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.—...— —— — Z! Mv M WttzalH-HMM L. 5 Montag den 8. Januar 1817 abends 83. Jahrgang Die Ereignisse nehmen ihren Fortgang. Wieder suchen England und Frankreich ihr Opfer durch Hun ger und Drohungen zu dem letzten Zugeständnis — der Auslieferung des Kriegsmaterials und zur In ternierung der Armee auf dem Peloponnes — zu bringen. Wird Griechenland gezwungen, auch diese Forderungen zu erfüllen, dann würde das gequälte Fand gebunden zu den Füssen der Entente liegen, dann, könnte Briand sein Ziel als erreicht betrachten, denn nach anderthalbjährigem Kampfe wäre Griechenland „zu Boden aerunaen"! los wird?", so könnt? ver ganze Verband wle etn Kartenhaus zusammenstürzen. — — Dieser Gedanke spreche auch dagegen, daß der Verband seine Bedin gungen jetzt anders als in ganz allgemeiner Form entwickeln solle. Jedes Verbandsmitglied habe ge wisse Mindestforderungen, der.n Erfüllung der Ver band verpflichtet sei, zur Frtedensbedingung zu machen, und gewisse Höchstforderungen, auf die es zum Teil größten Wert lege, deren Befriedigung aber vom Ver lauf und Ergebnis des Krieges abhängen müsse und in vollem Maße für alle nicht wahrscheinlich sei. Wolle man jetzt Einzclbedingungen nennen, so Müsse man die H ö ch st forderungen aller aufführen oder etwas weniger. Im ersteren Falle würde man den übelsten Eindruck auf die Neutralen machen und die Stellung der Negierungen der Mittelmächte ihren Untertanen gegenüber stärken; im zweiten Falle der Uneinigkeit im Verbände Tür und Tor ösfnen." Ihre „einzigen Bedingungen?" Wie Reuter erfährt, wird die Antwort der Al liierten an Wilson vielleicht erst einige Tage, nachdem das Dokument den Präsidenten erreicht hat, veröffent licht werden. Zurzeit unterliegt es noch einigen leichten redaktionellen Aenderungen. Während die Antwort an Deutschland nochmals die Bedingungen aufzählte, die nicht angenommen werden würden, kann erwar tet werden, daß die Antwort an Wilson weitergehen und in genauerer Fassung die einzigen Präliminarien angeben wird, unter denen die Alliierten bereit sind, zu unterhandeln. wachten doch England und Frankreich nicht daraüj einen so mühelos erworbenen Besitz wieder aufzugeben. Sie richteten sich im Gegenteil in Saloniki häuslch ein und begannen ihre unfreiwilligen Gastgeber für eigene Zwecke auszubeuten. Ihre Linien wurden nach Osten und Westen weit vorgeschoben, die griechi schen Festungen besetzt, das Vorgefundene Kriegs material beschlagnahmt. Königstreue griechische Beamte und Offiziere wurden entfernt. Im November 1916 wurde durch ein Ultimatum die Uebergabe der mazedonischen Eisenbahnen erzwungen, immer noch mit dem Versprechen der Entschädigung. Einige Wochen später setzte die Entente ihrem völkerrechts widrigen Vorgehen in Mazedonien die Krone auf, indem sie die Konsuln der Mittelmächte in Saloniki verhaftete, auf ihren Kriegsschiffen nach Marseille führte und längere Zeit gefangen hielt. Tie Konsu latsgebäude wurden beschlagnahmt, die Akten durch sucht, das Privateigentum der Konsuln verkauft. Hieran schloß sich eine förmliche Treibjagd auf die Staatsangehörigen der Mittelmächte, die verhaftet, ge fangen und teilweise beseitigt wurden. Nacheinander wurden die Inseln Chios, Mytilene, Korfu, Zante und Kreta besetzt. Deutsche wurden festgenommen, aus geplündert und verschleppt. Auch griechische Staats bürger nahm matt gefangen. Ter Kreis um Alt-Griechenland wurde immer en ger gezogen. Tie Regierung in Athen suchte man durch die drohenden Mündungen der englischen und fran zösischen Schiffsgeschütze einzuschüchtern. Das ganze Land war von einem Heer von englischen Agen ten und Spionen überschwemmt, die nicht nur Propaganda für eine venizelistische Republik trieben, sondern auch vor Gewalttaten nicht zurückschrcckten. So haben sie in Athen aus offener Straße einen ihnen unbequemen Griechen erschossen. Tie