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ver Vrs«>ng. Plauderei von Georg Hru-e. (Nachdruck verboten.) „Ist der Finger beringt. So ist die Jungfer bedingt.* O glückseliger Augenblick, wo das Herz sich dem Her zen bindet. Fürs ganze Leben vereinigen sich zwei Lie bende, um von nun an ein einziges Ich zu bilden; an der Hano trägt jeder von ihnen das Zeichen dieses Willens, b is Symbol ihres Bundes: den Trauring. Heilig ist er jedem edlen Paare, Mann und Frau trennen sich nie von ihm. Oft bezeichnet schon der goldene Reis den SM der Verlobung, und mit Stolz betrachtet der funkelnde Mäd chenblick den köstlichen Schmuck. Welcher Dichter vermag die Empfindungen einer holden Mädchenseele bei seinem Anblick zu schildern? Was sie fühlt, ist eitel Poesie — wenn unsere Wissenschaft erst so weit wäre, daß sie Empfin dungen photographieren könnte, welche Bereicherung un serer Lyrik würde das sein! Darum spielt auch der Ring eine so bedeutsame Rolle in den Ergüssen unserer großen Dichter. „Dieses Röslein zu besitzen, Möcht ich Liebchens Finger sein —* ruft der eine beim Erblicken des Geschmeides: ein an derer läßt das holde Mädchen sagen: „Du Ring an meinem Finger, Mein goldenes Ringelein, Ich drücke dich fromm an die Lippen, i Dich fromm an das Herze mein. Du Ring an meinem Finger, l Du hast mich erst belehrt, Hast meinem Blick erschlossen, ' j Des Lebens unendlichen Wert." . (Chamisso.) l Gin andermal klagt der Verlobte: s „Sie hat mir Treu versprochen, Gab mir ein'n Ring dabei; Sie hat die Treu gebrochen, Das Ringlein sprang entzwei." (Eich-udorff.) > Auch Stimmen der Warnung werden laut: . „Wer sich von dem gold'nen Ringe , Gold'ne Tage nur verspricht, Ei, der kennt den Lauf der Dinge Und das Herz der Menschen nicht." Freilich, ost reißt mit dem Gürtel und Schleier der schöne Wahn entzwei, doch wer wollte solchen Gedanken Raum geben in der Stunde des seligsten Glücks? Da ist uns der Ring ganz, was er sein soll, das Sinnbild der Treue und der unzertrennlichen Verbindung. Wir fragen auch nicht danach, weshalb es so ist, ob es immer so ge wesen in und warum es gerade ein Ring und noch dazu ein goldener sein muß. Aber wir nehmen es auch nicht übel, über die Frage aufgeklärt zu werden, und in der Tat ist der Bescheid darauf nicht wenig interessant. Dem Ringe haftet von jeher etwas Mystisches an, wie der Kreisform im allgemeinen. Der Kreis erscheint als Symbol des Ewigen, Unendlichen, selbst wilde Völker hul digten vielfach dieser Anschauung. „Tod und Leben waren Kreise, Weiß war's Leben, schwarz der Tod war," heißt es in Longfellows „Hiawatha", und auch die Liebe Wird darin mit der Kreisform in Verbindung gebracht: „Und die letzte der Gestalten War ein Herz in einem Kreise, Mit dem Zauberkreis umzogen, Dieses Bildnis soll dir sagen, Offen liegt dein Herz ja vor mir, Zu dem offnen Herzen flüst're ich." D:e Benutzung des Goldes als Ringmasse aber soll di: heilige Bedeutung noch verstärken. Gold bedeutet Treue und Wahrhaftigkeit. Die alten Skandinavier schwuren auf goldene Ringe, und Wara, die Göttin der Eide, schrieb aus goldenen Tafeln die von Mann und Weib einander gege benen Treuegelöbnisse. „O Wara hehr. Die den Griffel du führst um Land und Meer, Und Eide schreibst auf goldenen Scheiben» O laß die Posse, laß das Treiben! Die Scheibe füllst du mit eitel Lug, Zu gut ist das GoD für solchen Trug," - Nagt bitter der sich von JngÄborg verraten glaub ende Frithjof. (Legners, Frithjofsage.) „Stoff und Form vereint» gen ftch im goldenen Trauring zu einer symbolischen Beden» tung," und