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»«-ex, aber er war nicht empfindlich, sondern lachte setz »er mit. Zudem befand er sich in besonders guter Laune, hervorgerufen durch ein winziges Blättchen Papier, das er in der Brustlasche trug. Es war ihm am vergangenen Abend verstohlen, wenn auch unter aller Augen, beim Hutenachtfagen in die Hand gedrückt worden; und fo lakonisch der Inhalt auch klang: .Morgen Vormittag im Harten. B." — Selwyn verstand vollkommen die Bedeu- ttmg. Er hatte sich nach feinem ersten Zusammentreffen mit Violet über ihr leichtes, kokettes Wesen geärgert, das sie den ganzen Abend zur Schau getragen. Ihn hatte sie wie einen ganz fremden behandelt, nur die gleichgültigsten Dinge mit ihm redend, wahrend sie ihre freundlichsten Blicke, ihr liebenswürdigstes Lächeln an Fanning ver schwendete. Tine hä Eifersucht stieg in ihm auf gegen den Freund, doch da illet, das sie ihm heimlich zusteckte, verscheuchte rasch se-uc gereizte Stimmung und ließ ihn mit gehobenen Gejühlen den Morgen erwarten. Als dieser aber anbrach, stellte sich ihm eine Schwie rigkeit entgegen, an die er nicht gedacht. Wie sollte er es bewerkstelligen, unbemerkt mit Violet zusammenzutreffen? Er mußte dem Zufall und seinem guten Glück vertrauen. Freilich schien es, als ob ihn beides im Stich lassen wolle, denn vorerst legte sein Wirt Beschlag auf ihn, indem er ihn zu einem Rundgang durch die Farm einlud. Fanning gesellte sich ihnen zu, und gemütlich ihre Pfeife rauchend, schlenderten die drei Freunde dahin, bald da, bald dort stehen bleibend, dies und jenes betrachtend und sich eifrig über Jagd- und Farmangelegenheilen un terhaltend. Selwyn bekundete anfangs ein lebhaftes In teresse, doch je näher der Augenblick des von Violet be stimmten Zusammentreffens heranrückte, desto unruhiger und zerstreuter wurde er. Wie sollte er in den Garten ge langen? Er war fast eine Meile entfernt davon und Sel- kirk machte noch keine Miene zur Umkehr. In dieser Ver legenheit kam ihm Fanning zu Hilfe. .Ich glaube, Christoph," sagte er, die Unruhe seines Freudes wahrnehmend, „wir langweilen Selwyn zu Tode mit imseren Gesprächen." „O, nicht im geringsten!" widersprach Selwyn rasch .Ich habe nur «in wenig Kopfschmerzen." „Sie waren aber auch heute so früh aus den Federn," bemerkte Selkirk, „und sind das wahrscheinlich nicht ge wöhnt Gehen Sie nur ruhig nach Hause und machen Sie sich's bequem. Im Wohnzimmer ist es kühl und ruhig um diese Zeit, und Lektüre finden Sie auch genug." „Nun, dann will ich Ihrem Rate folgen, wenn Sie nichts dagegen haben." „Dagegen haben? Wo denken Sie hin? Sie sollen tun, als wären Sie bei sich zu Hause — ganz ohne Um stände!" polterte der gutmütige Farmer. Selwyn ließ sich daS gesagt sein und schlug erleichtert aufatmend den Rückweg ein. Als er den Garten erreichte, betrat er ihn durch eine Seitenpforte, in deren Nähe er eine halb hinter Obstbäumen und Gebüsch versteckte Bank entdeckte. Durch das Laubwerk schimmerte ein Helles Ge wand sowie ein breitrandiger Strohhui, für Selwyn un trügliche Zeichen, daß ihn sein gutes Glück an den richti gen Ort geführt hatte Mit vergnügtem Gesicht schlich er sich unbemerkt hin ter die jugendliche Mädchengestalt, welche, anscheinend in ein Bucb vertieft, dasaß, legte beide Arme um sie und Schaute ganz unzeremoniell unter den schützenden Stroh- Hut. „Endlich, mein Sieb!" rief er freudig, sich neben die sich durchaus nicht Sträubende setzend. „Endlich!" 