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SK.2S7 Freitag den 22. Dezember Z ^16 abends ^2. Jahrgang -M-»U > >> Dämmernde Erkenntnis in England. ! 0 Austin Herrison, der bekannt« Herausgeber der ^kngkifh Review*, gibt im „Sunday Pictorial^ folgendes Stimmungsbild: „Als die Sommeschlacht anhub, war in England die Meinung allgemein verbreitet, daß nun die harte Kuh geknackt fei. Wie nun die nächsten Monate verstrichen und mehr Gräben in unsere Hand fielen, da stürzten wir uns sogar mit voller Kraft wieder in unsere alten Lebensgewohnheittn, indem wir im sehr verdunkelten Lonkpn eine » Orgie siegestrunkenen Entzücken» su feiern begannen. Niemals batten die englischen Theaterdirektoren so volle Häuser, niemals machten unsere Juweliere und Pelzhändler so gute Geschäfte. Der Cham, pagner floß in Strömen. Wir alle waren von der Idee besessen, die abgeschnittenen Deutschen wären schon halb verhungert, jedes ihrer H-Boote wäre von unseren Netzen aufgefischt worden, und Rumänien wäre dabei, den Deut schen den Gnadenstoß („lcnoclc-out", s^ Lloyd George l) zu versetzen. Der Mann dagegen, der wußte, wie es wirk lich stand, wurde ein Narr oder Pessimist genannt, wenn er den Versuch wagte, das blinde Fieber der Menge zu mäßigen. , Di« englische O«ffentltchkeit lernt heute wie junge Katzen die Augen öffnen. Es stellt sich heraus, daß vrot in Berlin billiger ist, als in London. England siebt sich vor der Tatsache, daß „Ersatzmittel* für das englische Leben zu einem immer bedrohlicher auf tretenden Wirtschaftszwang werden. Das englische Volk sieht die Nahrungsmittel zu immer unerschwinglicheren Preisen hinaufklettern. Es läßt sich sagen, daß die Sommeschlacht vor b^t i st, und es kann doch auf «iner Karte gewöhnlicherrMaßstabes nicht einmal eine Beule in der deutschen Linie entdecken. Es sieht die visionären Geisterarmeen unserer „Kriegssachverständigen" in Rumänien aufmarschieren. Mit einem Zusammenzucken wurden wir plötzlich wach und machen uns nun klar, daß wir von Visionen gelebt haben, daß alles, wa.'s man uns er zählte, Schwindel war, und daß sich große Ver änderungen wie in den obersten Marinekommandostellen, so auch in der Regierung als notwendig erweisen. Was bedeutet das alles? Einfach da», baß der Blinde den Blinden gesiSr» hat und daß die im Dunkeln tappende öffentliche Meinung langsam sich zu fragen beginnt, warum sie wie ein hysterisches Schulmädchen behandelt wird, und daß sie nach Mitteln sucht, diesen Zustand zu ändern. Jeder Engländer hat das Recht, nun endlich die Wahrheit über den Krieg zu hören, so daß er selbst sehen und beurteilen kann, was für ein langer und verzweifelter Kampf noch vor uns liegt, wenn, wie es die überwiegende militärische Ansicht in England zu sein scheint, der Krieg nur durch völlige Aufreibung zu einem Ende gebracht werden kann. Bislang hat man uns in einem Dämmer zustand gehalten. Wir hörten nichts über die sehr inter essante Lage in Irland, Australien, Kanada oder den Ver einigten Staaten. Noch zur jetzigen Stunde schreiben englische Zeitungen bet der Be trachtung der rumänischen Lage ihre Mär chen darüber, daß unsere wunderbare englische Stra tegie die Deutschen Heimlicherweis« in eine Niederlage hineinleite. - j Sind wlr farbenblind? Warum diese Leichtfertigkeit, während Rumänien sich für uns verblutet, wie Serbien und Belgien sich bereits ver blutet haben ? Zum großen Teil wird dieser äußerst dumme Optimismus und die Unwissenheit der