Volltext Seite (XML)
eben darum: der Vater sollte sich sür diese Zeit mit dem kargen Leben begnügen, 's kommt wieder besser. Wenn der Lorenz man mal erst einen Fliegerpreis bekommen hat." Quint mußte lachen. „Das sind ja hohe Pläne, Fräulein Rofel!" „Sagen Sie das nicht- Hohe Pläne, sagt der junge Herr Stakosch, seien für Flieger erst die, wenn man daran denke, die Alpen zu überfliegen oder sonst dergleichen; was weiß ich." Quint setzte sich in leichten Trab. „Wo speisen Sie mit ihrem Bräutigam und Ihrem Vater?" Na, natürlich im „Mückle". Da gibt es die beste Klößle und das schönste Sauerkraut mit die großmächtig- stenFleischstücke. Und mein Lorenz kann nicht leben, wenn er nicht genug Fleisch bekommt. Er sagt immer, das kommt von der Ausarbeitung in seinem Beruf, nämlich, wenn man so viel hobeln und Stämme behacken muß, wie er jetzt beim Bau des Franz Josefs-Stollens." „Na, adieu, Fräulein Rosel. Grüßen Sie schön den Vater, und sagen Sie ihm, daß er auf mich warten solle, wenn Sie abgespeist haben. Ich will versuchen, daß ich ihn im Glöckle treffe, damit ich ihn zum Herrn Direktor Stakosch bestellen kann." Ein leichter Sporendruck. Voran sprang der Schim mel. — Rosel sah dem, auch ihr wenig geübt vorkommen den Reiter mit merkwürdigen Augen nach. Ob sie über- kgt«, daß sie Wohl demselben manches verraten hatte, das sie eigentlich nicht erzählen sollte? Aber sie machte sich keine Gewissensbisse. Es hatte ihr bisher noch niemand ein diesbezügliches Verbot erteilt. Rüstig schritt sie talwärts aus. Der Fremde war bald nicht mehr zu sehen. Hinter der Wegbiegung zur breiten Kupferberger Straße ver schwanden Reiter und Roß. Um di« Tochter des Friesensteinhofs war es nun wieder still auf dem Wege, wie bis zur Begegnung mit dem Manne, der so freundlich zu ihr gewesen war, wie selten bisher jemand, der sichtlich anderen Kreisen an- gehörte. Als auch sie an die Wegbiegung gelangte, stand die Sonne am Zenith. Die weiten schneeigen Gefilde sahen im Glanze der mittäglichen Sonnenstrahlen aus, wie be taute Firnenkämme, wie sie vom Friesensteinhof schon mitunter drüben südlich auf der Schneekoppe sichtbar wa ren. Hin und wieder schimmerte aus irgend einem Winkel der Landschaft ein Häusergiebel hervor, von dem die Son nenglut das Weiß entfernt hatte. Wie heimelich das sich ausnahm. Und wie schön das aussehen mutzte, wenn es wirklich wahr werden würde, was Lorenz und Joachim erst neulich einmal in ihrer Gegenwart geträumt hatten, wenn sie wirklich miteinander über diesen Tälern in leich tem Fluge dahinschweben würden. " Teils gruselte Rosel vor dem Gedanken, teils fand ste ihn fesselnd schön. Sie schien den beiden den Erfolg «ud sich den Stolz über Lorenz zu gönnen, aber das To desahnen, die Furcht vor Unglück und elementaren Ge walten hatte ihr Herz noch scheinbar nicht ganz überwun den. Da hörte ste vor sich singen: „Wie ein Vöglein möcht ich fliegen Ueber tausend Hügel hin . . ." Das war Lorenz' Stimme. Da, nun kam er auch den Hang der Strahe herauf. Wie ihr Bursche nur sang? Wie frei der Klang sei ner tiefen Stimme war und so herrlich über die Schnee felder zur Seite der Landstraße dahinhaflte, über die fer nen Täler zog und emporklomm zu den Bergen der Frie- fenstein«, die leise das Lied wiverhallen ließen. „Lorenz!" Sie lief ihm jubelnd entgegen. Und inmitten Winterspracht und Firnenschne«, Tales- renchten und Bergecho reichten sich die beiden hoffenden, jungen Menschenfinder die Hände. Mit lachendem Herzen und frohem Augenlenchten schritten ste gemeinsam weiter talabwärts gen Schmiede berg. — Hin und wieder zog eine Schar Feldkrähen über ihren Häuptern dahin. Kräh, kroh, kräh — kroh. Die beiden achteten aber nichr weiter der Natur; sie hatten mit sich allein genug Zwiesprache zu halten. 