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Abendstunde Wei8tkiks-Zeit«ng (Amtsblatt) ' Die Waisen vom Friesenfieinhof. Roman aus den schlesischen Bergen von Gerhard Büttner. 10) (Nachdruck verboten.) „Es ist mir gar nicht lieb, Herr, wenn der Vater auf di« Grube will." „So? Warum denn nicht Fräulein." „Es ist so gefahrvoll da unten auf der Zeche. Wenn ich bloß an vergangenen Spätsommer denke, als das große Wetterschlagunglück war, und so viele dahinrafste, die ich auch kannte. Den Vater träfe es bei so etwas Wohl im mer zuerst. Er ist nicht recht „aufrecht" mehr. Seit die Mutter starb, läuft er so gebückt herum, und seit wir das Unglück mit dem Hof haben, ist er so merkwürdig still und menschenscheu geworden. Mich wundert's überhaupt, daß er sich überall jetzt um Arbeit bewirbt, wo er doch schon überall abgewiesen wurde. Aber, es ist ja wahr. Ein Mann und drei Kinder, die gute Esser sind! Da tut es weh, wenn man manchmal hungrig zu Bett muß und auch am nächsten Morgen mit leerem Magen durch die Räume und den Hof schreitet, der einem einst das volle Leben, wenn auch, nicht im Ueberfluß, so doch ausreichend bot." „Ja, liebes kleines Fräulein, wie ist denn nur das alles so über Sie gekommen?" „Wie, Herr? — Ich weiß es selbst nicht recht. Aber, ach Gott, der schlechte Mensch, der Demmig, der ist nicht zu überzeugen gewesen, nein, wirklich nicht. Er hat eben die Hypothek kündigen lassen und dann sich als Hypothekar aufgespiett. Wissen Sie, kennen Sie den Demmig?" „Demmig, Demmig? Nein, Fräulein, den kenne ich nicht." „Der Sohn ist auch auf der Grube, Herr, der Vater handelt mtt Papieren und Geld und scheint so etwas zu sein wie ein Sttick Agent. Man sagt, er mache auch mit Herrn Direktor Stakosch allerhand Geschäfte, von denen die liebe, gute Sonne nichts wissen darf. Aber ich habe nichts Bestimmtes gesagt Herr. Die Leute reden nur so." „Fräulein Lepach?" Sagen Sie ruhig Fräulein Rosel zu mir. Wie ein fachen Bauersleut find es schon gewohnt, beim Vornamen genannt zu werden. Aber es ist schon so, wie ich sage: der Demmig und der Gruberwirektor haben auch ein ganz be sonderes Interesse an unserm Grund und Boden. Der . junge Herr Stakosch hat es ja selbst gesagt, daß man auf dem Friesensteingelände Kupfer gefunden habe und suchen möchte Da sind wir natürlich im Wege, denn . ." „Was sagen Sie da?" „Nichts, was nicht zutrifft, Herr. Und wenn Sie vom Herrn Direktor geschickt worden find, dann werden Sie ja wohl auch darum Bescheid wissen. Aber nicht wahr, Sie nehmen mir meine Offenheit nicht übel?" „Nicht im geringsten. Es wäre mir sogar lieb, wenn Sie mir mehr davon erzählen würden. Bloß der Wind pfeift hier oben recht unsanft um Ihre klaffen Backen. Machen Sie Ihren Kopfschal fester herum, Fräulein Rosel. Ich möchte nicht, daß Sie sich hier einer folgenschweren Zugluft aussetzen. „Nee, nee, Herr, das kann ich nicht machen. Ich gehe ja meinem Bräutigam entgegen, der setzt alle Tage mit mir im Glöckle in Schmiedeberg das Mittagessen gemein sam hält. Vater kommt dann dorthin und holt mich ab. Dann kaufen wir noch einiges in der Stadt und wandern heim. Wenn die Christel und der Fränzel aus der Wüsten- röhrsdorfer Schule nach Hause kommen, dann wollen sie auch ihren Hunger stillen. Und es mutz bald zwölf sein. Ich kann mich wirklich nicht mehr versäumen." „Das tut mir aber leid. Darf ich denn fragen, wer Ihr Herr Bräuigam ist?" „Herr Bräutigam. Hat sich was mit „Herrn". Es ist der Lorenz Katterwe, jetzt der Vorarbeiter in der Tisch lerei der „Zarenzeche". Kennen Sie ihn nicht? Es ist derselbe, der so viele bei dem letzten Wetterschlag aus dem Gottesaueschacht gerettet hat." „So der? Ich habe schon von ihm gehört." „Auch schon? Das freut mich aber. Der junge Herr Stakosch ist meinem Lorenz besonders gut. Der sagt im mer, daß er ihn bestimmt zum Meister mache, wenn er einmal irgendwo Grubendirektor wird. Wissen Sie, der Joachim kommt öfter zu uns da oben auf den Hof. Mein Lorenz und er sind schier un^rtrennliche Freunde." „Na nu?" „Ja, wissen Sie, die wollen beide mal nächstens zu sammen durch die Luft fliegen. Schon seit dem Herbst bauen sie beide so ein mächtiges Ding da. Sie nenne« es immer den Zweisitzer". Der junge Herr Swkosch sagt, daß der Flug damit sicher zweimal so lange andauern können wird, als mit den großen Luftschiffen, die man jetzt hat. Aber je nu, was verstehe ich davon. Aber es sind zwei kluge Köpfe, die zwei. Und der junge Stakosch hat gemeint, daß mein Vater auch stolz sein dürfte auf so einen Schwiegersohn." Quint sah die Sprecherin mit immer neuer Verwun derung an. Er wollte noch dieses und jenes fragen, doch Rosel hatte sich schon in Bewegung gesetzt und meinte nur noch: „Wenn der Vater auf die Grube geht, dann tut er es bloß dem jungen Herrn Stakosch zuliebe. Der bat ge sagt, daß er sich den Betrieb ansehen und darin lernen müsse, um recht zu verstehen, was mit dem Grund rmd Boden unseres Hofes einmal geschehen wird." „Nur nicht so hastig, Jungfer Rosel. Ich komme ja mit." — Quint löste seinen Schimmel und stieg auf. „Das können Sie ja machen. Aber wissen Si«, wenn Lorenz das steht, dann wird er eifersüchtig. Dem Herr« Joachim darf ich nicht einmal die Hand geben, wenn er mir mal die seine zum ALjes hinstreckt. Das is e Ko mischer!" „So, Ra, dann will ich lieber voran reiten. Vielleicht daß ich ibn unterwegs ansprechen und kennen lernen kann." „Das können Sie ja machen. Aber wissen Sie, wen der Lorenz mich am Arme hat, dann ist der für niemand zu sprechen. Und wenn's der Kaiser wär'." „Der Kuckuck. Nur nicht stolz, Jungfer!" Stolz? I bewahre. Aber ich krieg« einmal einen guten Mann, das hat bis jetzt jeder gesagt." , - „Na, na, ist denn das schon so sicher?" ' „Nu, ich mein's. Zum heiligen Christ haben wir dir Hochzeit. Und wenn alles klappt, dann kaust der Lore« > den Gläubigern noch den Friesensteinhof ab und 's wird wieder schön Wetter in unserer Familie. Und darm«,