9. Kapitel. Heimliche Liebe. „O Moritz, wie konntest du nur so unvorsichtig sein!" „Unvorsichtig? Ach, wenn du nur wüßtest, welche Mühe es mich gekostet hat, mich von den anderen loszu machen." „Toch unvorsichtig," beharrte Violet, seine letzte Be merknng überhörend. „Denke nur, wenn eins von den Kindern in der Nähe gewesen wäre! Diese kleinen Wilden buchen immer da auf, wo man sie nicht braucht." v „Run, so gehen wir einfach etwas tiefer i«S „Innere des Landes" hinein," lachte er. „Wie hast du mich denn eigentlich ausfindig gemacht,- Moritz?" fragte sie begierig. „Woher wußtest du, daß ich hier war?" „Ja, ja," zwinkerte er schlau mit den Augen, „du konntest dich doch auch nicht vor mir verbergen. Wozu auch?" Sie antwortete nicht gleich, sondern schien innerlich mit sich zu kämpfen. Erst nach einer Weile sagte sie in halb vorwurfsvollem Ton: „Warum hast du unsere Ver abredung nicht eingehalten? Wir waren doch übereinge kommen, uns sechs Monate nicht zu sehen. Und jetzt sind es kaum vier." „Soll das etwa heißen, du bedauerst, daß ich es ge tan? Komm, sieh mich an und sage eS, wenn du es kannst." Er drehte ihr Gesichtchen zu sich und schaute ihr in die dunklen, feuchtsckimmernden Augen, in denen sich Sehn sucht und heißes Verlangen spiegelte. „Du meinst, es wäre mir nicht recht, dich wieder;«» sehen? O Moritz!" — und sie brach Plötzlich in Träne» aus und lehnte das Köpfchen an feine Brust, — „ich dachte schon, wir würden uns nie wieder treffen." War das dasselbe Mädchen, das noch vor wenigen Tagen, fast an der gleichen Stelle, Worte gesprochen, die jeden wahren Gefühles zu entbehren schienen? „Ich wünschte, es käme einmal dazu — wenn auch nur der Ab wechselung halber!" hatte sie zu Marian in bereff der Liebe gesagt. Und jetzt schien dieser Wunsch in Erfüllung gegangen zu sein, aber niemand in Fredensborg wußte um dieses Kapitel ihres Lebens, niemand hatte sie je von dieser Seite gesehen. „Weine nickt, mein süßes Lieb!" sagte Moritz, sie zärtlich an sich drückend „Wir werden jetzt eine so..glück liche Zeit zusammen verbringen." „Ja, jetzt," erwiderte sie. „Aber später? Nichts wie Elend " „Keineswegs, Schätzchen?" suchte er sie zu ermutige«. „Wir können sä ruhig warten. Geduld! Das muß vor läufig unser Losungswort sein." „Wenigstens habe ick dich wieder," murmelte sie, ihren Arm um den seinen legend und ihm tiefer in die Hecken folgend. „Ist es dir nun klar, weshalb ich mich gestern abend so fremd geaen dick stellte?" „Eigentlich nicht," gestand er. „Ich war sogar reckst ärgerlich darüber und backte, es wäre besser gewesen, die Deinigen wissen zu lassen, daß wir alte Bekannte find. Man bätts uns dann eher allein gelassen." „O nein!" widersvrack Violet mit überlegener Miene. „Sie hätten dann gleich irgend eine romantische Geschickte ausgedacht, und du weißt, wenn Frauen dergleichen wit tern, sind sie wie die Spürbunde hinterher. Alle würde» uns beobachten und ihre Glossen machen, sobald sie unS einmal zusammen sähen. Ich Weitz, wie daS ist, — ich kenne es aus Erfahrung." „O du kleine Weisbeil!" lachte er. „Doch — einerlei Wir müssen uns zuweilen treffen. Ueberrede deinen Vet ter, daß er Ausflüge veranstaltet: dann reiten wir Zwei zusammen, verlieren uns durch Zufall von der übrigen Ge sellschaft und was dergleichen Schliche mehr sind. Dich nur im Beisein anderer zu sprechen, das halte ich nickt aus." „Meinst du .mir ginge es nickt ebenso? Trotzdem bitte ick dick, reckt auf deiner Hut zu sein und mich in nicht „Violet" zu nennen." „Auch hier nicht?" lachte er neckisch. „Und du dachtest also wirklich du würdest mich nie Wiedersehen?" „Ich fürchtete eS zuweilen, da ick gar nichts mehr von dir hörte. Ach, Moritz, wenn du wüßtest, was ich ausge standen habe! Du wirst freilich sagen, ich sei selbst schuld daran, weil ich mich durchaus auf die Probe stellen wollte. Sechs Monate ist ja nicht lang, doch manchmal dachte ich, ich würde sterben, ehe sie vorüber seien. Hier denkt jeder, ich hätte gar kein Herz, und ich lasse sie ruhig bei dem Glauben." (Fortsetzung folgt.) ,