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Tonnabend den 27. Januar 1917 abends 83. Jahrgang 22 ngl ter ht ku; Auch Italien in schwerer Rot Tie italienische Ctaatseiscnbahnverwaltung hat die Einstellung der Heizung der Personenwagen angeordnet. „Tribuna" erklärt die Maßregel sür über trieben und möchte, daß sich die Verwaltung mit einer Einschränkung des Kohlenverbrauchs begnüge. Das Kriegsernahrungsamt. Sein Zwei» und seine Organisation. Zn der Bereinigung staatsbürgerlicher Bildung und Er, ztehnng sprach Mittwoch im Sitzungssaal des Abgeordneten hauses der Generalsekretär Stegerwald vom Borstand de» Kriegernähr»ngSamtes über Zweck und Organisation des Kriegsernährungsamtes. Der Redner faßte noch einmal die Gründe z»samm-ü, die zu dem aeaenwärtigen System Vorboten der Revolution. Kohlenkrawallc in Frankreich. Wenn Frankreich einen Krieg verlor, dann gab's stets eine Revolution mit furchtbarsten Ausschreitungen »er Massen. Noch ist die Revolution nicht da, aber sie wirft bereits dunkle Schatten voraus: — Bern, 24. Janurr. Wie „Nouvelliste de Lyon" meldet, kam es gestern in Paris zu heftigen Kundgebungen. Infolge der Schwierigkeiten der Koh- ienbeschaffung und der Zunahme der Kälte ist es rugenblicklich kaum möglich, Läden, Bureaus und Werk stätten genügend zu Heizen. Am Place de la Republique protestierten Arbeiter und Angestellte, es bildeten sich Xnsammlnngcn, die ständig größer wurden. Gegen den Sozialisten und ehemaligen Transportminister Sem- iat wurden Schmährufe laut, mehrere Gruppen mrchzogen die Boulevards bis zur Place de l'OPera, oo sie von der Polizei, die schon an anderen Stellen eingegriffen hatte, anseinnnvrrgctricbcn wurden. Auch auf dem Montmartre kam es zu ähnlichen Kundgebun gen. In Erwartung ne:;7r Störungen ließ der Polizei präfekt scharfe Vorbeugungsmaßnahmen ergreifen. Ta England keine Kohlen liefert, wird die Kohlennot immer größer. Eine Reihe bedeutender Pariser Fabriken, die mit wichtigen Aufträgen zur Herstellung des Kriegsbedarfs beschäftigt sind, mußten Mittwoch wegen Kohlenmangels ihren Betrieb ein stellen. — Ter Minister Her riot erklärte zur Kohlennot in der Kammer, er könne keine Wunder wirken. Ter Freisinnssiihrer Miljukow verhaftet? Tas Pariser „Journal" meldet aus Petersburg: Miljukow, der Führer der Kadettenpartei, sott erhaftet worden sein. Seine Verhaftung habe tiefen! Andruck gemacht. Tie Volksstiptmung gegen 'die Reak-! ion besitzt im Großfürsten Nikolaus, dem „langer^ !aps",. dem Oberkommandierenden ' des Skullen-Ein bruchs in Ostpreußen, ost genannt als künftiger Zar, für den der jetzige Zar gestürzt werden sötte, eine« mächtigen Fürsprecher. Ter Großfürst soll sich »rach einigen Meldungen nicht krank in Tiflis, sondern in Pe tersburg aufhalten, wo er auch bei den jüngsten Ereig nissen eingegriffen haben soll. Er scheine auch in Zu- . kunft zu einer immer bedeutenderen Rolle berufen zu sein. x EttUanMVoM^trau Vertuschung der englischen Friedensbewegung. , . Die amerikanische Zeitung „Evening Post" bringt ilnen Leitartikel unter der Ueberschrift: „Tie Unter drückung von Nachri^ten über die Friedensbewegung in England." Es heißt darin: .,^Man muß sich in Amerika darüber Nar sein, daß man über das Anwachsen der Friedenssehnsucht in England nicht richtig informiert wird. Die britische Regierung scheint entschlossen zu sein, die Nachrichten hierüber nicht ins Ausland gelangen zu lassen. Ter Artikel nennt verschiedene Zeitschriften, die die Frie densbewegung unterstützen und nicht nach den Ver einigten Staaten versandt werden dürfen, wo- j bei namentlich die Zeitschrift „Common Sense" er- ! wähnt wird, deren Herausgeber Francis Hirst sich ! als Anhänger der