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machen mußte. So machte er schnell irgend eine gleich gültige Bemerkung und verließ das Zimmer. In dem Hausflur stand er einen Augenblick still, dann zog er seinen Ueberzieher an und ging aus die Straße. „Endlich." flüsterte er, „endlich." Er kannte genau Weg und Steg und schritt trotz der Dunkelheit rüstig vorwärts. „Hier finde ich mich im Stockfinster« zurecht," dachte er, „fa, die Gegend verändert sich nicht, wohl aber die Menschen." Eine halbe Stunde später trat er ins Schloß. „Ist der Herr zu Hause?" fragte er den Diener. „Ja, aber er ist nicht zu sprechen." „Für mich wird er schon zu sprechen sein; sagen Sie ihm nur, ein Herr aus Australien sei da." „Bitte, wie ist Ihr Name?" „Der Name tut nichts zur Sache. Ihr Herr wird ihn bald genug herausfinden." Einen Augenblick noch zögerte der Diener, dann führte er Adolf in die Bibliothek, und hier, auf demselben Stuhl, wo vor sechs Monaten Robert gesessen, ließ sich Funke nieder und erwartete klopfenden Herzens den Ein tritt des alten Peter Söderström. 8. Kapitel. Abenteuer. Nicht lange nachdem Adolf fortgegangen, war sein Sohn von dem Spaziergang heimgekehrt. Er hatte einen weiten Wea gemacht und war sehr enttäuscht, den Vater bei seiner Heimkehr nicht anzutreffen, am ersten Abend hätte er ihn doch nicht allein lassen sollen. Aber seine Verstimmung hielt nicht lange an. Seit er in der Heimat weilte, war ihm so besonders froh zu Sinn, alles heimelte ihn an, die Gegend, durch die er ge reist, und auch der Nein^ Ort, in dem er jetzt mit dem Vater Aufenthalt genommen. Nicht zum wenigsten trug wohl zu der frohen Stimmung die angenehme Reise gesellschaft des heutigen Tages bei. Olgas anmutiges Bild stand ihm unausgesetzt vor der Seele. „Sie muß ein goldenes Gemüt haben," wiederholte er sich, „das sah man an ihrem Gesicht, vielleicht kennt Hans sie, und er kann mich mit ihr bekannt machen." Er träumte noch eine zettlang weiter, während er trotz der ihm von dem Wirt übermittelten Botschaft auf den Vater wartete. Ms es aber später wurde, forderte die Natur ihr Recht. Er stand auf und begab sich zur Ruhe, und bald lag er in einem tiefen, gesunden Schlaf. Die Sonne schien hell in sein Zimmer, als er er wachte. Wo war er nur eigentlich? Aber bald hatte er sich besonnen und sprang frisch und fröhlich aus dem Bette. „Vielleicht kann ich heute Morgen einen Ritt machen," dachte er vergnügt, „das soll mich an die alten, schönen Kinderzeiten gemahnen." Am Fuß der Treppe traf er den Wirt.- „Bitte, sagen Sie meinem Vater, ich wolle ausreiten," beschieß er diesen. „Was wünschen Sie denn zum Frühstück?" „Das können Sie mit meinem Vater abmachen, wann ist er denn gestern eigentlich fortgegangen?" - „Es war schon ziemlich spät, ich glaube, er wollte alte Bekannte aufsuchen." „Wahrscheinlich," meinte Johann und begab sich in den Pferdestall. Die Luft war rein und klar, ein frischer Wind wehte vom Meere herüber, hoch oben in den Lüften schmetterte die Lerche ihr Jubellied, überall hatte der Lenz seine Wunder ausgebreitet. Wer konnte seinem Zauber wider stehen? Leuchtenden Auges blickte Hans um sich, während er sein Pferd tummelte, und ritt nach dem Dorfe zu. Er war noch nicht weit gekommen, als er links aus einem Feldweg ein Pferd mit einer Retterin in rasender Eile dahinsprengen sah. Er erkannte auf den ersten Blick, daß das Pferd scheu war, und schlug ohne Besinnen den selben Weg ein. Zum Glück ging die Straße