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Im Nonnenkloster zu Breslau, X ' (Schluß.) i Mit der längst beseitigten Klosterregel siel hrer jede - Nene weg, und gegen sünfzig geistliche und weltliche Frauen, «es ihren Matratzen und Betten sitzend, kniend und lie gend, besorgten beim düstern Lichte weniger, an den Pfei lern hängender Laternen ihre Schlaftoilette. — — — An ähnlichen Genossenschaften, wo jede Regel der Kon- venienz aufhörte und Geschlechts- und Standesunterschied im engen Raume vergessen wurde, fehlte es auch in der übrigen Stadt nicht. Gern erinnerten sich Breslaus Be wohner in späteren Jahres dieser Auftritte, wo das Mensch liche über angenommene Sitte den Sieg davon trug. Merkwürdig zumal tpgr das Zusammenleben mehrerer ' Hunderte in der unteridtschen Kreuzkirche. Familien aller Stünde wohnten hier einträchtig nebeneinander, mit sußu-eise ihnen angemessenem Raume. Die Polizeiverordnung, welche die kleine Republik sich selbst gegeben, wurde musterhaft beobachtet; die Sakristei war die gemeinschaftliche Küche. So anmutig mutz unter Schreck und Gefahr das Leben erschienen sein, daß ein junger Mann während des Donners der Geschütze hier seine Braut sich antrauen ljeß, und die Hochzeit mit den Gästen feierte, die der Zufall ihm geladen hatte. Was das -romanhafte für jene Zeit erhöhte, war, daß der Bräutigam, «in Schlesier, die Welt umsegelt und einen Teil seines Le bens aüf Ceylon verbracht hatte. Viele wollten der Gefahr trotzen und verschmähten diese Kondentikel. Die Chronik der Stadt war nicht arm an fabelhaften Berichten, wie einzelne die Gefahr herauS- gefordert hatten, und andere derselben durch Ahnungen entgangen waren. So unter andern der durch seine Uebersetzung des Mil ton Ährenwert bekannte Dichter Bürde. Vergebens drängte ihn seine Familie, die in den untern Gewölben Schutz gesucht, ihr Asyl mit ihnen zu teilen. Endlich noch spät in der Nacht, als er schon im Bette liegt, fleht ihn die Kinderfrau an aufzustehen. Erst, als sie zum drittenmal wiederkommt, entschließt er sich, zur Beruhigung der Seinen, dazu, und kaum hat er das Zimmer verlassen, als eine Bogi-e einschlägt und gerade in das noch warme Bett, wo sie zerspringt und Bibliothek und Skripturen des Schriftstellers zum Fenster hinausschleudert. Nur eins Nonne unseres Klosters hatte sich geweigert, in das Refektorium herabzukommen. Pie alte, taube Sub- vriorin hauste allein nachts mit den heulenden Winden und den fröstelnden Wächtern in den öden Zellen und schritt ohne Furcht durch die hallenden Kreuzgäuge. Sie zuckre die Achseln über das furchtsame jüngere Geschlecht: Zn Laudons Zeiten hätten sie anders geschossen; daS Schie ßen jetzt sei nicht der Rede wert. Ich weiß nicht, ob diese laudatrix temporis acti mit der Vorstellung, daß auch der Kanonendonner mit der neuen Zeit sich verschlechtert habe, ins Grab gestiegen ist. Da die Kanonen selbst cs nicht vermochten, ihr die Fortschritte de: Kultur ins Ohr zu donnern, mußten menschliche Stim men es anfgeden, sie zu ockehreg. — Ter Bestürzung, der ein fürchterlicher Bombenschlag verursachte, entsinne ich mich noch deutlich; eS ist aber de: lehre Moment aus meiner eigenen Klosiererinnerunz. Tis fünfzig Köpfe und Leiber fuhren aus dem Schlaf« auf, uns - des Entsetzens! — in demselben Moment drang ginrrot durch die kleine Pforte am andern Ende des Refektoriums die Bombe selbst ein. So war es denn mit unS aus, wäre es nicht glücklicherweise die rote Handlaterne der Schwester Pfötnerin gewesen, die gerade mit dem Bom- benjchlagc eintrat. Ob eine der Schwestern über die Ironie des Schicksals, oder unsere schlaftrunkene Einbildungskraft gelacht hat, welche eine flammende Bombe gelassen durch eine geöffnete Tür eindringen ließ, darf ich billig bezweifeln. — — Tas Weihnachtsfest war traurig. Die gutmütigen Non- »en bedauerten die Kinder, daß Schneeflocken und Kugeln die einzigen Geschenke waren. Alle aber hatten dieselbe Furcht vor einer Bescherung