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Der AayerkapNim. Herausgegeben von Dr. E. Schmid. Von Karl May. '4) (Nachdruck verboten.) „Es freut mich, daß du dein Auge grad so wie ich auf „The ben" geworfen hast. Sie ist die schmuckste S.glerin, die ich jemals gesehen habe, und darum soll sie unser werden. Ihr Kommando führt der Ka pitän zur See William Karton, kein ehrlicher See mann, dem wir auf die Finger klopfen werden. Er weiß, daß Toulon nicht zu halten ist, und daß die ganze Flotte in einigen Tagen den Hafen verlassen wird; natürlich sticht er auch in See, will aber vorher erst einen Streich ausführen, der an und für sich schänd lich ist, uns aber trefflich zustatten kommt. Das Haus unseres Onzle Carditon stößt nömlich an die Bangue orientale, in deren Kellern sich bedeutende Summen vermuten lassen. Das Eigentum der Bank steht natür lich unter öffentlichem Schutz: von außen ist ihm nicht beizukommen. Da hat sich nun dieser ehrliche Ka pitän an Oncle Carditon gewacht, um ihn vorsichtig auszuforschen. Carditon ist scheinbar auf seine Absich ten eingegangen, und so haben sie beide beschlossen, von der Traverne aus mit Brechwerkzeugen in den Keller einzudringen. Das soll in der Nacht geschehen, bevor die Flotte den Hafen verläßt. Bei Oncle Car diton darf man natürlich nichts finden: den ihm ge hörigen Anteil will der Kavitän in Barcelona depo nieren. Was sagst du dazu. Bert Ervillard?" „Ich sage, daß dieser William Harton ein großer Schurke und ein noch größerer Dummkopf ist. Es ge hört eine ungeheure Albernheit dazu, unseren Oncle Carditon für sic schuftig und so dumm zu halten, auf ein solches Geschäft einzugehen." „Das ist richtig. Ich glaube, dieser Kapitän hat einen großen Teil seines Verstandes vertrunken. Die Sache ist jedoch sehr vorteilhaft für uns. Nm die Mauern zu bewältigen, braucht er eine ziemliche An zahl kräffiger Arme: er wird dazu seine eigenen Leute nehmen und also die Brigantine von Männern ent blößen: ist dies geschehen, so werden wir handeln." „Sind wir zahlreich genug?" „Habe keine Sorge! Ich kenne eine Anzahl braver Burschen, die sich zwar zerstreut in der Stadt befin den, aber in einer Viertelstunde zur Stelle sind, wenn ich sie brauche. Jetzt sagt uns Oncle Carditon, daß der Engländer Matrosen brauche. Willst du dich melden, Bert Ervillard? Wenn du mit einigen meiner Jun gens an Deck der Brigantine kommen könntest, so wäre das Unternehmen schon zur Hälfte gelungen." „Ich bin bereit." „So hast du keine Zeit zu verlieren. Als Eng länder darfst du ihm natürlich. nicht kommen. Sage ihm, daß du einige Bekannte in der Nähe hast, die auch gern einige Meilen Wasser zwischen sich und Frank reich bringen möchten. Am besten wäre es, wenn er euch für Landratten hält; er kann dänn weniger leicht Miß trauen schöpfen. Laß dir von Oncle Cärdtton ein an deres Gewand geben, und komm dann wieder herauf!" Während sich dieser in die Schänke begab, rollte der Donner des Bombardements über die Stadt und die Reede hin; er schwieg selbst während der Nacht nicht still, und am anderen Morgen rüsteten sich die Truppen des Konvents zum Sturm. Es war noch dunkel, als Dugommier und Napoleon ihre Kolonnen gegen die Werke von Klein-Gibraltar führten. Das Tirailleur feuer und die Kartätschen der Engländer wüteten in einer Weise unter den Franzosen, daß Dugommier, der sonst so Unerschrockene, sich mit den Worten: „Wir sind verloren!" zurückzog. Napoleon hatte sich aber im fürchterlichsten Kugelregen einen Weg in die feindliche Fcldschanze gebahnt, und bald befand sich Klein-Gibral tar in seinen Händen. Dann stürmte er die beiden Forts Balagnier und Eguilette, und nicht viel später erschienen bei ihm die Bevollmächtigten des Konvents, um ihm ihren Dank auszusprechen. Er hatte heute die erste große Stufe zum Konsulat und zum Kaiser thron erstiegen. Admiral Hood zog sich zurück. Zunächst lichteten die größeren Schiffe die Anker, dann sollten die klei neren folgen. Die Reeden und das Meer waren von Schaluppen und anderen Fahrzeugen bedeckt, die sich mit Truppen und fliehenden Einwohnern an Bord des Geschwaders begaben. Unterdes dauerte die fran zösische Kanonade gegen die übrigen Befestigungswerke Toulons ununterbrochen fort. Die Erde zitterte unter dem Donner der Geschütze. Die See schäumte unter den peitschenden Schlägen von tausend Rudern, und die Luft zischte hinter den zahllosen Geschossen, die sie nach allen Richtungen durchkreuzten. In der Stadt herrschte eine fieberhafte Aufregung. Man war auf den Gassen und Straßen seines Lebens nicht sicher. Wer den Konvent zu fürchten hatte, floh, und wer zurückblieb, der verbarrikadierte sich in seinem Hause aus Furcht vor den Plünderern, die in größeren und kleineren Trupps ihr räuberisches Handwerk trieben. Diejenigen Schiffe, die noch in dem inneren Hafe« lagen, mußten an den Befestigungen vorüber, welche sich jetzt in den Händen der Konventtruppen befanden. Mehrere von ihnen wurden von den Artilleristen Na poleons in den Grund gebohrt; darum blieben die übrigen zurück, um den Schutz der Nacht zu erwarten, wo sie meinten, mit größerer Sicherheit auslaufen z» können. Zu ihnen gehörte auch die Brigantine „Tye ben". Als der Abend hereingebrochen war, stellte sich Kapitän Harton bei Oncle Carditon ein. Es befand sich kein einziger Gast in der Schenke, denn es gab niemand, der Lust gehabt hätte, in dieser Zeit der Not die Seine» zu verlassen, um nach alter Gewohnheit beim Glase zu sitzen. „Wie steht es, alles sicher?" fragte er den Wi»t. „Alles," antwortete dieser. „Und drüben in der Bank?" „Man hat Wächter in die oberen Räume gestellt, nach unten aber können diese nicht. Uebrigcns ist die Kanonade so stark, daß kein Lauscher Eure Arbeit vernehmen kann. Habt Ihr genug Leute mit?* „Ja, öffne deinen Keller, sie werden gleich kom men. Weiter kümmerst du dich nicht um uns!* „Hier ist der Schlüssel. Und ich gebe Euch m»i« -