Volltext Seite (XML)
Die schwere Frage. Ein Geschichkhen von Louipe Matz. (Nachdruck verboten.) Mtn war ja Weihnachten vorbei mit all feinem Durcheinander und all seiner Glückseligkeit. Aufatmen hätte man können und sich so recht der Wirtschaft, der Kindererziehung und dem Behagen hingeben. Ja, man hätte können und konnte doch wieder nicht. Statt aufzuatmen, seufzte Frau Anne; der Gast, den sie geladen hatte, gleich nach dem Fest, beunruhigte sie. Als Gast durchaus nicht, an Gäste war dies stattliche tzurshaus gewöhnt, aber die Frage, die mit diesem Gast in ihr Leben getreten war, die lag schwer auf Frau Annes Herzen. Dies Herz war weich und warm, irgend etwas mutzte es immer für andere schäftern, deshalb sollte auch übermorgen schon wieder große Bubengesellschaft für 6 Meilen Nachbarschaft sein, und Frau Anne saß eifrig an einem vollbeladenen Tisch und bereitete Loose und Gewinne für die Lotterie vor. Daß Maja da bei teilnahmslos an der Verandatür stand und in den Schnee hinausschaute, das war wieder mal ^,e<A". Ach, Frau Anne hatte eine ganze Menge an Maja auszusetzen, obgleich sie ihr Gast und ihre beste Freun din war. Warum ihr Bruder durchaus diese Maja zum Weibe begehrte? — das sagte sich die junge Frau gerade so lange vor, als die Freundin teilnahmslos am Fenster stand. Dabei war's nicht einmal Wahrheit, sondern re gelrechter Aerger und Trotz. Wenn Maja sich nichts aus ihrem herrlichen Eberhard machte, dann sollte er doch auch keine Neigung an die stolze Schöne ver- Mwenden! Er aber hatte ihr den heiklen Auftrag »»geteilt, Majas Herz auszuforschen. Maja ausforschen! Zehn — zwanzigmal seit ge stern hatte sie von ihm zu reden begonnen, und je desmal war sie einer gelassenen Ablehung begegnet. Ach — so gelassen war nur die Gleichgültigkeit — und, ihrem Aerger zum Trotz, schlüpfte ihr än „ar mer Eberhard!" über die Lippen. Scheu sah sie zu Maja hinüber. Hatte sie das gehört? Anzumerken war ihr nichts, obgleich Frau Anne das Profil deutlich beobachten konnte. Der arme Eberhard mußte ihr doch Wohl gleich- tzilltig sein. — Vor zehn Jahren war es anders ge wesen. Damals liebte ihn Maja mit dem ganzen Ueber- Dchwang eines erwachenden Mädchenherzens. Aber da mals begehrte Eberhardt die andere, die dritte in dem Freundschaftsbund seiner Schwester, und Majas Liebe erlosch. Sie erlosch! Frau Anne mochte sinnen und grübeln, wie sie wollte, kein einziges Lebenzeichen hatte Majas Liebe gegeben, seit er mit seiner Braut vor sie hinge treten war: der Stolz hatte die Liebe getötet. Und als der verwitwete Eberhard -sie jüngst unter dem Weihnachtsbaum bat: Forsche Maja aus, ob sie mein Weib werden will, da wurde ihr erst so recht mit Schrecken bewußt, daß weder in der Brautzeit, noch als sie beide Paten seines Töchterchens geworden waren, noch als die junge Frau starb, Majas Liebe je ein lei dstes Lebenszeichen gegeben hatte. Sie blieb immer gleichmäßig, immer gütig; nicht ßehc warm, aber immer korrekt — nein, das bringt heimliche Liebe njcht fertig — die tut bald zu viel »nd bald zu wenig, die wirft sich hin unh quält dann wieder in Angst und Unruhe, Pein und Stolz. Eber hard war ein Tor. Heute hatte er ihr gar einen rechten Narrenbrief geschrieben: Du fassest mein Schick sal mit plumpen Händen an, und ich martere mich in Ungewißheit. Ich will selber sehen und reden, und mir mein Glück schmieden! — Jawohl — das war wieder mal diese unverwüstliche Männereitelkeit, die sich einbildete, ein Frauenherz müsse ewig an seiner- allerersten Torheit festhalten, — ob es inzwischen auch verschmäht und mißhandelt worden sei. - Und wäh rend Frau Annes Gedanken also auf die beiden schal ten, tat ihr das Herz um sie Weh in Sorge und Hoff nung. „Sie