5. Kapitel. Direktor Stakosch kam an der Portierloge der .Z» renzeche" vorbei. „Portier!" Stille. > „Portier!" Ein Klirren wie vom Absetzen einer Flasche, sonst Stille. „„Na, was ist denn hier los? Haben Ste schon wieder die Flasche beim Hals und können nicht einmal hören, wenn ich Sie rufe?" Portier Migula erschien wie entgeistert auf der Bild fläche und drehte in seinen Händen seine Mütze immer fort herum, wie er es immer gewohnt wär, wenn er mA jemand Höherem sprach. Gleichzeitig würgte er den letz ten Schluck Bier hinunter, den er sich zu feinem Frühstück gegönnt hatte. „Ich hab« doch den Alkohol für die „Zarcnzcche" ver boten?" „Es is man bloß, daß die Stullen besser hcrunterrut- schen, Herr Direktor!" Der zog die Stirne kraus: Widerspruck konnte er in keiner Form leiden. Uebrigens hatte er herausgcfundeu„ daß der Portier seit geraumer Zeit in nachlässigem Tone zu ihm sprach. Er liebte militärische Antworten und stram me Haltung. Die mehr familiäre Redeweise war ibm Zu wider. „Migula," sagte er, „für die Folge ist eine präzisere Antwort ganz angebracht. Sie werden scheinbar etwas phlegmatisch, was?" „Nee, nee, Herr Direktor." „Das ist es ja eben. Bitte antworten Sie mir nickt immer so, als wenn Sie mein Bruder wären." Damit stieg er die Treppe zu den Bureauräumen em por. Der verdutzte Portier strich sich seinen herunterhän- genden Schnurrbart, biß kräftig wieder in seine Fräh- stücksschnitte hinein und holte die versteckte Flaser,e eben falls wieder hervor. „So, du verhaßte Harmlose, jetzt sollst du bald aus gedient haben." Und Wuppdich! Mit einem Zuge war ste leer und wurde beiseite gestellt. Dann kamen ein paar Intime des Portiers in die kleine Pförtnerklause, nm auch nach alter Gewohnheit das Frühstück hier mit einigen Zutaten zu verzehren Es war gerade ein Donnerstag im Dezember. Und an diesen kalten Tagen braute der Portier verbotener Weise „warmen Korn" und verabfolg te „heiße Würstchen". Das letztere war erlaubt. Auf der „Zarenzecbe" stellte nämlich der Portier Migula so eine Art Kantinenwirt gleichzeitig vor, der verscbieden< Spei sen und Naturalien feilhielt. Aehnlich wie den Portier hatte der Direktor beute die Beamten der Bureaus angefunden, als er zum Dienst kam. Es war nämlich eine ungewöhnliche Zeit, in der er erschien. Für gemeinhin war Direktor Stakoscb nach Kenntnis der Angestellten bereits um präzise achteinhalb Uhr auf der Grube, um die gleiche Zeit im Privatbureau und eine halbe Stunde später auf dem Rm gang« durch die Werk stätten und manchmal auch d> ie Stollen begriffen. Jetzt kam der Direktor ü Kalkulationsräume. Die Donnerstagswürstchcu ;rden rascheft unter den Pulten versteckt, die Bissen hasug hinuntergewürgt. Es war neun Ubr, und die Frühstückspause erst für zehn bis zehn ein Viertel Uhr festgesc^it. Aber — die Ertraspeise wäre den angestrengten Beamten sonst kalt geworden. „Herr Stasch!" t; „Herr Direktor?" Mit raschen Schritten war der Ebef der Kalkulatoren neben seinem Gebieter. „Können Sie mich krS technische Bureau begleiten? Wir müssen unbedingt den „Franz-Jasef-Stollen" kom menden Montag einweiben können. An diesem Nachmit tag soll auch die neue Grubenkapelle zum erstcnmale ge öffnet werden und in ihr ein Festgottcsdienst stottfiuden " (Fo - nua wirkt