Friedensbewegung bekennt und nicht daran glaubt, daß die englische Finanzkraft den Krieg noch lange durchhalten kann." Weiter wird auf die jüngste Drohung Lord Cur zons Bezug genommen, daß weit größere Beschränkungen per persönlichen Lebensführung und der persönlichen Freiheit auferlegt werden sollen. Das Blatt^fährt dann fort: „Die' bestehenden Beschränkungen haben sich of fenbar auch aus die Uebermittelung von allen Nach richten über dre zahlreichen Friedensversammlungen erstreckt, Pie namentlich im nördlichen England mit Unterstützung der Arbeiterorganisationen abgehalten werden. Nur Nachrichten über solche Friedensversamm lungen werden telegraphiert, die in gewalttätiger Weise von Soldaten gesprengt werden. Nachrichten über die mit Erfolg in großen Hallen abgehaltenen Frie- densversammlungen werden nicht gegeben. , „Evening Post" fügt hinzu, daß die weitreichende , Nacht, die oer Regierung durch das Reichsverteidi gungsgesetz verliehen worden ist, dazu mißbraucht wird, zu verhindern, daß die n utrale Welt Kenntnis be- ' kommt von dem, was in der Minderheit der Bevöl kerung vor sich geht, und davon, daß es überhaupt rine Minderheit mit anderer Gesinnung gibt." > - , le russische Politik hat keiue Grundsätze. ! Schon diese kleinen Irrtümer und Berwechselun- dte den Fürsten Nikolaj Golizyn bei seiner Er- mg zum Ministerpräsidenten begrüßten, bedeuten . mehr als irgend welche zufälligen Entgleisun- eines nicht genügend untemchteten Berichterstat- Sie weisen vielmehr auf die Tatsache hin, daß Auswahl der «Pen verantwortlichen Berater der n längst aufgehört hat, eine Frage grundsätzliche: tscher Erwägungen zu sein. Ein politisches Prin n diesem tollen Wirbel persönlicher, höfischer unt rukratischer Machenschaften und Versuche findet I nicht mehr, was auf dem Boden der Politil ; großen Reiches bittere Tragik bedeutet. las gegenwärtige System bedeutet ein ratloses Hin- und Hcrgreifen. Ter beständige Ministerwechsel in Rußland könnt, whl als ein Suchen nach ernsten Persönlichkeit« itet werden. Wenn dabei Täuschungen unterlau wenn diese Männer zu viel Widerstände finder deshalb nach gewissenhafter Erwägung Besserer machen, so würde das zwar die Schwierigkeit nicht die Unheilbarkeit der Lage beleuchten. S: l aber nicht. Man greift nach irgend einer Persöw !it, die sich die Last einer Verpflichtung ohne Aus auf Gelingen, ohne entsprechende Bewegungsfrck ausbürden läßt. Diese Männer mögen ja die bester chten haben. Aber man muß bei ihnen auch si Kenntnisse der Verhältnisse voraussetzen, daß sü u wissen, wie die Bedingungen eines wahrhaf ichen Wirkens erfüllt und nicht erfüllt Werder en. Treffen diese Voraussetzungen nicht zu, dam man annehmen, daß letzten Endes nur solche Man sich diesem Strudel anvertrauen, die sich durch per- iche Vorteile und Befriedigung ihres Ehrgeizes we- lich mitbestimmen lassen, ohne sich als Bekenner be- mter Grundsätze und Ueberzeugungen zu fühlen, e Schwierigkeit spielt sich hinter de» Kulissen ab. Will man das abgrundtiefe, ratlose Hin- und Her fen erforschen, muß man hinter die Kulissen schauem die Fäden des Ganzen in der Hand halten und n Werkzeuge die auf- und untertauchenden Inha-, der höchsten Staatsämter sind. Wir begegnen dabei ' so undurchsichtigen Verhältnissen, die nur auf dem ,e unkontrollierbaren Klatsches unter ein trügeri- - Licht gestellt werden können. Nicht einmal di, sönlichkeit des Zaren selbst gibt einen Anhalt, da , nicht weiß, in welchen Tingen und wie weit er Geschobene ist. Alles das kann uns auch gleichgül- bleiben. Weit mehr interessiert uns die Tatsache er grenzenlosen, auf völliger Versumpfung be ende Verwirrung. Wir sehen aus der Zerrüttung, Ke die ganze