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15. Kapitel. „Es war eine döse Stunde, da wir unsere Augen auf ksculum richteten." „Wollen Sie noch predigen? Schaffen Sie lieber Klarheit. Weiß stand auf. „Wenn Sie nicht Vernunft annehmen wollen, so kann Ihnen lein Mensch helfen," sagten er, und ehe Peter noch ein Wort erwidern konnte, hatte er das Zimmer verlassen. Stöhnend sank Peter in seinen Stuhl zurück. Jetzt mußte er ernten, was er gesät, znrgends sah er einen Aus weg, nirgends dämmerte ein Lichtblick, die Drachensaat hatte reiche Früchte getragen; die ganze Welt hatte sich gegen ihn verschworen, er konnte sich auf niemanden stützen und verlassen. Weil er selbst ein Betrüger war, glaubte er sich von lauter Betrügern umgeben, denn so ist es stets im Leben, die Welt, die wir um uns sehen, ist nur ein Widerschein unseres innersten Wesens — und wie man in den Wald ruft, so schallt es zurück. Der Abschied. Gleich nach dem Frühstück begab sich Hans^zu Olga. Er ging langsam und blickte sich wehmütig nach allen Sei ten um. Eine bisher noch unbekannte Anhänglichkeit an das Schloß und alles, was dazu gehörte, machte sich in seinem Herzen geltend. Wie ost erkennen wir Menschen den Wert eines Be sitzes erst dann, wenn wir ihn verlieren! Er redete sich sogar ein, daß es ihm schwer falle, von dem alten Peter zu scheiden. Hatte er denn nicht bei der Unterredung vor kaum einer Stunde eine Milde und Herz lichkeit an ihm bemerkt, die ein Zeichen seiner freundlichen Gesinnung war? „Es tut mir leid, daß ich dich stören muß," mA diesen Worten war der Alte zu ihm ins Schlaf zimmer gekommen. „Hast du die Beweise gesehen?" fragte Hans und richtete sich mit einem Ruck im Bette auf. „Ja, leider, die Papiere sind in Ordnung." „Es Art mir leid, daß der Betrug begangen ist," sagte Hans ruhig. „Wohl mag die Versuchung für meinen Va- 1er groß gewesen fein, aber es ist so wie der Geistliche am vorigen Sonntag sagte: „Aus einer schlimmen Saat kann keine gute Ernte erwachsen." „Ach was, die werden dafür bezahlt: schlechtes kommt höchstens heraus, wenn's entdeckt wird, das glaube mir, und in diesem Fall ist es so. Für dich ist es am schlimm sten, armer Junge! Schäumen möchte ich vor Wut," fuhr er nach einer Weile fort, „wenn ich daran denke, daß du der Enkel des alten Funke bist, des alten Heuchlers." „Er ist ein ehrenhafter Mensch gewesen." - „So willst du wobl deine Sippschaft noch in Schutz nehmen?" „Meines Vaters Handlungsweise kann ich nicht ent schuldigen, Betrug darf nicht durch Betrug vergolten wer den." „Was soll das heißen?" fragte der Alte aufgebracht. „Ich wollte dich nicht kränken, aber ich habe gehört, der alte Funke hätte sein Gut ehrlich erworben." „Nun, mir hat er den Kaufpreis nicht bezahlt: ich ha be das ganze Rittergut gekauft, einschließlich Tusculum." „Ich will nicht mit dir richten; mir ist lvahrlich nicht nach Zank und Streit im Sinne, ich bin ganz niederge schlagen und gedemütigt. Sobald es geht, werde ich Oer- kedalen verlassen." Einen Augenblick sah ihn Peter voll Rührung an, dann stolperte er aus dem Zimmer. Hans aber machte sich zu seiner Braut auf. - Olga sah ihn kommen und lief ihm entgegen. „So zeitig?" fragte sie in ihrer fröhlichen Weise und setzte dann ernster hinzu: „Aber du siehst recht elend aus, ist dir etwas geschehen?" „Ja, Olga," antwortete er wie geistesabwesend, „es tist etwas geschehen, wodurch alles, alles verändert wird." ^Ast -^Großvater —" begann sie zögernd. „Nein, er ist gesund, nur furchtbar aufgeregt. Olga, es ist ein schwerer Betrug verübt worden." „Wieso? Seid ihr bestohlen?"