der vierte Finger der linken Hand, der dar nach als Goldfinger bezeichnete, ist sein Platz. Denn schon nach alter, ans römischer Zeit stammender Ueberlieferung soll von diesem Finger eine Ader gerade nach dem Her zen gehen. Schön, wahrlich, ist dieser Glaube, erhaben diese Sitte. Und doch müssen wir hier die Anschauung zerstören, als sei die Bedeutung des Ringes immer dieselbe gewesen. Der Trauring, verehrte Leserin, hat einen ganz anderen, kei neswegs erhebenden Ursprung. Das Wort, von dem er sich herschreibt, lautet mißtönend in die Ohren einer edlen und selbstbewußten Frau, es schneidet in das Herz einer Zett, in welcher die Frauen sich zur gemeinsamen Er oberung ihrer Gleichstellung mit den Herren der Schöpfung erhoben haben. Der Trauring ist ein Ueberbleibsel aus einer Periode, in welcher die Frau eine noch n>tt, weit untergeordnetere Rolle spielte, als dies nach den^glühen- den Darlegungen unserer Vorkämpferinnen der Frauen rechte selbst gegenwärtig der Fall ist. Er stammt aus der Zeit des. Frauenkaufs, wo noch die Frau die Sklavin des Mannes war, Ler ihr Leben in seiner Gewalt hieU. Entweder raubte der Mann die Frau, vor allem in Ge genden, wo die Frauen nicht häufig waren oder Vielweiberei herrschte. Man denke nur an den Raub der Sabinerinnen oder an den Raub der Töchter Silos durch die Benja- miniten (Buch der Richter, 21). Oder er kaufte sie von ihrem Vater und erwarb damit wieder das Recht, sie auch seiner seits weiter zu verkaufen, wenn es ihm beliebte. Der Preis für die gekaufte Frau bedeutete die Entschädigung des Besitzers, des Vaters, für den wirtschaftlichen Verlust, den er erlitt. Der Frauenkaus war im Altertum ganz allge mein. Jakob z. B. kaufte Lea und Rahel von Laban, indem er sieben Jahre um jedes der Mädchen diente. Auch heute ist der Frauenkauf noch durchaus kein über wundener Standpunkt, sondern findet sich in mehr oder minder augenfälliger Form bei zahlreichen wilden Völ kern, ja sogar bei halbkultivierten, wie Chinesen und Türken. Die hebräische Sprache hat sogar dasselbe Wort für Verkaufen und Verheiraten. Auch bei uns ist die Kaufehe, oder was dasselbe ist, die Geldehe, häufig genug, auch das Brautgeschenk erinnert noch an den ehemals ge zahlter Preis, nur, daß hier nicht die Eltern, sondern die Braut solchen erhält. In China wird die Tochter einem Manne ausgeant wortet, ohne im geringsten um ihren Willen befragt zu werden. Der Vater wählt, schließt den Handel ab, und die Braut wird dem Bräutigam sehr häufig, ohne daß sich beide nur gesehen, übergeben. Unterhändler, man kann geradezu sagen: Makler — betreiben ja die Sache. Sehr schön und bezeichnend drückt dieses Verhältnis folgendes chinesisches Gedicht aus: Freiwerber und Freiwerberin, der eine hier, der andere dort, Sie kommen sich entgegen. El Der eine, der geht in das HauS, Die andere, die kommt heraus, Doch eines Handels wegen. ^"! MN Freiwerber und Freiwerberin, ' ! Was gehst du hier? Was gehst du dort? ' ' Sich beid 'einander fragen, Mich schicket der, mich schicket die, Ich suche den, ich suche die, Sich beid' einander sagen. So gehn wir beide nur sogleich, Ein jeder hin auf seinen Weg, Wert ist die Zeit — das Werk ist wichtig! Des Mädchens Eltern wählten den, Er hat das Mädchen sich ersch'n, Was bräucht's noch mehr? Es ist der Hand«! richtig!" (Rau, Kulturgeschichte^ Dr. F. Hofmann führt in einer lesenswerten Schrift: „Ueber den Verlobungs- und Trauring" den Nachweis» daß Münzen und Ringe nicht nur die KreiSgestalt «tt» einander gemein haben, sondern auch bei verschiedenen Böt»