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Lorenz Katterwe war von deinem Sitz auf der Hobel- bank langsam herabgeglitten. Run stand er da im Kreise ter Kameraden mit einer unbeweglichen Miene, fast wie ein Standbild ans Erz gegossen. Keine von dem ihm zu- ! gestreckten Händen ergriffen die Seinen. Auch auf die ^freundliche Frage des le:- - hrnzugetretenen Werkmeisters, 'ob er fich denn «r nick: sr diese Ueberraschnua freue, Erfolgte MiDM.k<f»e . : srL Vergeblich forschten die »am ersten.pr sotz^Zügsn NGch-einem AuKdrucknon An- Aerkennung oder Aerger: aber er blieb uübeweglich. Auch ßdie Augen verrieten nichts. So kam ein minutenlanges fast unheimliches Schweigen in dem Raume auf. Dann Mri - ma» den Werkmeister sggey: »Was ist Ihnen denn, Lauert^? JK.JHuen sicht Wohl?" , , Lorenz.nickte und machte einen ungelenken Schritt vor- ißMrtK, : ^Ja," sagte er dabei tonlos, »mir ist nicht gut; M möchte ein wenig ins Freie, vieöeicht -aß mir die ^.ische Lust wohltut." Und dann schritt er langsam dem W^Mattportal zu. Di» Kameraden tr»ten, sich einander «gehend, wortlos zurück, und nur der Werkmeister Janus folgte Lorenz dicht auf dem Fuße. Als er kurz vor der ÄAre -en jungen Mann ein wenig Wanken sah, faßte er ihn fest unter den Arm und führte ihn auf den Hof, wo er 4hn aus einen Balkenhausen niedersitzen hieß. Langsam folgte Lorenz der Weisung. Bor leinen Au» gen war alles wie in Rebel gehüllt und es war ihm, als grirsten ihn lauter kleine Teufelcheq an. Die schienen die Gestatt Rübezahls in Miniatur zu verkörpern. Aber i ns war eigentümlich an diesem Traümwesen: Sie schienen unerKlich viel auf ihn einzureden. — Einig- ' n dabei mit Geldmünzen, andere schwatzte» in sonderbarem singendem Tone, und das klang, als wäre es wieder die Melodie der Marseillaise. UM« hing ims Plakat an seiner Stelle, ha kamen die erade« auZ^Nen Ecke» gesprMgen, just, wie einst die priest ßch ürk de» m -ans mit aller- »not, Mritomnmd e der MarseMaift nterlegtes Geburtstagslied, dessen letzte Strophe Werbung für ihre Verbandsorganisation aus- Lorenz Katterwe hob jäh seinen Kopf, fuhr ich mit der Hand über die Schläfen und sprach vor sich hin: .Die se Teuselsmelodie! Die kann mich umbringen, in Raserei versetzen: nichrs ist mir verhaßter als sie." Meister Janus, der bei ihm stehen geblieben war, legte ihm leise die Hand auf die Schulter. „Die Kameraden ha ben Sie mit dieser Melodie geärgert, Katterwe," sprach «r samt „aber ich glaube, daß Sie gut täten, wenn Sie auch endlich in den Verband einträten. Meinen Sie nicht buch, daß dann endlich alle die Sticheleien auf einmal ver stummen würden, die Ihnen tagtäglich Aerger bereiten und 'vor denen ich Sie nicht recht zu schützen weiß. Und meinen Sie.nicht auch, daß dann auch Ihnen diese Melodie ange nehmer erscheinen könnte?" Lorenz Katterwe hob seinen Kopf, ritz die Augen weit auf und starrte seinen Meister mit einem Ausdruck von Kummer und stummer Frage an. Dann aber erhob er sich rasch, reckte sich wie ein Hüne kraftvoll in die Höhe und meinte: „Mir ist jetzt wieder Wohler, Meister Janus; ich könnfe jetzt wieder arbeiten." Der Meister schüttelte den Kopf: „Nein, nein," sagte er,-„hören Sie auf den .Rat eines alten Menschenkenners. Gehen Sie lieber nach Hause, lassen Sie sich einen starken Geburtstagskaffee von Ihrer Wirtin brauen, und dann machen Sie einen Spaziergang hinaus in die Berge, viel leicht in den Schwarztann hinauf, gen Quirl, oder der Sflberschlucht zu. Am besten setzen Sie sich, ohne viel zu grübeln, am Fuße des kleinen Wasserfalls in der Silber schlucht nieder, hören dem Rauschen der Föhren zu und vergessen ein wenig, daß es Millionen Menschen gibt, die infolge ihrer sozialen Stellung.einen oft unheimlichen Ein fluß auf andersartige Gemüter, auszuüben suchen. Glück licherweise aber gibt es auch Menschen, die die Arbeit in ihrem Berufe nicht nur als Awang, begründet durch Ge burtsumstände, ansehen, sondern als einen Segen. Sie wissen, Katterwe, ich schätze