bulga rische Gesandtschaft wurde durch ein Bombenatten tat stark beschädigt. Tie für die deutsche und tür kische Gesandtschaft bestimmten Bomben konnten noch rechtzeitig aufgefunden werden. Durch Anhalten der Lebensmittelfchifse, BlockierenderHäfen und son stige Drangsalierungen des von ausländischer Zufuhr abhängigen Griechenlands setzte die Entente jedwede ihrer Forderungen durch. Bald saßen englische Be amte in den Zollämtern, andere bewachten die Bahn höfe. Den Transport von Oel und Benzin auf grie chischen Bahnen hatte England z. B. verboten, so daß selbst die griechischen Behörden eines Erlaub nisscheins der englischen Gesandtschaft bedurften, um das notwendige Benzin versenden zu können. Als alle diese Maßnahmen nicht genügten, um das Land mürbe zu machen, und die Griechen auch wei terhin allen Einladungen, selbst den „bulgarischen Erbfeind" aus ihren Gebieten zu vertreiben, zurück wiesen (Gebiete, die England und Frankreich selbst den Bulgaren angeboten hatten, um diese sür sich zu gewinnen), da griff die Entente zu noch schär feren Mitteln. Was sie im Sommer 1916 sich gegen über dem neutralen Königreich geleistet hat, steht in der Weltgeschichte einzig da. Eine solche Unsumme von Verstößen gegen das Völkerrecht, von feiger Aus nutzung der Uebermacht und von Unterdrückun gen gegenüber einer kleinen, wehrlosen Nation, die nur das Verbrechen begangen hatte, „neutral" zu bleiben, i stbisher noch nicht dagewesen. Durch Ultimatum wurde der Rücktritt der Ne gierung, die Auflösung der königstreuen Polizei, die Entfernung des Chefs des General- stabcs, die Auslieferung der Bahnen, der i Telegraphen, ja schließlich der griechischen Flotte er- I zwangen. Gegen die griechische Verfassung wurde die Postzensur eingeführt und von englischen und fran- zösischen Beamten ausgeübt. Dazu wurde das Brand- Attentat gegen das Könlgsschloß Tatoi inszeniert, dem die königliche Negierung nur mit genauer Not entgingj. Im September wurde die Ausweisung einer An- - zahl angesehener deutscher und österreichisch-ungarischer Staatsangehöriger erzwungen, und im November, um j das Werk zu krönen, die Abreise der Gesandtschaften der Mittelmächte durch militärische Bedrohung durch- i ! gesetzt. Nm kein Mittel unversucht zu lassen, brachte man Ende September Venizelos auf einem Kriegsschiff der - Entente nach Kreta und von dort nach Saloniki, wo ! er eine revolutionäre Gegc »regier ung gründete, die ihr kümmerliches Dasein unter dein , § Schutze der Sarrail-Armee und der englischen Flotte ; fristet. Selbst das von französischen LandungSabtci- ! lungcn terrorisierte Athen hat diese Bewegung nicht ! unterstützt. Ein zweiter N e v o l u t i v ns ve r s ii ch im Dezember vorigen Jahres scheiterte an der köniastreuen Haltung der Armee, doch ließ die Entente es sich nicht l nehmen, anläßlich dieser von ihr inszenierten Nn- ruhen die griechische Hauptstadt zu beschießen, wobei j namentlich das königliche Palais zum Ziel genom men wurde. Die Vergewaltigung Griechenlands. Bei Ausbruch des Weltkrieges war das unabhän gige Königreich Griechenland, welches im letzten Jahr zehnt in zwei glücklichen Kriegen sein Gebiet ver doppelt hatte, nur von dem einen Bestreben beseelt, seine Neuerwerbungen auszubauen und sich selbst im Innern zu festigen. Tas ganze Land begrüßte deshalb freudig den Entschluß seines Königs, bis zum Ende des furchtbaren Völkerringens neutralzu bleiben, damit nicht das eben erst aus dem Kriege heimge kehrte Volk von neuem sein Gut und Blut opfern müsse. Wohl war die allgemeine Sympathie der Griechen aus feiten der Entente; aber Griechenland war ent schlossen, das Leben seiner Söhne nur für eigene Ziele hinzugeben und nicht für andere Opfer zu bringen. An diesem, aus freiem Selbstbestimmungs recht geborenen Entschluß scheiterten alle Ueberredungs- künste der Entente. Als England das Tardanellen-Abenteuer begann, hatte es