Verwaltung und Wirtschaft Rußlands tiefer und schlimmer als je zuvor geraten ist, daß Aussicht auf eine Wiedergeburt deS Reiches un- telbar nach dem Kriege äußerst gering jst.""Tar ür uns das Wesentliche. Es macht dabei wenig aus der Mann, der der Form nach die Verantwortung st, Stürmer, Trepow oder Golizyn heißt, und ob ei itionär, gemäßigt oder radikal ist. elche Schlußfolgerungen vürsen wir aus der Lage ziehen? Wir müssen uns hüten, aus obigen Erscheinung« „viel zu folgern, indem wir unseren deutschen Maß- an die Verhältnisse anlegen. Tas russische Volk er st unglaublich viel. Wir werden nirgends ein Lant en, wo trotz aller Empfindsamkeit in Staatsgedan- der Begriff des Volkswohls eine so geringe Rolle lt> wie in Rußland, und wo infolgedessen eine bru- Selbstsucht im Kreise der Mächtigen und ihres langes so hüllenlos erscheint wie dort. Merkwürdig st ist, daß gerade dies die Volksmasse gar nicht rregt, wie man bei uns vorauszusetzen Pflegt, son- , als ganz natürlich gefunden wird. Tarum sind für das Zustandekommen einer Revolution in Ruß- ' noch ganz besondere, verwickelte Vorbedingungen rderlich. Ebensowenig soll man von der Not, die der Krieg Rußland hervorruft, etwas Besonderes erwarten. der Fähigkeit zum Dulden verbindet der Russe m naiven Glauben an die Kraft und die Bestimmung s Volkstums, der den nationalen Dünkel des Eng- >ers beinahe hinter sich läßt. Hinzukommt die endete Gewissenlosigkeit der meisten Führenden, die iweilen immer noch ihren Vorteil finden. Aus dem agten läßt sich erstens erkennen, daß die heillose sahrenheit der russischen Zustände an sich noch keine hrscheinlichkeit eines baldigen Zusammenbruchs er- Zweitens müs,en auch die Wwerwilltgen die Un- lichkekt eines russischen Sieges einsehen: und dar werden sich schließlich auch für diejenigen, die Schicksal Rußlands in Händen haben, unabweisbare derungen eraeben. W. W. die Zustände in Rußland. gn der letzten Zeit sind die Nachrichten über serrevolten und Ministerwechsel in Rußland so rasch »ander gefolgt, daß inan sich wundert, wenn die ngen einmal nichts zu berichten habeiz. Tie Mi- präsidentschast Trcpows, der sein Amt mit so stigen Posaunenstößen antrat, um Rußlands sziele der Welt kund zu tun, hat nur wenige m gedauert, worauf wix die seltsame Erscheinung en, daß der neue Ministerpräsident bei Freund feind ern so unbekannter Herr war, daß man sich iber seine Persönlichkeit herumstreiten mußte, ßlich stellte sich heraus, daß der Mann ein ganz rr war, als man angenommen hatte. dev'KriLgSwtrtschäf^pvführt habest'. Man habe nur wähle« können zwischen zwei Uebeln: ' i t , i keine Regelung »der rohe Regelung. sti Natürlich Habe man sich für das zweite entschieden damit vorherein Angüsse aller Jnteressentenschichten mtt in den Kauf genommen. Die Aufgaben des Kriegst ernährungsamtes seien wie folgt zu umschreiben: i s 1. Die Produktion mit allen im Kriege denkbaren und^ möglichen Mitteln zu steigern. , s 2. Die im Jnlande erzeugten uyd vom Auslande ein-i geführten Lebensmittclmengen so zu bewirtschaften, Pa» wir unter allen Umständen bis zur jeweiligen neuen Ernt« damit austomme». j> 3. Die Preispolitik so zu gestalten, daß Erzeuger undj Verbraucher damit bestehen können. ij 4. Aus den Kreisen der Erzeuger die denkbar größten Lebensmittelmengen für die Versorgungsbcrechtigten heraus zuholen. 