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(Nachdruck verboten.) LS) Vorsichtig spähten die beiden Manner in die Dunkelheit hinaus. Keine fünfhundert Schritte entfernt, vom Mond hell beschienen, gewahrten sie die Gestalt eines mächtigen Lö wen; wie aus Bronze gemeißelt stand er da, mit wildem Gebrüll seinen Zorn gegen diejenigen kundgebend, die es gewagt hatten, in sein Wüstenreich einzudringen. „Unser Feuerschild wird den Dicktopf wohl im Zaume halten/ bemerkte Fanning mit einer Ruhe, die Selwyn in Erstaunen setzte. Er warf noch einige Holzblöcke in die hochauflodernden Flammen, deren greller Schein den Kö nig der Tiere veranlaßte, sich ohne jeglichen Versuch zu irgendwelchen Feindseligkeiten zurückzuzrehen. Nach diesem kurzen Intermezzo streckte sich Fanning der Länge nach aus und schlief bald den Schlaf des Ge rechten. Nicht so Selwyn. Der schloß die ganze Nacht kein Auge, denn bald war eS das häßliche Gekreisch der Paviane, das ihn störte, bald erschreckte ihn das dumpfe Bellen und Heulen der Schakale und Hyänen, ja einmal glaubte er sogar wieder die donnernde Stimme des Lö wen, wenn auch nur in weiter Ferne, zu vernehmen. Mit wahrer Erleichterung begrüßte er das erste Mor- gengrauen, das dem nächtlichen Spuk «in Ende machte, fühlte sich aber so erschöpft, daß er den Rat seines Ge fährten, noch ein Weilchen zu ruhen, bis das Frühstück fer tig sei, bereitwilligst befolgte. Noch bevor die Sonne ihre ersten Strahlen über die Berggipfel herabsandte, machten sie sich wieder auf den Weg, der immer mühsamer und beschwerlicher wurde. Selwyn stöhnte gewaltig, besonders gegen die Mit tagszeit, als die Hitze einen Grad erreicht hatte, der ihm die Hellen Schweißtropfen auf die Stirne trieb. Fanning tröstete ihn, so gut er konnte. „Es ist nm so im Anfang so, alter Junge!" suchte er ihn zu ermutigen. „Ihr werdet es bald gewöhnt sein. Laßt also den Kopf nicht hangen und denkt an den hohen Preis!" „Was nützt mir der, wenn ich vorher dem Sonnen stich erliege!" brummte Selwyn mißmutig. „So schlimm wird es nicht," beruhigte ihn der andere. „Da nehmt mal ein Schluck Branntwkin mit Wasser, «nd dannn wollen wir einige Stunden Rast halten." Ehe er noch geendet, war Selwyn aus dem Sattel und warf sich erschöpft ins Gras, „Am Ende ist die ganze Geschichte dieses Jansen nur Humbug," meinte er, seine wunden Glieder dehnend. „D« ist etwas, das sehr verdächtig aüssieht. Wie konnte der Mensch mit seiner tödlichen Verletzung in zwei oder dret Tagen von dem Tal aus bis zu Euch gelangen? Mr werden ja fast eine Woche gebrauchen." „Hm, das fiel mir anfangs auch auf," entgegnet» Fanning, gemächlich seine Pfeife stopfend. „Ich habe «tr aber überlegt, daß er wahrscheinlich nicht denselben W«« zurückgekommen ist. Er war in dieser Gegend sehr genau orientiert und kam vielleicht direkt über die Berge. Nkr machen einen ziemlichen Umweg — das ist gewiß." „Warum hat er Euch denn da nicht gleich den kürze ren angegeben?" warf Selwyn verdrießlich ein. ' r „Aus sehr einfachen Gründen. Erstens ist diese StreK^ „Ja, das denke ich. Diesmal werden wir den Ort wohl erreichen. Vielleicht werden wir einen Kampf zu be stehen haben, vielleicht sogar fliehen müssen und noch ein mal wiederkommen. Doch das alles ist Nebensache. Der Hauptpunkt bleibt, den Stein zu finden." „So meint Ihr, diese wilden Teufel von Buschmän- »ern lungern noch um den Platz herum?" forschte Selwyn in sichtlich unbehaglicher Stimmung, als sähe er schon die vergifteten Pfeile der Feinde durch die Luft schwirren. „Höchstwahrscheinlich. Sie sind zwar ein wanderndes Volk und können zu dieser Zeit ebenso gut hundert Meilen von dem Tal entfernt sein, aber sicher ist es nicht. Ich selbst habe bei meinen vier Versuchen ja auch nur einmal mit ihnen zu tun gehabt." „Scherz beiseite, Fanning," unterbrach ihn der andere, „seid Ihr wirklich stets ganz allein durch diese greuliche Wüstenei gezogen?" „Ganz allein," war die gleichgültige Antwort. „Ja, ja, es ist seltsam, was das Geld oder vielmehr der Mangel an Geld aus dem Menschen machen kann. Hätte ich mein Genügendes Auskommen, bei Gott! — ich ließe die Sache kaufen, übertrüge sie mit Freuden Euch oder irgend einem Andern. Wenn ^sau-aller bettelarm ist und sich vielleicht «och ein Dutzend Jahre und mehr durchs Leben schlagen muß, ja, da heißt's schon etwas riskieren, denn von der Luft allein existiert keiner. Nach großen Schätzen gelüstet «s mich eigentlich nicht, nur gerade so viel, um ein ruhiges, sorgenfreies Dasein zu führen und einem Bruder in der Rot helfen zu können." „Pah, was seid Ihr für eine genügsame Seele!" fiel Selwyn lachend ein. „Damit wäre mir nicht gedient. Ich könnte gar nicht genug von dem blitzenden Metall haben. Ach, wenn es uns gelänge — denkt doch nur, welch ein Glück das wäre!" „Ich habe schon so ost an die Geschichte gedacht, daß es mich nicht mehr aufregt. Ein ruhiges Leben und nicht «ehr nötig baben, zu borgen, das ist alles, was ich mir wünsche." 18. Kapitel. In der Wildnis. Die erste Nacht, die der an europäisches Leben ge wohnte Selwyn in der südafrikanischen Wildnis unter freiem Himmel zubrachte, war eine der ungemütlichsten seines Daseins und sollte ihm lange im Gedächtnis blei ben. Der plötzliche Anblick des verschwunden gewesenen Dokumentes sowie seine Unterredung mit Fanning über Klas JnsenS geheimnisvolle Erzählung hatten seine leicht erregbaren Nerven einigermaßen erschüttert, und noch stand er unter dem Eindruck des Gehörten, als er ein Geräusch vernahm» das sein Blut zu Eis erstarren machte. Ein lautes, fürchterliches Gebrüll klang durch die stille Nacht, so schauerlich und erschreckend, daß selbst Fanning in die Höhe fuhr und die Pferde, an allen Gliedern zit ternd, sich mit ängstlichem Wiehern loszureißen suchten. Das Mge -er Nacht. Eine Erzählung aus Transvaal von I. B. Mitford. Deutsch von M. Walter.