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schaute, sei es im Streit gegen den Feind, sei es im Kampf mit den wilden Tieren des Landes. „Kaatje, bring mir das Essen!" Auf diesen Ruf, den Fanning mit lauter Stimme erschallen ließ, trat eins Ge stalt ein, deren mahagonibraune Farbe und pergament- artige Haut auf den ersten Blick ein Buschweib verriet. Ein Weib von geradezu verblüffender Häßlichkeit mit dem grinsenden Gesicht, dem breiten Mund, den mächtigen Ohren und dem diüwolligen Schädel, — wenig geeignet, Appetit für das Mahl zu erwecken, das sie vor ihren Herrn auf den Tisch setzte. Aber sie war ein gutmütiges, treues Geschöpf, Fannings Faktotum, die bei ihm das Amt einer Köchin und Haushälterin bekleidete. Das magere Huhn in Reis vermochte die Eßlust des Farmers nicht zu erwecken, er schob bald den Teller zurück und trat an die offene Haustür, unbehaglich vor sich hin- starrend; selbst seine gewohnte Pfeife rauchte er heute nicht. Ein Schwirren in der Luft ließ ihn aufschauen und dann erbleichend zurückprallen. „Großer Gott! Die Heu schrecken!" Es klang wie ein Ruf der Verzweiflung. „Nun auch noch diese Plage? Was die Dürre noch übrig gelas sen hat, wird dieses gefräßige Infekt vollends vernichten!" Ehe er no chzu Ende gesprochen, war die Lust von den geflügelten Raubtieren erfüllt; ihre dichten Scharen ver dunkelten fast das Sonnenlicht, und wie eine mächtige schwarze Wolke bedeckten sie das Land, dem einsamen Be obachter Verderben und Ruin verkündend. Der Gluthauch der Atmosphäre zwang Fanning schon nach wenigen Minuten, sich wieder in das kühle Zimmer zu begeben, und hier saß er die nächsten Stunden in dumpfer Niedergeschlagenheit, eine lähmende Schwere in den Gliedern und einen heftigen Schmerz im Kopf ver spürend. Endlich neigte sich die Sonne am fernen Horizont zum Untergang; das bedeutete doch wenigftens eine kleine Ab nahme der Tageshitze, wenn auch eine kaum merkliche, denn der Erdboden glich noch immer einer Lavaschicht, der heiße, erstickende Dünste entstiegen. Das empfand auf jeden Fall der Reiter, der sich müh sam einen Weg durch die unwirtliche Gegend bahnte. Sein Pferd schien furchtbar unter dem Mangel an Futter und Wasser zu leiden, denn es schleppte sich kaum vorwärts, und mehr als einmal erleichterte ihm sein Herr die Last, indem er eine Strecke nebenher ging. „Ein verwünschtes Land!" brummte der Mann, stehen bleibend und sich den Schweiß von der Stirne wischend. „Beinahe Abend, keine menschliche Behausung in Sicht, und weit und breit kein Tropfen Wasser in dieser Wüste. Da hört wahrhaftig die Gemütlichkeit auf!" Mit dieser letzteren Bemerkung hate er sehr recht, denn seine Lage war durchaus keine angenehme; fand er nicht bald ein Obdach für sich und sein abgetriebenes Roß, so mußte er sich in dieser endlosen Einöde für verloren hal ten. Und doch verspürte er so gar keine Lust, jetzt schon vom Leben zu scheiden. Nun, er war ja auch noch jung, kaum dreißig Fahre alt und obendrein ein hübscher Mann, groß und kräftig, von sehnigem Körperbau, mit blauen Äugen und tiefdunklem Haar und Bart, was seinem schma len Gesicht einen eigenartigen Ausdruck verlieh. Daß er kein Kolonist und ebenso kein Bur war, zeigte nicht nur sein Aeußeres, sondern auch seine Kleidung, die den euro päischen Ursprung verriet. Ohne des Weges zu achten, schlepvte er sich langsam vorwärts und hatte eben eine kleine Anhöhe, aus einem Steinhaufen gebildet, erreicht, als er plötzlich einen Ruf der Ueberraschung ausstietz. War es eine trügerische Vi sion oder war es Wirklichkeit? Vor ihm — nur wenige Meilen entfernt — stand ein Haus, eine menschliche Woh nung. Wie eine erfrischende Labung wirkte dieser Anblick auf den müden Reisenden, und selbst das Pferd schien die Ruhe eines Stalles zu wittern, denn es spitzte die Ohren und trabte in lebhafterem Gange dem ersehnten Ziele ent gegen. Voraussichtlich war dies nur das armselige Heim eines Buren, ohne jede Bequemlichkeit und — was noch empfindlicher — aller Reinlichkeit entbehrend, die ja be kanntlich die schwache Seite dieses Volkes ist: aber der