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'ten Zeil kommen? Die Uhr zeigte die dritte Stunde, Fre- densborg lag fünfunddreißig Meilen von Lamport ent fernt, — wenn er also auch im schärfsten Trabe ritt, konnte er nicht vor etnbrechender Rächt dort sein. In fünf Minuten war er zu Pferd« und jagte die Straße hinab. Unterwegs fiel ihm ein, daß er unbewaff net fei,— in diesem Teil des Landes war es eigentlich nicht nötig, einen Revolver bei sich zu führen, aber bei feinem jetzigen Unternehmen hätte er eines solchen drin gend bedurft. Leider konnte er sich auch keinen kaufen, denn dazu mußte er erst wieder die Erlaubnis der Be hörde einholen und er wollte doch keine Minute verlieren. So trabte er denn weiter. Es war furchtbar heiß. Die Sonne glühte aus den schattenlosen, staubigen Weg herab, den Fanning zu durch reiten hatte, ehe er die bewaldeten Hügel erreichte. An «inem kleinen Wirtshaus hielt er kurze Rast, dann ging es wieder vorwärts. Einmal erblickte er seitwärts in einer Schlucht, etwa zwei Meilen entfernt, das Haus eines Buren. Sollte er den Umweg machen, sich dort eine Waffe oder wenigstens ein frisches Pferd leihen und die Insassen warnen? Die Vorsicht riet ihm davon ab, — «ur keine Minute Verzögerung! Weiter, weiter! Bei Sonnenuntergang befand sich Fanning mitten in den Bergen. Er gönnte seinem Pferde, das Spuren von Ermüdung zeigte, eine kurze Ruhepause, indem er ihm den Sattel abnahm und es grasen ließ, dann aber trieb er es wieder zu verdoppelter Eile an. Der Pfad war schlecht genug, denn stellenweise ver engte er sich zu einem Hohlweg, der, mit dichtem Gestrüpp umsäumt, wie zu einem räuberischen Ueberfall geschaffen schien. Die Sonne war unlergegangen; nur ein dunkles glühendes Rot färbte noch den Horizont und die äußersten Spitzen der höhergelegenen Berge. Durch die Stille des Abends vernahm man das bellende Geschrei der Paviane, die in ganzen Reihen auf den zerklüfteten Felsen hockten und halb erschreckt, halb zornig die Nähe ihres Feindes, des Menschen, witterten, und hoch oben in den Lüften kreisten zwei schwarze Lämmergeier, mit heiserem Kräch zen ihrem Neste zufliegend. Die Nacht brach rasch ein, denn unter dem südlichen Kreuz gibt es keine Dämmerung; immer tiefer, immer geheimnisvoller ward das Schweigen der Natur und unter dem Eindruck dieser lautlosen Stille erwachte Fannings Besorgnis mit zehnfacher Stärke. Die grausigen Einzel heiten der blusigen Mordtaten, von denen er gelesen, traten ihm mit erschreckender Deutlichkeit vor Augen und sein überreiztes Hirn malte sich die entsetzlichsten Dinge aus. Wie, wenn er doch zu spät kam? Waren die armen Frauen nicht hilflos den Händen dieser Schurken, dieser Teufel in Menschengestalt, preisgegeben, die es nur dar auf abgesehen hatten, noch so viele Schändlichkeiten wie möglich zu begehen, ehe die verdiente Strafe sie ereilte? Weiter und weiter jagte er durch die Nacht dahin. An einer Stelle mußte er über den Fluß. Sein Pferd sträubte sich, ins Wasser zu gehen, doch er brachte es dennoch glücklich ans jenseitige Ufer. Der Weg wurde jetzt beschwerlicher wegen des Stein gerölles und der vielen Bodenunebenheiten, aber Fan ning ließ sich durch nichts aufhalten. Plötzlich vernahm er dicht neben sich eine rauhe Stimme, die ihm in holländi scher Sprache befahl, stehen zu bleiben. Mit scharfem Auge um sich spähend, entdeckte er zwei Gestalten, eine große und eine etwas kleinere. Sie hatten sich ihm mitten in den Weg gestellt, als wollten sie ihn nicht vorbeilassen, und da sich an beiden Seiten eine dichte, fast undurchdringliche Hecke hinzog, so gab es kein Ent rinnen. Es war nicht das erste Mal, daß sich Fanning in so gefährlicher Lage befand, aber auch in diesem kritischen Moment ließ ihn seine vielgerühmte Kaltblütigkeit nicht im Stich. „Geht, oder ich schieße Euch nieder!" rief er seinen Gegnern in derselben Sprache zu, mit staunenswerter Geistesgegenwart das Futteral seiner Tabakspfeife her vorziehend und die Feder springen