sich die Gefolgschaft des griechischen Volks- Verführers und damaligen Ministerpräsidenten Ve nizelos gesichert, der nunmehr als englischer Agent ohne Rücksicht auf die Interessen seines Paterlandes wirkte. Tas griechische Volk war jedoch gegen eng lische Versprechungen mißtrauisch. Tas ersehnte Ziel: „Byzanz" konnte man ihm nicht in Aussicht stellen, da es bereits dem russischen Bundesgenossen ver sprochen war, und die weiten Gefilde Kleinasiens, mit denen man Griechenland zu ködern suchte, er schienen ihm doch ein allzu unsicherer Besitz. Unter Zustimmung der großen Majorität des Volkes ent schied sich der Kronrat für Neutralität, und der Mini sterpräsident Venizelos mußte vom.Amte zurücktrcten. Auf gütlichem Wege ließ sich also Griechenland nicht in die Arme der Entente treiben; unsere Feinde scheinen nach diesem diplomatischen Mißerfolg be schlossen zu haben, mit Gewalt zu erringen, was durch Ueberredung nicht erreichbar schien. Für die „Be schützer der kleinen Nationen" war es allerdings keine ganz einfache Aufgabe, das neutrale Land ohne allzu auffällige Zwangsmaßnahmen zum Mitgcheu zu nöti gen. Ter Truck mußte langsam und vorsichtig aus geübt werden, damit die Entrüstung des griechischen Polkes keinen allzu lauten Widerhall in der Welt fände. Einige im Vergleich zu den späteren Ereig nissen kleine Uebergriffe leiteten diese Politik ein: die Verhaftung und Fortschleppung einiger deutscher Kaufleute auf griechischen Inseln und die Besetzung von Lemnos durch die Entente, die wohl in der Hauptsache im Hinblick auf die russischen Tar- danellenwünsche geschah. Als der Entente der Boden auf Gallipoli zu Heitz zu werden begann, benutzte sie unsere Offensive gegen Serbien als Anlaß, um sich in Griechenland festzusetzen. Im heimlichen Ein verständnis mit dem inzwischen wieder zum Minister präsidenten erhobenen Penizelos, aber gegen den Willen des Königs und der griechischen Negierung er schien die Entente vor Saloniki und landete dort Truppen mit der Begründung, daß sie Ser bien, ihrem und Griechenlands Bundesgenossen, zu Hilfe kommen wolle. Unbestimmte Zusicherungen über die Wahrung der Integrität Griechenlands und über Entschädigungen für den entstandenen Schaden soll ten diesen unerhörten PvlkerrcchtSbruch verschleiern. Tie griechische öffentliche Meinung empörte sich zwar gegen diese Vergewaltigung, Venizelos mußte ein zwei tes Mal demissionieren, aber unter der Drohung der englischen Kanonen fügte man sich zähneknirschend.- Obwohl nach der Vernichtung Serbiens nicht ein mal der Schein eines Grundes für die Entente mehr vorlag, sich in Griechisch-Mazedonien festzusetzen und dies unglückliche Land zum Operationsgebiet zu machen, Nach einer v »„Handelsblad" ist »Wilson, wie berick umann Eng Ä Kor-- eind- i den lthen > von hntt- Wilson ist nicht entmutigt Er will noch weitere Stritte wagen. jetzt - der iS iw g W n 7 Uhr; V.B. ZmiÜ gespannt erwartete Antwort an Wilson ablehnt oder annimmt. Hauptsache ist, daß sie Aufklä rung über die zehnverbändlerischen Frie densbedingungen bringt, und das ist wiederholt in Aussicht gestellt worden. ! i l Tie „Liga ver Nationen"« ' Die „Westminster Gazette", das Blatt des frühe ren Premierministers Asquith, schreibt: „Es ist zu hoffen, daß tzie Antwort der Verbündeten an Wil son so ausführlich abgefatzt ist, daß sie die öffentliche Meinung in Amerika überzeugen kann. Eine kurz und einfach ablehnende Antwort würde dazu aber nicht auS- retchen. Den Amerikanern erscheinen in dem ganzen Streit am wichtigsten die Mittel, die nach dem Kriege ergriffen werden sollen, um eine Wiederholung eines derartigen Krieges zu verhindern, und sie glau ben, daß ihr Präsii«nt, als er sich für die Idee eines Völkerbundes einsetzte, etwas in Vorschlag brachte, das für die Welt wirklichen Wert haben kann. Tie Ermutigung, die Lord Grey seinerzeit den Neutralen zuteil werden ließ, diesen Vorschlag