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gewagt, keinen Pfad, den er nicht gefunden hätte. Aber davon wollte die Base nichts wissen, denn sie fühlte sich ihren Lerwandten gegenüber verant wortlich, diesen letzten Sproß einer kinderreichen Fa milie vor sicherem Tode zu bewahren. Und dann kostete die Ausrüstung auch viel Geld. Viktor seufzte. Ja, — das wußte er. Wenn er nur nicht so arm ge wesen wäre. Aber in fester Zuversicht auf irgend einen GlückSzufall ließ er sich dennoch beim Kom mando als Kriegsfreiwilliger vormerken. Da kam Weihnachten und mit ihm sein altes Recht, sich von der Base, seiner Patin, einen größeren Her zenswunsch erfüllen zu lassen. Wieder Kar's die alte heiße Bitte: „Laß mich zum Vater ins Feld. Im Kaufhaus am Markt ist eine Ausrüstung ausgestellt vom freiwilligen Alpenkorps. Geh' Base, kauf' sie mir, kitt' gar schön." ,Mx da! Ins Feld kommst nicht! Und wenn ich so viel Geld ausgeb', dann wend' ich's an eine Neu anschaffung von Kleidern und Wasch, die du kreuz notwendig brauchst." Traurig hing er den blonden Kopf. Es war einige Tage vor dem Feste. Im Schul hause sammelte sich die neuausgehobene Mannschaft, sich den Belagerungstruppen anzuschließen, und Viktor verbrachte seine freie Zeit teils vor dem Schulhause, teils vor dem Kaufhausschaufenster, hinter dem ihn sein Traum grüßte. Da wurde die Base durch eine Trauernachricht in eine andere Stadt gerufen und improvisierte eine eilige Bescherung, zündete ein schnell beschafftes Bäumchen au und drückte ihrem Patenkinde darunter hastig ein Riesenpaket in den Arm. Solange er auspackte, ordnete sie im Nebenzimmer ihre Sachen zur Abreise und sah verwundert umher, als sie nach ihrem Wiedereintritt keine Spur von Viktor und ihren Gaben erblickte. Wer aber beschreibt ihr Erstaunen, als nach einer kleinen halben Stunde ein Freiwilliger des Alpenkorps mit strahlendem Gesicht der alten Base die ersten mi litärischen Ehrenbezeugungen erwies!? „Bub, verwegener! Wer hat dir die Montur kauft!?" „Du, Base, du! Und ich dank dir recht schön. In deinem Paket mit den schönen Kleider- und Wasch stücken ist ein Zettel gelegen: „Umtausch gestattet." Da bin ich halt gleich g'laufen und hab' austauscht." Heut ist Weihnacht. Tiefverschneit liegt der Dogesenwald. Auf der schmalen Bergstraße marschiert eine Landsturmkompanie aufwärts. Ihre Bergstöcke klappern im Schritt, unter den genagelten Trittlingen knarrt der Schnee.. Die Pfeife im Munde, stapfen die Braven stumm und acht sam, droben die Kameraden abzulösen, die als Deckung für die Artillerie ausharren müssen. Den Schluß des Zuges bilden die schweren Geschütze. „He, — ruck! He, — ruck!" So geht's aufmunternd im Takt oft durch knietiefen Schnee, und sechzig wackere Kutzer ziehen und Schieben die schwere Haubitze em por. Oben, wo die Posten stehen, wird die Parole ausgetauscht. „Nichts Neues, Graser?" fragt der schnaufende Führer der Kolonne den mehrfach dekorierten baum starken Landwehrmann, der aus dem bombensicheren Unterstand hervortritt. „Freilick! was Neues! Und was Gutes auch noch! Dem französischen Schießposten, der uns acht Tag' lang .'on da drüben in Atem gehalten hat, Ham, sche.nt's, die Unsern das Lichtl ausblasen. . . Jetzt is an Zeitlang Ruh' . . . Aber wissen möcht' ich, wer sich oa hinauftraut hat." „Ich. Vater, ich!" ruft da eine