lassend, um die Wege- Ikgerer zu dem Glauben zu veranlassen, er habe einen Re volver in den Händen. Mit einem Fluch sprang der eine Korl zur Seite, doch im selben Augenblick feuerte der zweite einen Schuß auf Fanning ab, der diesen aber zum Glück nicht traf. „Jetzt gilt es kurzen Prozeß machen!" dachte der An gegriffene, auf den Mordbuben einspringend und den los geschnallten Steigbügel als Waffe schwingend. Der Räu ber wollte ausweichen, doch der heftige Anprall des Pferdes schleuderte ihn zu Boden. Die momentane Verwirrung seiner Feinde be nutzend, gab Fanning dem Rotz die Sporen und jagte in gestrecktem Galopp davon. Nicht eine Minute zu früh, denn drei weitere Schüsse krachten von der Hügelseite hin ter ihm her. Und durch die Stille der Nacht vernahm er deutlich das gedämpfte Sprechen mehrerer Stimmen, deren tiefe Kehllaute ihm verrieten, daß die Redenden dem Stamme der Kafsern und Hottentotten angehörten. Also mitten in die gefürchtete Bande war er hinein- geraten. Ob die Räuber ihn verfolgen würden? Sie be saßen zwar keine Pferde, aber da das seinige bereits sebr abgehetzt war, so konnten diese leichtfüßigen Wilden Wohl ebenso rasch vorwärts kommen wie er. Und dann — er dachte mit Unbehagen daran — zwischen ihm und dem ersehnten Ziel lag noch ein überaus steiler, abschüssiger Hügel, den er erklimmen mußte. Doch auch dieses letzte Hindernis wurde glücklich überwunden und als Fanning endlich den Gipfel erreicht hatte, sah er unten im Tal ein. Licht schimmern. Der Anblick ließ ihn einen Seufzer der Erleichterung ausstoßen. „Gott und allen Heiligen sei Dank!" murmelte er inbrünstig, denn die hell erleuchteten Fenster von Fredensborg verkündeten ihm, daß kein blu tiges Verbrechen den Frieden des Hauses gestört habe. Er kam noch zur rechten Zeit! 12. Kapitel. Der nächtliche Ueberfall. „Eh, das ist ja Fanning!" rief Frau SeMrk, die das Geräusch von Pferdehufen und das Anschlägen der Hunde vernommen hatte und deshalb unter die Haustüre ge treten war. „Wir erwarteten Euch eigentlich erst morgen," wandte sie sich zu dem späten Gast. .„Ihr kommt noch eben recht, denn wir wollten schon zu Bett gehen. Rust einem der Knechte zu, Euer Pferd in den Stall zu bringen und zu versorgen." „Ich will e- noch ein Weilchen grasen lassen; das arme Tier hat sich so abgelaufen," erwiderte Fanning, das Pferd abzäumend und freigebend. „Ist Euer Geschäft "zustande gekommen?" fragte Hilda die Türe sorglich schließend. „Ich habe es vorläufig aufgeschoben," gab er hastig zurück. „Kommt hier herein " fuhr er leise fort, ein leeres Zimmer betretend, „ich habe Euch etwas zu sagen." Und in wenigen Worten eröffnete er ihr, welche Gefahr sie bedrohe. Hilda Selkirk war ein echtes Kind der Kolonie: es fehlte ihr weder an Mut noch an Entschlossenheit. Trotz dem wäre sie kein Weib gewesen, wenn Fannings Bericht sie nicht erbeben gemacht hätte. „Wir müssen uns verteidigen, so gut es geht," be merkte sie nach einer kurzen Pause. „Vielleicht werden sie uns nicht angreifen." „Vielleicht, ist eine schlechte Stütze, um sich darauf zu verlassen. Hier heißt es: auf jeden Fall bereit sein und " die Schurken in gebührender Weise m empfangen. Sie scheinen die Farm überwacht zu babcn und wissen wahr scheinlich. daß Christoph fort ist. Wieviel Leute habt Ihr augenblicklich zur Hand?" „Nur wenige Windvogel, der alte Iakob und Gom- fana, das ist alles." „Dem Winovogel traue ich nicht," erwiderte Fanning. „Es sollte mich wahrhaftig nicht wundern, wenn der braune Schlingel mit der Bande im Einverständnis wäre. Der alte Jakob ist schon zu gebrechlich, auf den können wir nicht zählen, aber Gomfana, der ließe sich gebrauchen, frei lich auch nur im Handgemenge, denn sein Schießen ist nicht weit her." Er hielt einen Augenblick inne und fudr dann zögernd fort: „Im Vergleich zu diesen aut bewaff neten Halsabschneidern sind wir, wie Ihr seht, sehr im Nachteil. Wäre es gar nicht möglich, Hilda, unsere kleine Garnison noch zu verstärken?" (Fortsetzung folgt.)