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Abendstunde LS) (Nachdruck verboten.) in In WMep^-Sttilma (Amtsblatt) Mit zitternden Händen erbrach der DirMor die Kor respondenz. „Sehr geehrter Herr Direktor!* Stakosch lachte zynisch. „Nachdem ich aus der Urteilsbegründung des Vor prozesses Sie des öfteren auf die unhaltbaren zwei Punkte bezüglich Ihres Eides hingewiesen habe, muß ich noch mals darauf Hinweisen, daß Sie seinerzeit beschworen ha ben, keinerlei Hand an den Grund und Boden des Lepach- schen Besitztums vor der. Auflassung gelegt zu haben. - Durch das Oberlandesgerichtsverfahren wurden Zeugnisse erbracht: 1. des seinerzeit unvereidigt gebliebenen, jetzt vereidig ten Tischlermeisters Lorenz Katterwe, 2. des seinerzeit unvereidigt gebliebenen, jetzt vereidig ten Ingenieurs Brehmer, dahin, daß der Beginn des Stollenbaues bereits zwei Monate vor der Auflassung schon soweit gediehen war, daß man genau unterhalb der Senkrechten, von der alten Wohnsielle auf dem Friesensteinhofe gezogen gedacht, Material- bezw. Erzproben vornehmen konnte. Nach dieser Sachlage kann ich Ihnen leider kerne Hoffnungen für ein glückliches Ende des Prozesses ma chen und lege mein Mandat nieder. Für den Fall, daß Sie trotzdem dieser Klarlegung einen Urteilsbeschluß vorziehen, habe ich Herrn Rechts anwalt Dr. Königgrätzer veranlaßt, Ihnen seine Auf wartung zu machen. Er dürfte eventuell bereit sein, den Prozeß nach einer kurzen Vertagung weiterzuführen.* Direktor Stakosch seidenes Taschentuch wurde eifri ger denn je über die tiefgefurchte Stirne gewischt. Und die Hände, die das taten, schienen stark zu zittern. Doch man hätte kein Stakosch fein müssen, wenn man nicht allen Situationen gewachsen wäre. „Stasch. Die Bataille ist noch nicht verloren. Sind Sie orientiert, verehrter Herr Doktor?* Er wies auf den Brief vor ihm. „Hinreichend, wenigstens, soweit der Mandatswechsel Betracht steht.* „Ueber die Meineide nicht?* „Meineide?* erscholl es ihm von des Rechtsanwalts und des Kalkulators Seite entgegen. „Nun ja, meine Herren, was denn sonst? Sie stau nen. Stasch! Ich habe es Ihnen schon vor vier oder fünf Jahren gesagt; der Brehmer und der Katterwe. Wissen Sie noch, wie ich Ihnen andeutete, bezüglich Brehmers, daß er gefährlich werden könne?* „Hm, ich entsinne mich dunkel.* „Dunkel? Herr Stasch, wenn ich an Ihr Gedächtnis appellier«, so haben Sie sich stets vollständig zu be sinnen!* Stasch war verletzt. Das hatte er noch nie erlebt. Gegenwart eines Rechtsanwalts. „Also, Bester . . . wir wollen weitermachen.* Dr. Königgrätzer sah den Direktor an. .Weitermachen? Ich glaubte, Herr Direktor t mich beauftragen, einen Vergleich zu beantragen, bleibt Justiz, Herr. Ein Vergleich ist immer das Rosel nickte zustimmend. Es kam ihr nicht gleich in den Sinn, daß sie diesen Mann kannte. Aber immerhin! Vielleicht war Fränzel doch noch dazu da, zu retten, was es noch zu retten gab. Denn auch sie hoffte im tiefsten Grunde ihres Herzens doch noch immer auf eine bessere Veit, wie alle Menschen, die viel Kummervolles in ihrem Beben erleiden müssen. Und die Wanduhr in dem traulichen Zimmer tickte. Langsam rückte das Zeigerpaar vorwärts. Die Stunde des Glückes, wann würde sie Wohl schlagen? Und »s kam die Nacht. 8. Kapitel. Direktor Stakosch wartete in seinem Schmiedeberger Arbeitszimmer auf der „Zarenzeche" auf den Geheimen Justizrat, der ihn vor dem Breslauer Oberlandesgericht «r Sachen Lepach Erben contra Stakosch und Zarenzeche vertrat. Erregt schritt er von Türe zu Türe, von Fenster zu Neuster. Immer die Uhr in der Hand. „Er kommt nicht. Er kommt nicht. Das ist alt, daß Wan immer von den Leuten gefoppt wird, wenn es am jbllerdringendsten ist. Morgen ist der Termin. Und es Ist noch so viel zu Papier zu bringen. Herr Stasch!" Die hagere Gestalt des Kalkulators trat aus einer Gensterutsche hervor. „Herr Direktor!" „Stasch, wenn einer nicht Wort hält, so ist es ein Dump, nicht wahr?" . „Man sagt so.* „I was, man sagt so? Ich sag' so, bester Stasch. Vieser Geheime Justizrat ist ein . . .* Er sprach nicht zu Ende. ä7 Portier Migula öffnete die Türe. „Der Herr Geheimrat!* Eine kleine, korpulente Gestalt erschien im Türrah- Wen. Migulas Hände schlossen die Flügeltüren. Der An kömmling verneigte sich jovial. „Auf den Eilbrief des Herrn Geheimen Justizrats Vel sen hin," begann er mit schnarrender Stimme, „werden die Herren mich Wohl bereits erwarten. Nachdem jener das Mandal abgelehnt hatte, erlaubte er sich, mich . . .* - Direktor Stakosch war aufgesprungen. „Davon ist mir nichts bekannt, bester Herr —* „Rechtsanwalt Dr. Königgrätzer,* ergänzte der Ange- redste. „Schön, gut; was wünschen Sie, was möchten Sie? Bitte, fassen Sie sich präzis. Es hängt mir so viel an, Me werden verstehen.* „Gewiß. Nach der Niederlegung des Mandats durch den Herrn Geheimrat möchte ich die Sache vor dem Ober landesgericht übernehmen. Man würde also den Termin vertagen lassen müssen, damit ich in der Lage bin, die Akten einzuschen. Voraus gesetzt natürlich, daß Sie in meine junge Praxis Vertrauen i. haben . . . Es klopfte. Der Portier brachte den Eilbrief. Die Waisen vom Friesenstemhos Roman aus den schlesischen Bergen von Gerhard Büttner.