Helle Stimme aus dem Zuge und dem schlachterprobten Soldaten rol len Tränen der Rührung in den grauen Bart, als er in dem üngsten Feldgrauen seinen Buben erkennt. Stürmisch drückt er ihn an seine Brust und läßt sich in berechtigtem Stolz erzählen, wie des Helden- Katers Sohn zum Helden wurde. Wie sein Bub die lange, steile, gefährdete Strecke zum Hang hinaufgeschlichen ist, vom feindlichen Pa trouillenfeuer flankiert, — wie er die Schießerei ge duldig abgewartet hat, vorgekrochen ist, den hocher richteten Holzstoßsitz erreichte und den mitgebrachten Brander in das Sitzloch schob. . . Wie er anzündete und noch Posten stand, als die Flamme aus den dürren Reisigbündeln lichterloh in die Höhe züngelte, der deutschen Vogesenwacht drüben feurige Zeichen ge bend... war das ein Weihnachtsabend für Vater und Sohn! I», dem in Erde und Fels gebetteten Unterstand, der mit Fichtenreis geziert war, bestrahlte ein bren nender Christbaum ein andächtiges Häuflein deutscher Soldaten, deren Haupt — der alte Graser — eine schlichre, ergreifende Ansprache hielt, in der aller ge fallenen Kameraden gedacht und des deutschen Volkes Kraft und Friedensliebe gepriesen wurde, an denen die Welt genesen sollte. Und zum tapferen Durch halten munterte der Graser auf, welches nur die treue Kameradschaft drinnen und draußen fördern könne. Und nun ein Choral, und dann die Königshhmne. Danach trat das weltliche Programm in seine Rechte. Lustige Lieder auf der Zupfgeige und Mund harmonika, Gaben aus der Heimat, ein warmer Punsch trunk aus dem Riesenkessel brachten Fernes nah, mach ten Vergangenes lebendig und ließen einmal für kurz« Zeit alle Kriegsgreuel wohlig vergessen. „. . . und ich hab' dir gar nix von daheim mit- bracht, Vater," schalt sich der Junge traurig. „Bist denn du nix? Hätt'st mir keine größere Freud' machen können, als weil du dich selber bracht hast. Und wenn für mich ein Marschbefehl nach oben käm', Bub, für dich tät ich droben Quartier bestellen neben de? Mutter und mir. . ." Die Weihnachtsglocken läuteten über die Welt. O, daß sie Frieden verkündigten auf Erden und den Men schen, die ausgeharrt, ein Wohlgefallen. Lesefrüchke. Was man tief in einem reinem Herzen Empfangen hat, erzogen und genährt, Dem folge man durch Tränen und durch Schmerzen, Durch Sturm und Nacht, durch Woge, Flamm' unv Schwert. * 7-. Was hält uns frisch und jung? Arbeit und Erinnerung. Arbeit macht des Lebens Lauf Noch einmal so munter, Froher geht die Sonne aus, u Froher geht sie unter. ' Eingestandene Uebertreibung ist ost lehrreicher als kalke, überdachte Unfehlbarkeit. * Ich glaub, daß es kein Bündnis gibt, Bei dem so schnell die Freude endigt, Als wenn man sich ohne Verstand verliebt, Oder sich ohne Liebe verständigt. * Meinet ihr, draußen set'S besser auf Erden? Ueberall ist es auf Erden jetzt schlimm, Nicht an dem Land, daßst es besser soll werden, Liegt es, — am Menschen! es liegt nur an ihm! ft Rückert, - Alle andern Tinge müssen; der Mensch ist bas Weseih welches will. Schiller. * Die Natur hat die ernste Weihe empfangen; Da gilt nicht mehr das eitle Prangen. Gedieg'ner Wert und stiller Schein Tritt mit bescheidner Klarheit herein. Körner. * Wärst du so klug, die kleinen Plagen Des Lebens willig auszustehn, ; So würdest du dich nicht so oft genötigt sehn Tie großen Uebel zu ertragen. Gellert.