in Sibirien, die Steuer zahlungen überhaupt auf. Wilson als Erpresser. Di^ Amerikaner wollen jetzt die Notlage der Welt in bezug auf Brotgetreide ausnutzen, um Skandina vien zur Absperrung der Eisenlieferungen nach Deutsch land zu. zwingen. Die Engländer melden erfreut aus Washington,, daß das neue amerikanische Lizenzsystem allmählich auf sämtliche Ausfuhrwaren nach dem neu tralen Auslände angewendet werden soll. Wilson be absichtige, die Ausfuhr von Lebensmitteln nach den skandinavischen Ländern zu verbieten, wenn diese nicht yufhören, Eisenerz nach Deutschland auszuführen. Der Londoner „Daily Telegraph" meint, daß das „Interesse" der Neutralen am Handel mit Deutsch land allmählich verschwinden werde. Unter dem Drucke deS Hungers kann ei» solches Interesse freilich schwin den. Die Frage ist nur, ob man sich damit nicht verrech net. Man kann den Bogen auch Überspannen, zumal Amerika vielleicht an sich schon keine Nahrungsmit tel füv Skandinavien übrig haben wird. ' Bon der „Stunde der Entscheidung" ist bei den Gegnern wieder viel die Rede. Offenbar steht wieder eine neue Offensive bevor, an der auch die russische Front und die englische Flotte teilnehme» sollen. Der „Zürcher Tagesanzeiger" meint: Eine be sondere Beachtuna verdiene der öffentlich bekannt- gegebene Hüflickkeitsaustausch zwischen dem König von England und dem Chefkommandanten der englischen Flotte Admiral Beatty, weil daraus ein Anzeichen beginnender großer Tätigkeit der britischen Flotte entnommen werden kann. — Und der fran zösische Generalissimus Petain sagte einem italieni schen Berichterstatter, er glaube, daß die Stunde der Entscheidung für den Weltkrieg jetzt bevorstehe. — Die „Agenzia Stefani" meldet aus London: Es ist Grund zur Annahme vorhanden, daß die Russew. an zwei Stellen der Front die Offensive ergreifen werden. Deutschland und Norwegen. Nach der „Nordd. Allge. Ztg." ist in Norwegen- Hauptstadt Christiani« ein deutscher Kurier verhaftet worden, und es sind in seinem mit deutschen amt lichen Siegeln versehenen Gepäck Sprengmittel beschlag nahmt worden. Dagegen und gegen die Einleitung eines Gerichtsverfahrens hat die deutsche Regierung. Protest eingelegt, und der Kurier ist inzwischen wieder freigelaisen worden. Halbamtlich wird dann dazu getont: „Daß der Vorfall im norwegischen Volke Be- inruhigUng hervorgcrnfen hat, ist mit Bedauern ver- iommcu worden Demgegenüber kann nur nochmals aller^Bestimmtheit festgestellt werden, daß » «prengstofsen keinerlei Unternehmen in! oder gegen norwegische Interessen geplant ^Vor der russischen Offensive? IH-' Gröhes"^ ZO.'Juni 1d1?.'(WTB) M Westlicher Kriegsschauplatz. i's Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht. H Die Kampftätigkeit der Artillerie hielt sich bei regnerischer Witterung in mäßigen Grenzen. Sie ver dichtete sich zu starkem Feuer nur an wenigen Stellen. Nachmittags brach eine englische Kompagnie, begleitet pon tieffliegenden Flugzeugen, südöstlich von Armen- rieres in unsere Gräben; sie wurhs im Gegenstoß sofort wieder geworfen. Nachts sind mehrfach feind liche Erkundungstrupps zurückgewiesen worden. Eigene Vorstöße an der User und nordwestlich von St. Quen tin brachten mehrere Belgier und Franzosen als Ge fangene ein. t Heeresgruppe Deutscher Kronprinz. Gestern früh wurde von bayerischen Truppen nach wirkungsvoller Feuervorbereitung eine gewaltsame Er kundung südöstlich von Corbenh durchgeführt. Die Vtoßtrupps drangen in 1200 Meter Breite bis zu l^en Hinteren französischen Linien durch und sprengten trotz zäher Gegenwehr einige Unterstände. Mit eurer größeren Zahl vo» Gefangenen kehrten sie unbelästigt vom Feinde in ihre Gräben zurück. - Ahends erweiterten westfälische Regimenter den Erfolg vom Vortage östlich von Cerny. In über raschendem Sturm nahmen sie mehrere feindliche Gra benlinien südlich des Gehöftes Ls Novelle. Die Ge- str»genenzahl hat sich bedeutend erhöht. > Gleichzeitig griffen die Franzosen zweimal mit starken Kräften bei Cerny an; sie wurden im Nahlampf tzurückgeschlagen. Auch auf dem Westufer der Mans wurde der Ge winn des 28. 6. vergrößert. Am Osthang der Höhe 304 stürmte ein posenschos Regiment etwa 5V0 Meter der französischen Stellung und bemächtigte» sich aus Brandenburgern und Berlinern bestehend« Sturmabtei lungen feindlicher Gräven in dem von Bethineourt aus Esnes streichenden Grunde. Am 28. und 2S. 6. sind hier 825 Gefangene zurückgeführt worden. Der Feind leistete hartnäckigen Widerstand; seine blutigen Ver luste sind erheblich. Er vergrößerte sie noch durch fruchtlose Gegenangriffe am Südostrande des Waldes von Avoucourt und gegen den Südwesthang der Höhe 304. Heeresgruppe Herzog Albrecht. Nichts Wesentliches. Ocstlicher Kriegsschauplatz. Front d. Generalfeldmarsch. Prinz Leopold v. Bayern. Auf den wachsenden Druck der übrigen Entente- Mächte hin beginnt die russische Gefechtstätigkeit in Ost galizien den Eindruck beabsichtigter Angriffe zu machen. Starkes Zerstörungsfeuer der Russen liegt sei: gestern auf unseren Stellungen von der Bahn Lem berg-Brody bis zu den Höhen südlich von Brzezanv. Bet Koniuchy griffen nachts russische Kräfte an, dir in unserem Vernichtungsfeuer verlustreich zurückflu teten. Auch nördlich und nordwestlich von Luck nahmt die russische Feuertätigkeit erheblich zu. An der < Front des Generaloberst Erzherzog Joseph und bei der Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls v. Mackensen ist die Lage unverändert. Mazedonische Front. Nichts Neues. Der Erste Generalquartiermeister: Ludendorff. Der österreichische Kriegsbericht. Wie», 3l>. Juni. Amtlich wird verlautbart: vestlicher Kriegsschauplatz. Das in Galizien seit einigen Tagen zunehmende feindliche Arttllertefeuer hat sich seit gestern mittag in der Gegend von Brzezanh und von Koniuchy zur größten Heftigkeit gosteigert. Wo es die Lage erfor dert, antwortet unsere Artillerie mit kräktigem Ver nichtungsfeuer. Ein bet Koniuchy angesetzter Jnfan- terieangriff brach in unserem Sperrfeuer zusammen. Italienischer Kriegsschauplatz. Feindliche Flieger warfen in der Nähe von Triest mehrere Bomben ab. Auf dem Mont-Ortigara wurden bisher 12 erbeutete Geschütze eingebracht. Südöstlicher Kriegsschauplatz^ Nichts Neues. Der Chef des Generalstabes.