Wanderer hoffte, hier wenigstens Nahrung für sich und sein Pferd zu finden, und das war für den Augenblick doch Has Allernotwendigste. ... Er Hütte sich jetzt dem Orte bis auf einige Hundert Schritte genähert, als er sich in höchst unerwarteer Weise durch eine Kugel begrüßt sah, die dicht an seinem Kopfe vorbeipfiff. Verwundert schaute er um sich, und nun ge wahrte er auf der Türschwelle des Hauses einen großen, breitschultrigen Mann, der eine Flinte in der Hand hielt, die er in der nächsten Sekunde nochmals abschoß. Dieser Empfang erschien dem Reiter in Anbetracht der Gastfreundschaft, die er zu finden hofffte, ein wenig versprechender, überaus ungemütlicher. Was war dem Menschen nur eingefallen, einen harmlosen, friedlichen Wanderer zur Zielscheibe füe seine Schießübungen zu wäh len? Oder sollte es wirklich eine offene Feindseligkeit be deuten, wie sie in jenen Gegenden zwischen den Buren und Engländern häufig genug vorkom? Auf jeden Fall galt es, sich über die Absichten des Gegners klar zu werden. „Heda! Hallo!" rief er daher, sein Pferd anhaltend. „Spart Eure Kugeln und gönnt mir lieber einen Trunk Wasser, denn ich bin dem Verschmachten nahe." Ehe er noch geendet, drehte sich der andere um und verschwand im Innern des Gebäudes, den Reiter im Zweifel lastend, ob sein Ruf verstanden oder überhaupt gehört worden war. Vielleicht holte er sich noch Patrolen, um den unwillkommenen Besuch dann mit Kaltblütigkeit über den Haufen zu schießen. Dieser Gedanke war mehr als unbehaglich, aber Hunger und Müdigkeit überwogen schließlich doch alle Bedenken, und nachdem der Reiter noch etliche Minuten gewartet hatte, ohne daß der sonderbare Insasse wieder sichtbar geworden wäre, wagte er es, sich dem Hause zu nähern und vom Pferd zu steigen. Die Haustür stand weit offen, aber kein menschliches Wesen zeigte sich — es herrschte eine wahre Grabesstille. In diesem Augenblick verschwand die Sonne hinterdem Hori zont, und die momentane Düsterkeit, die auf die Land schaft fiel, ließ den Reisenden unwillkürlich erschauern. Vorsichtig, die Hand an der Pistole, betrat er das Innere des Gebäudes; doch was er hier sah, ließ ihn be troffen Zurückweichen. In der einen Ecke des Zimmers lehnte eine hohe Ge stalt, die großen, tiefliegenden Augen starr auf den Ein dringling gerichtet. Ihr unheimlicher Glanz und die töd liche Bläste des Gesichtes, die durch den dunklen Bart noch mehr hervorgehoben wurde, ließen den Mann fast wie ein Gespenst erscheinen. Er stand völlig regungslos da, nur die Lippen bewegten sich, obgleich kein Laut über die selben kam. Der Reisende war keine schwachherzige Na tur. aber er empfand doch ein leises Frösteln, als er diese menschliche Gestalt betrachtete, die in dem dämmerigen Raum wie ein Geist erschien. Er faßte sie schärfer ins Auge, und nun erkannte er den Mann, der auf ihn ge schossen hatte. Also kein Geist, vielleicht nur ein Verrückter. Ein paar Minuten schauten sich die beiden stumm an, dann machte die seltsame Gestalt eine zuckende Bewegung und begann zu reden. „Willkommen, Freund!" stieß sie in kurzen, abgerissenen Sätzen hervor. „Tretet nur ein und seid mein Gast- Habt Ihr keine Heuschrecken mitgebracht? Wüßte nicht, Wie wir ohne sie fertig würden. Und ein schönes Land ist hier. Grün wie ein Smaragd. Smaragden — ein, Diamanten! Nur nicht bei mir — ich habe nicht ein einziges Steinchen." „Heuschrecken! Smaragden! Diamanten!" wieder holte der andere erstaunt. „Mir scheist, dem armen Kerl ist eine Schraube los. Was ist da mit ihm anzufangen?" „Nicht ein Stein!" fuhr der Mann in klagendem Ton fort. „Habe alles durchwühlt. Doch halt! Das Auge der Nacht! Kommt Freund, wir wollen gleich hin. Du sollst dein Glück macken!" Seine Mienen erhellten sich plötzlich, und sich der Türe zuwendend, rief er plötzlich: „Dick! Dick!" Auf diesen Ruf erschien ein alter, verwitterter Kaf fer, nur in eine Schafshaut gekleidet. Er warf einen raschen Blick auf seinen Gebieter und sagte dann, sein pergament- gelbes Gesicht in tübselige Falten legend: „Der Herr scheint wirklich krank." (Fortsetzung folgtL '