schon während des Krieges auszuarbeiten, hat in Amerika herzlichen Eindruck hinterlassen, und vielleicht dürfte eine ent gegenkommende Anlehnung an diese Pläne des Prä sidenten der beste Wvg sein, um unserer prinzipiellen Ablehnung das Verständnis des amerikanischen Volkes kes zu sichern." Der Reichskanzler hat bekanntlich in seiner letz ten Note an Wilson die Verhandlungen über diesen Völkerbund während des Krieges abgelehnt. Jetzt wol len offenbar die Engländer diese Lieblingsidee Wil sons dazu benutzen, sich seine Freundschaft zu sichern. Ter euglische Botschafter in Amerika geht. Nach einer Meldung des Washingtoner Korrespou- tzienten des „Daily Chronicle" sind dort Gerüchte im Ulmlauf über den bevorstehenden Rücktritt von Sir Necil Spring Rice. Tic „Newhork Times" be- mrerkt hierzu, daß es für einen neuen Botschafter schwer sein wird, sich der amerikanischen Negierung so angenehm zu machen, wie es Rice infolge seiner Er fahrung und seiner Persönlichkeit gelungen ist. — Je denfalls wird man aus diesem Wechsel allerlei Fol gen zu erwarten haben. Was England bieten will. Eine Andeutung dessen, was die Engländer in Uhren Bedingungen an Wilson sagen werden, ist wohl »u finden in einer Auslassung des Londoner „Evcning Standard": „Preußen sei geschlagen, aber diese Tatsache werde tzveder von der großen Masse in Deutschland noch vom Wolke in den Straßen Londons und Newhork erkannt, Reils der Kriegskarte wegen, teils weil die Verbauds- miächte noch keinen wirklichen Versuch gemacht hätten, »ich als Sieger zu gebärden. Es sei hohe Zeit, daß Neu trale und Kriegführende dies endlich begriffen. Tie Mache verhalte sich einfach so: Tic Berbandsmächte seien überzeugt, daß sie binnen kurzem Deutschland tine vernichtende Niederlage beibringcn würden. Tes- Dalb biete man den Deutschen jetzt den Frieden auf ver Basis der Herausgabe von E ls n ß - L o th r i u g e n »nd seines sonstigen Raubes, des Verlustes »einer Kolonien und der Zahlung einer ent brechenden Kriegsentschädigung, während seine Merbündeten sich mit Rußland auseinanderzu- ktzen hätten. Würden diese Forderungen jetzt znrttck- Uewiesen, so gehe der Krieg bis zur Erschöpfung »eiter, und die Rechnung steige dementsprechend." k Wie anders malt sich doch die Welt in diesen Köpfen!! t So einfach ist's mit den „Bedingungen" nicht. I Ter Sozialist Bernhard Shaw zeigt in seiner Zeit schrift „New Statesman" die böse Zwickmühle, in der Der Zehnverband mit seinen Friedensbedingungen sitzt: U „Bei der Verschiedenheit der Einzelintcresscn sei- Mr Mitglieder, die sich sogar zum Teil widersprächen, Mmme alles auf das gegenseitige Vertrauen an. Würde Des erschüttert, würde eine besondere Berücksichtigung Mr Interessen eines Mitgliedes oder einer Gruppe Dirch Deutschland von der Presse oder der öffent- Mchen Meinung so aufgenommen, daß damit auf einen Monderfricden hingedeutet werde, würde zum Beispiel Duowdens (Arbeiterführer in England, jetzt Minister) Muf: „Warum sollte England weiter kämpfen, da- Dit Rußland Konstantinopel erhält ?" in Eng- Dnd erheblichen Widerhall finden, oder in Rußland der Mif: „Warum sollte Rußland weiter kämpfen, damit Mngland die Bedrohung durch die deutsche Flotte Nach einer Londoner Meldung des Amsterdamer man dort der Ansicht, daß, wenn »Wilson, wie berichtet wird, seine Frtedensaktton oeisel vurch einen Senatsbeschluß .rechtfertigen und stützen lassen will, dies als Beweis dafür angesehen werden muß, daß Wilson die Absicht hat, noch wei tere Schritte zu unternehmen. Ebenso sicher scheint der Londoner Quelle des genannten holländischen Blattes zu sein, „daß die Antwort der Verbündeten an Wil son, die wahrscheinlich Freitag abgeschickt werden wird, in notwendiger Folge der Tatsache, daß die an die Zentralmächte gesandte Antwort ablehnend war, im selben ablehnenden Sinne verfaßt sein wird." Darauf aber kommt es gar nicht an, daß diese