geradeaus, so daß er die Dame nicht aus den Augen verlieren konnte. Sie hielt sich glücklicherweise fest im Sattel und tat ihr bestes, das wilde Tier zu zügeln. „Hoffentlich macht der Weg nicht noch scharfe Bie- gnugen," dachte Johann und spornte sein Pserd zu noch rascherer Gangart an. Seine einzige Hoffnung war, das rasende Tier überholen zu können. ' Glücklicherweise war sein Pferd ein vortrefflicher Renner, es schien die Absicht seines Reiters völlig zu ver stehen und jagte mit Windeseile dahin. Vorwärts — nur immer Vorwärts! — Mit Wonne erkannte Johann, daß die Entfernung zwischen ihm und der Reiterin immer geringer wurde. „Halten Sie sich fest!" rief er ihr mit lauter Stimme von weitem zu. Sie schien seinen Ruf verstanden zu haben, denn sie klammerte sich noch fester an ihr Pferd, wenn sie sich auch nicht umzublicken wagte. Während Johann näher kam, glaubte er die schöne Reisegefährtin vom vergan genen Tage wiederzuerkennen. O — ihr Leben retten zu dürfen, wäre ungeahntes Glück! x Jetzt machte die Straße eine kleine Biegung, und eins Sekunde lang entschwand die Dame seinen Blicken. Da sah er in der Ferne einen großen, mit Steinen beladenen Lastwagen. „Das kann ihr Tod sein," schrie es in seinem Herzen, „das rasende Tier wird nicht ausweichen können, und dann — werden Roß und Reiterin unrettbar zer schmettert." Fester drückte er dem Pferde die Sporen ein. „Und wenn es mir den Hals kosten sollte," stöhnte er, „ich mutz sie retten — o mein Gott, sie ist es Wirklich!" „Halten Sie sich fest!" rief er wieder laut, „ich bin so gleich bei Ihnen," und wirklich war er im nächsten Augen blick an ihrer Seite. Als hätte das Tier Menschenverstand, so schnell ge horchte es seinem Herrn, es hielt dicht neben dem Aus reißer, während Johann die zarte Gestalt der junge« Dame umfaßte. „Lassen Sie die Zügel los," flüsterte er, „und dann überlassen Sie sich mir." Im nächsten Augenblick schon hatte er sie aus dem Sattel gehoben und sie vor sich auf sein eigenes Pferd gesetzt. „Bist ein braves Tier," liebkoste er sein edles Roß, das sofort einen langsamen Schritt annahm, dann wandte er sich an Olga, die sich wie mechanisch an die Mähne des Pferdes klammerte, und sagte: „Lassen Sie los und schließen Sie die Augen." Sie gehorchte, und gerade zur rechten Zeit gleich danach stürzte sich ihr Pferd in seinem tollen Lauf gegen den schweren Wagen und wurde zu Boden ge schleudert, wo es starr und leblos liegen blieb. Selbst Johann waren bei diesem Anblick beinahe die! Sinne vergangen, aber die Dame in seinen Armen bedurf te seiner vollen Aufmerksamkeit. Nun die furchtbare Spannung zu Ende war, schien sie einer Ohnmacht nahe. „Wenn irgend möglich, so behalten Sie Ihre Fas sung," bat er. Als Antwort schmiegte sie sich noch dichter an ihn; er fühlte ein tiefes Erbarmen bei dem Gedanken an die Angst, die,sie ausgestanden. „Geht es Ihnen jetzt besser?" fragte er nach einigen Minuten voll zärtlicher Besorgnis. Sie schlug die Augen zu ihm auf und lächelte. „Es tut mir leid, daß Sie keinen bequemeren Platz haben, aber ich kann Ihnen keinen besseren bieten." „O," antwortet sie, „wie kann ich Ihnen je genug danken?" „Ich danke nur Gott," sagte er einfach, „daß ich das^ Glück hatte, ein schnelleres Pferd zu retten als SiF. Wo durch scheute denn Ihr Pferd?" „Ich weiß es auch nicht," entgegnete sie schaudernd. „Es kam so plötzlich." „Es wird sie nieder in Gefahr bringen," begann Jo hann und schwieg dann schnell. . . (Fortsetzung folgt.).