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Wen-stiin-e j WeiSrnttL-ZMimg McksUM 1 Der Erbe von Oerkebalen. Roman von Silas Hocking. L4I (Nachdruck verboten.) „Ich hätte es wissen müssen/ fuhr Olga fort, „daß im Frühjahr die Flut viel stärker ist/ „Ende gut, alles gut/ beschwichtigte Hans und fühlte, daß er ihr Vorwürfe machen müsse, und doch gewann er es nickt über sich, ihm war selber so schuldbewußt zumute. „Bin ich dir zu schwer?" fragte sie, als er schweigend weiterschritt. „O nein/ entgegnete er, wie aus einem Traum er wachend, „ich könnte dich bis zum Schloß tragen/ Aber er wurde unwillkürlich rot dabei, denn eine Stimme in sei nem Innern flüsterte: Lieber würdest du Dora tragen, — und er wußte auch, daß die Stimme recht hatte, und so fehl er dagegen ankämpfte, er mußte unaufhörlich daran Lenken, wie seltsam es ihn durchschauert hatte, während Doras Haupt an seiner Brust geruht. War nicht Olga seine Verlobte Braut, die Eine, die ihm mehr wert sein sollte, als alles auf der Welt? Hatte er sich denn geirrt? Nein, nein, das konnte und durfte nicht sein. Er liebte Olga, — das andere war Wahnsinn — Raserei! „Ich will nun gehen und den Wagen mitbringen/ sagte er, als sie die Herberge erreicht hatten. „O ja, und auch das Mädchen soll mitkommen/ Er eilte davon. Eine Stunde später hielt der Landauer vom Schloß vor der Schenke. Die alte Frau Julia war ganz aus dem Häuschen übev die Ehre, die ihr widerfuhr. Sonst hatte höchstens ein Pächterfuhrwerk vor ihrer Tür gehalten, und letzt durste sie die herrschaftlichen Pferde mit dem silbernen Beschirr und den Kutscher in seiner Livree in nächster Nähe zu bewundern. In der kleinen Schlafstube, die über der Wirtsstube Lag, herrschte fröhlich geschäftiges Treiben. Das Stuben mädchen hatte in der Eile die unglaublichsten Kleidungs stücke zusammengerafft, und es machte den jungen Mädchen viel Spaß, dieselben so gut als möglich zu verwenden. Das fröhliche Gelächter, das durch die Decke schallte, beruhigte Hans außerordentlich. „Es scheint ihnen nichts geschadet zu haben/ bemerkte Ler alte Wirt, „ja, ja, unser Salzwasser tut keinem Men schen was/ „Hoffentlich kommt nicht noch eine Erkältung nach/ meinte Hans. „Meine Frau sagte, die andere Dame, nicht Fräulein Söderström, hätte furchtbare Wunden an den Füßen/ „Ach, das wußte ich nicht/ sagte Hans betroffen. „Sie mußte über die spitzen Felsen klettern." ff „Ich dachte, sie wäre geschwommen." " „Ja, das ging nur stellenweise." Hans schwieg. Der Gedanke, das Dora um Olgas willen litt, bewegte ihn tief. Sie hatte Leben und Gesund heit aufs Spiel gesetzt, um seiner leichtsinnigen kleinen Braut willen. „Sie ist Wohl eine Freundin von Fräulein Söder ström?" fragte der Alte. „Von heute an, ja," antwortete Hans ernst. Draußen auf der keinen Holztreppe hörte man jetzt Schritte, und hastig eilte Hans hinaus. „Um mich brauchst du dich nicht zu sorgen," rief ihm Olga schon von weitem zu, „aber Dora kann kaum vor wärts, sie will es nur nicht gestehen, wie schwach sie ist." In der Tat konnte die mutige Retterin sich kaum von der Stelle bewegen und nahm Hans' Hilfe dankbar an. Er trug sie in den Wagen, wieder mit jenem Gefühl von Se ligkeit, das ihn schon vorhin beschlichen, und dann konnte er sie ungestört arcklicken, denn sobald sie sich in die Kissen des Landauers zurückgelehnt, schloß sie die Augen. Olga war viel zu sehr um ihre Retterin besorgt, um an ihren Bräutigam zu denken; sie gehörte auch nicht zu den Bräuten, die fortwährrnd Aufmerksamkeiten für sich beanspruchen. Aeußerlich erschien Hans ruhig, aber dabei bebte in ihm jeder Nerv. Ein neues Element war in sein Leben getreten, — war's zum Glück oder Unglück? Vorläufig quälte ihn ein unbestimmtes Gefühl, das peinigende Be wußtsein, daß er einen Verrat an Olga beging. Das Ende der Fahrt kam viel zu schnell — er hatte ihr stundenlang so gegenüber sitzen können. Als der Wagen vor der Villa Gudrun hielt, richtest: sich Tora auf und öffnete die Augen. „Bist du es, Kind?" fragte die herbeigeeilte Tante, „Gott sei Dank, wie habe ich mich um dich geängstigt, — und ich dachte, du wärest verunglückt." „Ohne die Dazwischenkunft Ihrer Nichte wäre auch ein schweres Unglück geschehen, sie hat meiner Braut das Le ben gerettet," sagte Hans. „Ich tat es gern," sagte Dora errötend. Fräulein Anna rang die Hände vor Schrecken, Olga bestand nun darauf, Dora ins Haus zu begleiten, und Hans mußte ihr, wie vorhin, seine Hilfe angedeihen lassen. - „Morgen wird alles wieder gut sein," sagte Dora lächelnd, als sie in der Tante sorgenvolles Gesicht sah. „Ich bin nur leicht verletzt." „Sie hat sich mehr Schaden getan, als sie sich merken läßt," fiel Olga ein. „Wir lassen den Arzt holen," schlug die Tante vor. „Nein, Tante, das ist nicht nötig," versetzte Dora, wäh rend sie sich in einen Lehnstuhl niederließ, „gieb mir nur eine Tasse Tee, dann will ich schlafen gehen, und morgen ist alles wieder gut." Olga küßte ihre Lebensretterin zärtlich zum Abschied» und Hans hielt ihre Hand lange in der seinen. So endete die denkwürdige Begebenheit, die sich jedem einzelnen der Beteiligten für alle Zeiten fest ins Gedächtnis prägte. 10. Kapitel. 7" Gute Vorsätze. Olga fühlte sich am folgenden Tage frisch genug, um, mit ihrem Bräutigam einen Dankcsbesuch in der