paßten ja ganz wundervoll zusammen!" Maja fühlte endlich den forschenden Blick, und trat ins Zimmer zurück. Um sie nicht entwischen zu lassen, sagte Frau Anne: „Willst du mir Helsen?" Maja griff mit verlegenem Lächeln nach Schere und Papier. „Du weißt, dazu eigne ich mich gar nicht. Kinder und Kinderspiel. —" „Ja, ich Weitz!" Frau Anne ärgerte sich schon wieder — wenn man drei Prachtjungen hat, und die Freundin achtet nicht mehr auf sie, als auf die Hüh ner im Hof, muß sich eine gute Mutter ärgern. ,Hch weiß, du machst dir nichts aus Kindern." „Ich verstehe sie nicht glücklich zu machen." „Das ist Ausrede, das sagt mein Bruder gerade auch von sich, und seine kleine Lori steht mitten drin in Unglück und Ungeschick! Das arme Ting! ivenn wir sie nicht hier gehabt hätten, was für ein Weihnachten wäre das gewesen!" „Ganz verschüchtert und hilflos kam sie hier an, hier ist sie endlich mal wietmr aufgewacht zu ihrer natürlichen Lieblichkeit. Verzeih', Kinder kümmern dich nicht, aber mir fritzt's am Herzen, so was liebes Wär- mebedürstigeS frreren zu sehen. Ich wollte sie behalten, Eberhard gibt sie nicht her, und dabei versteht er sie nicht! — Gerade wie du! Ab« pflichttreue Menschen zwingen sich und erzwingen mit Hilfe des guten Wil lens auch Vermögen und Verständnis. Ueberhaupt", fügte sie mit seltsamer Logik hinzu, „mein armer Bruder! Wann endlich wird er wieder einmal Frieden und Behagen am eigenen Herd finden?" „Es gibt Menschen," antwortete Maja gelassen, „denen es bestimmt ist, allein mit dem Leben fer tig zu werden." Immer gelaffen! Frau Anne schwieg, Heitz und rot. Da aber warf Maja lachend Papier und Schere auf den Tisch. „O Weh, Annchen! Dein schönes Pavier! Verzeih, dazu bin ich eben wirklich nicht zu gebrauchen." War das nun ein Zeichen? Frau Annes Herz klopfte heftig — das Papier war arg Verschnitten, kreuz und quer; hatten daran die Gedanken an Lori und den alten Liebsten Schuld — bei jeder anderu hätte sich die junge Frau dies Zeichen zu Gunsten des Bruders gedeutet, aber von Maja hatte sie nur schon allzuoft erfahren, daß sie nicht zu tändeln ver stand, bei Maja würde es nur wieder die gewöhn liche Teilnahmslosigkeit sein. O über die schwere Frage! Da stürmten ihre drei Knaben herein in wild« Lust. Rasch warf sie ein Tuch über den bunten Tisch und winkte ab. Das blonde Kleeblatt benahm sich ja auch, sobald es der „stolzen Tante" ansichtig wurde, merklich gesitteter, und Frau Anna schickte sie nach ein paar Küssen fort, „damit Maja in gute Stimmung komme" — wartete sie doch auf das Nollen von Eber hards Wagen. Als sie die Gewinnpäckchen wieder zur Hand nahm, begann sie zu plaudern. Leichte, liebe Tinge — Kin dererinnerungen, deren jede mit Eberhard begann und mit Eberhard endete, Schwärmereien der sechzehn Jahre von dem herrlichsten, der damals sogar ihr noch der Bruder gewesen war. Maja stimmte mit ein, lächelnd und gelassen, sie nahm sogar Frau Anne die alten Faden aus der Hand und spann weiter daran. Machte es ihr Freude, davon zu reden? War das ein Zeichen? Ach, wenn die Stimme nur ein einzi ges Mal gezittert hätte? Frau Anne hielt sich mit aller Gewalt fest im Zimmer, als draußen das erwar tete Rädergerassel erscholl, als das Jubelgcschrei der Knaben ihr sagte: sie sind da. Sie hielr voll fieber hafter Spannung auf ihrem Platze aus. — Wie würde sie ihn empfangen? Da trat er ein — Lori flog ihm voraus, flog in der Tante offene Arme, ließ sich abtüssen und drehte dabei doch das Köpfchen seitwärts: „Pate Maja, ich j hab' dich lieb, du bist meine schöne Pate." ! Rührte sie nicht wenigstens das? Nein — Fisch"; blütige du! j Maja strich der kleinen Elfe gelassen über die Stirn, sagte: „Ja, du bist mein Patchen!" und