des Himmels, in andern Zei ten eine willkommene, vor dem klaren Frostwetter. Wenn die Gräben zufroren, erwartete man einen Sturm, de« abzuschlagen die Kräfte fehlten. > Auch ward das Desertieren der polnischen Soldaten gefürchtet. Diese Furcht war eitel. Das Bombardement ward mit Anfang des neuen Jahres schwächer. Auf häufige Intervallen folgte ein Waffenstillstand, dem Stillstände die Kapitulation. Breslau ergab sich, nachdem dic letzte Kuh geschlachtet -rac. Von feiten des Militärs war nur eine Stimme des Un willens und der Zerknirschung. Gemeine Soldaten, keine Freiwilligen, größtenteils nicht einmal Landeskinder, sah man erbittert ihre Gewehr zerbrechen und in die Gräben schleudern, um sie nicht in die Hände des Feindes zu liefern. Unter den Bürgern, dis am meisten gelitten, zumal bei dem freiwillig übernommenen Stadtwachdienst, herrschte keine Freude, und auch die Glocken, als sie zum erstenmal wieder läuteten, erweckten nicht die Gefühle der Frei heit und Sorglosigkeit. Nur unter den reichen Kaufleuten herrschte eine dadvn verschiedene Gesinnung. Unsere Nonnen, die auch beim Auszug ihrer Gäste mit würdiger Uneigenützigkeit sich zeigten, sähe trübe in die Zukunft, die auch sie über kurz oder lang aus diesen alter- grauen Mauern treiben würde. Die meisten haben dies Los noch erlebt. Sie zerstreuten sich aufs Land; nur wenige der jüngern, darunter jene Hel din mit der Bombe, fanden wieder Aufnahme in den beiden wohltätigen Schwesterstiften, dem Ursulinerinnen- und dem Elisabethinerstifte, die in später« Krankheitsperioden durch aufopfernde Tätigkeit für die Leidenden ihre Erhaltung gerechtfertigt haben. Än Jammer anderer Art zeigte sich, als uns die Tore geöffnet waren, in den verwüsteten Vorstädten. Die unglück lichen Bewohner hausten noch lange in Erdhöhlen unter Schuft und Trümmern. Die Laufgräben, mit verkohlten Balken überdeckt, waren Prachtgemächer gegen viele dieser Löcher, worin ganze Familien zusammengekauert lebten. Empörender waren die von den Feinden entweihten Kirchen, in denen sie ihre Hauptwachen aufgestellt hatte«. Die geplünderten Gebeine lagen umher, und die umge kehrten Särge waren zu Bänken und Spieltischen gewor den. Leider bestätigte sich auch hier die traurige Wahr nehmung aus jenen unseligen Kriegen, daß deutsche Lands leute despotischer und grausamer als die Franzosen ver fuhren. Der Name Bayer und Württemberger (Witten berger, wie ihn das Volk nannte) blieb lange Zett ein Schrecken beim schlesischen Landmanns. Als ein Beispiel, bis zu welcher Tollheit der Uebenmtt ejncs müßigen Soldaten steigen kann, verdient ein sonst sehr gleichgültiger Charakterzug aus jener Zeit der Auf zeichnung. ! ! Ein bayerischer Kavallerist konnte sich keine größer« Lust, oder, dem Bauer, bei dem er einquartiert, keine größere Demütigung ersinnen, als datz er, nachdem er ge fordert, gewütet und genossen, was die Armut einer schlesi schen Hütte bieten kann, sich auf die Ofenbank legte und den achtzigjährigen Altbesitzer des Gehöftes Mang, mit de« Finger das Rad in seinen Sporen beständig umzudrehen. Ermüdet fragte der Alte, ob es nicht genug sei; aber der Unersättliche nötigte ihn, bis d«r Tag zu En die war, fort» zufatzren. Jerome seine kapuanische Hofhaltung auf. Viel wußte Breslau litt weniger. Hs»r schlug bald darauf Prinz man noch lange nachher zu erzählen von den strahlend«« Festen, LiebeSab«nt«uern und den Rheinwetnbädern des «utz» nervten, aber unwiderstehlich«« Wüstlings. Der Ruf vi^ ler Schöne« VAN hohen Name» teilte da- Schicksal der'Mb» und Odersestupgeu, die man »och für unüberwindlich hielt, und sie waren schon in Feindeshand. Aber von einem Mut« Hatje man dinnoch keinen grqße« Glauben; den« wenn auch nur Partetwut e» erfand««, daß «r vor einem Schneider au» Zimmer in Zimmer W» laufen, der ihm doch nur ein neues -leid anM«sseu woW«, so schwächten ihn die beide» CHevauxl^er», welche Hs* ritte«, mit gefälftew Nacht und Log »or fetzM Wohnung hieve» -