Ihre Arbeitsleistung und Sie selbst hoch ein, und ich kann es verstehen, daß Ihnen die plumps ejgenarttgH Kameradschaft der. Mitarbeitenden Hst Peist Ärursacht. -Doch um des liehtzn Friedens willen, den^wirmüd»» Grube übermüdMtter ^ge so dringend bensiiAs: Fassen Sie sich und machen Sie gute Migne WM bsfen Spiele. — Lassen Sie den Leuten ihre utopi- setzest Träumereien." , Lorenz Katterwe nickte, leicht vor sich Hin. " ' »Ich hätte heilte nachmittag eise Äeerdigung vyr, Herr Werkmeister, könnte ich Wohl dazu beurlaubt wer den? In den nächsten Wochentagen könnte ich ja die Zeit wieder einholen." „Gar nichts einholen. Katterwe. Den ganzen heuti ge» Tag sollen Sie frei haben, ohne nacharbeiten zu müs sen. Gehen Sie nur gleich jetzt." Katterwe wollte noch sagen, daß ihm ein Nachmit tagsurlaub vollständig genüge, doch ehe er den Mund aui- stit, folgte er unwillkürlich den Blicken des Werkmeisters, hie über den Hof hisschweiften i» der Richtung, in der der Grubendirektor Stakosch mit hastigen Schritten dem Ein fahrtsgebäude zueilte. Und dann horchte auch er in glei chem Matze gespannt wie der Werkmeister auf. als leise und nüchtern die Zechenglocke zu erNingen anhub. Bleich geworden, sahen sich beide Männer einen Augenblick an, sie hatten gleichzeitig gehört, wie in den Werkstatts- und Maschinensälen die elektrischen Glocken schrillten, und merkten es, wie nun auf einmal eine merk würdige Stille auf der ganzen Zeche eintrat. Die Kreis säge in der Tischlerei hatte ihr Surren eingestellt. Die Transmissionen in den benachbarten Maschinensälen stan den still. Kein Arbeitslaut drang mehr auf den Hof hin aus. „Ja," meinte Meister Janus noch hastig, „so gehen Sie jetzt heim, Katterwe," und dann strebte auch er mit fieberhafter Schnelligkeit dem Einfahrtsschacht zu. Der bis jetzt leere Hof begann sich nun mit Arbeitsleuten aller Tagewerke langsam zu füllen; viele standen in den Tü ren ihrer Werkstätten. Auch vor der Tischlerwerkstätte standen die Leute, als warteten sie nur noch auf ein be sonderes Signal, um auch sofort in Rettungsaktion tre ten zu können. Die Zechenglocke und das Abstellen der Ma schinen in allen Obertagewerkstätten hatte ihnen allen ge sagt, datz unter Tage ein Unglück geschehen sein mußte. Lorenz Katterwe trat vom Hof aus eilfertig durch die Reihen der Ausspähenden wieder in seine Werkstatt. „Ist Ihnen schon bekannt, was passiert ist?" wandte er sich an einen ihm zunächst stehenden Lehrling. Er be kam aber keine Antwort. Mit allen noch in der Werkstatt tätig gewesenen Leuten drängten sich auch die Lehrjungen hastig auf den Hof hinaus. Und wie nun Lorenz so allein vor seiner Hobelbank stand, drang ein von Sekunde zu Sekunde an Kraft des Tönens zunehmendes Gemurmel zu ihm heran. Gespannt horchte er auf. „Wie was — sagten die da draußen? Im Gottes- aueschacht sei ein Wetter niedergegangen? Zwei Opfer lä- gen bereits in der Grubenkapelle aufgebahrt und viele seien noch eingeschlossen? Nein, da durfte er jetzt nicht nach Haus; für solch einen Fall galt der Arbeitsdisvens des Werkmeisters je denfalls nicht. Das Begräbnis der Frau Lepach konnte ja auch ohne ibn stattfinden und was seine Unpäßlichkeit anlangte, so fühlte er sich ja jetzt wieder als der Starke, Kraftvolle. Nimmermüde, fühlte er sich als ein Mnnn. der Unterschiede zu machen wußte zwischen Pflicht und höherer Pflicht. Entrüstet fragte er daher einige Kameraden, die her- einkamen und an die Kleiderspinde traten: „Wo wollt Ihr hin? Wollt Ihr nach Hause, jetzt nach Haus?" Brum mig antwortete ihm der.Zimmermann Mischke: „Der Di rektor hat angeordnet, wer den .armen Tropfen da unten helfen soll. Die freiwilligen Totsücher sind bereits einge fahren; alle anderen Leute sollen Schicht machen. Famo ser Kerl, der Direktor, was?" — Gerade wollte Lorenz Katterwe etwas erwidern, da trat einer neben ihn und sah ihm mit freudestrahlendem Gesicht in das seine, den er hier jetzt nicht vermutet hätte, Max Demmig (Fortsetzung folgt.) ....... „ - - ?'