-fragte sie schnell. Er lächelte schmerzlich, dann sagte er: „Du kannst es doch nicht erraten, Olga, darum will ich's dir sagen . Ich bi« gar nicht Hans Söderström." Alle Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen. „Nicht Hans Söderström?" fragte sie langsam, „wer bist du denn?" „Ein Betrüger — wahrscheinlich der Sohn von Adolf Funke." „Wie ist das möglich?" „Komm in den Garten, ich will dir's ausführlich er klären." Schweigend hatte Olga seinem langen Berichte zuge hört. Schweigend verharrte sie auch, als er geendet. Sie konnte es nicht fassen und begreifen, sie brauchte Zeit, sich von ihrem Schrecken zu erholen. . Hoch oben in den Zweigen zwitscherten die Vöglein; im hellsten Sonnenschein lag die Landschaft vor ihnen aus- gebreitet. Olga blickte wie träumend hinein, dann wand te sie ihr Auge zu ihrem Begleiter und sagte: „Wirst du die Richtigkeit der Beweise anfechten?" „Sie sind echt," gab er zur Antwort, „da hilft kein Wi derstreben, ich kann nichts weiter tun, als mich still fügen und gehen." „Gehen?" rief sie und blickte ihn flehend an. „Hier ist meines Bleibens nicht länger. Auck Groß vater ist Von der Richtigkeit der Nachricht überzeugt." „Und was wird aus mir?" fragte sie schmerzlich be wegt. Einen Augenblick sah er sie stumm an; nie war sie ihm reizender erschienen als in dieser Stunde. „Möchtest du einen Betrüger und Habenichts zum Bräutigam haben?" „Hans, kge dir doch keine Schimpfnamen bei; du hast doch keine Schuld." „Das weiß ich; ich darf aber nicht an unserer Verlo bung festhatten, die unter so ganz anderen Voraussetzun gen geschlossen wurde." „Ich liebe dich nicht weniger, weil du kein Söderström bist," versetzte sie mit Tränen in den Auaen. „Ick) danke dir für dieses Wort, Olga," antwortet er zärtlich, „aber dennoch wirst du mich nicht heiraten kön nen." „Ich habe mich nie nach der Hochzeit gesehnt," sagte sic, träumerisch, „ich wußte, daß Großvater es so wünschte, ich war dir auch von Herzen gut, aber ich mochte nicht da ran denken, immer mit dir vereint zu sein." „So bist du nicht traurig, daß wir uns nicht heira ten?" „Ich weiß es selber nicht; ich möchte dich gern behal ten, ich liebe dich wirklich — nicht so wie man in den Bü chern liest — aber wie einen guten, lieben Bruder." „Und du verachtest mich nicht, weil ich der Sohn eines einfachen Mannes bin?" „Dich verachten?" rief sie.. Sie nahm seinen Kopf zwisc^n ihre beiden Hände und küßte ihn. Hans standen die Tränen in den Augen. „Gott segne dich, Olga," sagte er innig, „du hast mich gelehrt, die Frauen hoch zu achten." Sie legte ihr Köpfchen an seine Brust und weinte: „O, Hänschen," schluchzte -sie, „wäre doch der böse Mann mit den falschen Augen nie gekommen; ich glaube ihm kein Wort." „Ich hatte ihn als Knabe gern." „Ja, Knaben mögen auch Schlangen keiden, und die ser Mensch ist eine Schlange." „Sei nur nicht zu traurig," bat Hans; „das Leben kann nicht immer so eben dahin fließen — vielleicht begeg nen wir uns später einmal, wenn wir wieder glücklich sind." „Gehst du wirklich gleich fort?" Ja, sobald ich alles angeordnet habe." (Fortsetzung folgt.)