5. Alle durch die öffentliche Bewirtschaftung erfaßbaren Lebensmittel, möglichst gerecht, an »ie Verbraucher zu verteilen. Mit Zwang, Kontrolle und Strafen allein sei es nicht getan, man werde eine gesunde Kombination zwischen ! zentralisierten und dezentralisierten BewirtschaftungS- j grundsätzen herausbtlden und prüfen müssen, ob nicht bei i manchen Waren die gemeindliche Ablieferungspflicht ! einzuführen sei (Milch, Butter, Eier, Obst). Völlig gleich- ' mäßige Ernährungsgrundsätze für Stadt und Land seien i praktisch nicht durchführbar; man erreiche damit für den ! Städter nichts und wirke gegenüber der Landwirtschaft ! produktionshemmend anstatt wie notwendig Produkttons- ! fördernd. , , Aus aller Welt. 1000 Bergleute vermißt. Nach einem Reute»- bericht fand in einer der Funshun-Kohlengruben ei« Explosion statt. Von den 1188 Arbeitern werden 1000 vermißt. ^Verhängnisvoller Aagdunfall. Der Bürgermet- ter von OPalenitza lud vor Beginn einer TreibjaO ein Gewehr, wobei sich dieses entlud. Ein Treib- unge wurde getötet, ein zweiter Treiber leicht verletzt. " Polizeijagden gegen die Schwarzwildplage. Wegen des Ueberhandnehmens des Schwarzwildes in dem am Osthange der Eifel gelegenen Kreise Mayen hat der Landrat die Abhaltung von Polizeijagden angeordnet. Daran sollen sich alle Jäger des Kreises, die irgendwie können, beteiligen. " Amtlicher Kampf gegen Fremdwörter. Der Regierungspräsident zu Düsseldorf hat an die Land räte und Oberbürgermeister seines Bezirks zum Zwecke der Bekämpfung des Fremdwörterunwesens Ber- deutschungslisten versandt, darin sind etwa 300 häufig Kebrauchts Fremdwörter ausgenommen, für die wir brauchbare Ersatzwörter haben. " Heizbare Kartoffelzüge. Nach Recklinghausen und Düsseldorf kommen in diesen Tagen geheizte Kar toffelzüge. In diesen waren die Kartoffeln bei einer Temperatur zu 2 Grad vor der Frostgefahr geschützt. ** Schaffnerinnen gegen Hosen. Tie Straßen, bahndirektion in München hatte die Entscheidung der Frage, ob nicht den Straßenbahnschaffnerinnen der Dienst erleichtert würde, wenn sie statt Röcke Hosen trügen, den Schaffnerinnen selbst überlassen. Tie Schaffnerinnen haben sich nun in i';rer großen Mehr heit als Gegnerinnen der „Hosenrollen" erklärt. ' — Kirchenbrändc. Tie katholische Kirche in Brud- nia im Kreise Hohensalza (Posen), die ein Alter von 400 Jahren hatte, ist samt ihrem kostbaren In halt an innerer Ausstattung einer Feuersbrunst zmst fer gefallen. — Durch einen Brand im Karthäuser- K (öfter bei Unterrath (Düsseldorf) wurden die Kirche, das Hauptgebäude und verschiedene Nebengebäude nebst Inhalt zerstört. ** Angenehme Zustände. Nach siebenstündigenl Kampfe gegen sechzig Mann Infanterie und Kavab lerie wurde die berüchtigte Räuberbande des Bri ganten Crisafi bei Sciacca auf Sizilien zur Kapitu- lation gezwungen. Ter Ränberhauptmann Crisafi Hal allein zweinndzwanzig Morde auf dem Gewissen. Ei und seine Bande terrorisierten seit Jahren ungestrast den größten Teil der Insel. " Betrügerischer Brotmarken-Trnck. In Dorp münd wurde einem Bäckermeister ein Posten von meh reren Tausend Brotmarken zum Kauf angeboten. Tie fer ging scheinbar auf das Geschäft ein, benachrichtigt« aber auch die Polizei, so daß diese feststellen konnte, daß in der Druckerei von F. R. Ruhfus, die mit der Herstellung der Brotmarken für Il)I7 beauftragt war, nebenher Marken heimlicherweise von einigen Ange stellten und Truckern hergestellt worden waren. Der Maschinenmeister, der die Aufsicht führen sollte, stall dessen aber am gewissenlosesten vorging, ist verhafte! worden, eine Einlegerin jst geflohen. "" Schulfrei Wege» Koksmaiigels. Die Berliner Schulverwaltung yat Montag einige Berliner Ge- merndeschulen vorübergehend schließen müssen, weil es nichr möglich war,d ie Zentralheizung in Stand zu halten. — Es gibt genug Koks in Stralau, die Gas- usw. Anstalten arbeiten glatt. Die Berliner Verwal tung hat es aber nicht verstanden, die Vorräte recht zeitig dorthin zu schaffen, wo sie gebraucht werden. ütü ! se r Stt ! «1 rist iutj