Presse durch die Berschweigungspolitik unserer Regierung hervor gerufen. Man sagt uns so gut wie gar nichts. Alle Krjegsnachricbten entarten in das übliche tägliche Sieges geschrei. Die Wahrheit ist, daß während dieses größten Dramas der Weltgeschichte das englische Volk wie ein Maulwurf im Dunkeln herumtastet." Aus Groß-Berlin. Ein Raubmord, der wahrscheinlich schon vor einigen Tagen verübt wurde, ist jetzt erst in der Mattdrustraße zu Berlin O entdeckt worden. Dort fand man die Kohlen händlerin Auguste Küßner, geboren am 12. Juli 1867 in Kuranowo, mit^ schweren Verletzungen in ihrer Wohnung tot auf. Nach dem Gutachten des Gerichtsarztes Medizi nalrat Dr. Stürmer ist die Frau zunächst niedergeschlagen und dann mit einem Strick erwürgt worden. Der Mörder muß mit seinem Opfer einen schweren Kampf gehabt haben, da Fräulein Küßner eine überaus robuste Person gewesen ist. Die Leiche weist auf dem rechten Stirnbein sowie am linken Ohr klaffende Wunden, aus denen reich lich Blut geflossen war, auf. Ferner sind ihr zwei Zähne eingeschlagen worden. Nachdem der Täter so sein Opfer zu Fall gebracht hatte, Hal er ihm einen Strick um den Hals gelegt und mit furchtbarer Gewalt zugezogen, so daß daun der Tod durch Ersticken eintreten mußte. Aus dem Reiche. i Höchstpreise für Zündhölzer. Trotz ansklärender Pressenotizen haben sich in letzter > Leit die Preis fteiaernnaen von Zündhöl-! zern nicht beseitigen lassen. Obwohl die deutsche In dustrie in der Lage ist, den erforderlichen Bedarf zu decken, ist eine plötzliche Zündholznot einge treten, die in unbegründeten Angstkäufen des Publikums ihre Ursachen hat. Um weitere Preissteigerungen hintanzuhalten und das Publikum j vor Ausbeutung zu schützen, ist eine Bundesratsoerord- nung notwendig geworden, die ^n Verkehr mit l Zündwaren regelt und Höchstpreise im Verordnungswege i sestsetzt. Um für den Fall, daß die zur Herstellung oder i Verpackung ertorderlichen Materialien knapp werden sollten, ! die Möglichkeit einer umfassenden Regelung des Verkehrs mit Zündwaren und der Einwirkung aus ihre Herstellung zu haben, ist in der neuen Verordnung vorgesehen, daß Vorratserbebungen nicht nur über Zündwaren selbst, son dern auch über die zu ihrer Herstellung und Verpackung erforderlichen Materialien vorgenommen werden können. Aus den Ausführungsbestimmungen sei hier nur erwähnt, f daß als Höchstpreis beim Verkauf im Kleinhandel für die § Schachtel.Zündhölzer zu 60 Stück 5 Pfennig vorgesehen ist. ! Außer den üblichen im Gebrauch des Publikums befind lichen Zündhölzern dürfen Westentaschenhölzer, Buchhölzer (Plattenhülzer) und Sturmhölzer nach wie vor hergestellt werd««. Wieder Anklagen eines Landrates. Wie die „Berliner Volkszeitung" mitteilt, nahm der ! Landrat Lücke während der letzten Kreistagssitzung in Oppeln die Gelegenheit wahr, die Krelstagsabgeordneten in eindringlichster Weite aufzufordern, alles nur Erdenk liche aufzubieten, damit besonders die Lebensmittel- i Versorgung der Städte sichergestellt werde. Zur Begrün- i düng seines Vorgehens machte der Landrat dem genannten s Blatt zufoltze nachstehende Ausführungen: „Wohl sei dank der tapferen Truppen und ihrer ! genialen Führung die strategische Lage selten gut, aber trotzdem müsse jeder den Anordnungen der Behörden un bedingt Folge leisten. Insbesondere seien aber bei der Kartoffelbestandsausnahme so viel un- wghre Angaben gemacht morden, daß er sich ge nötigt gesehen habe, durch die Gedärmen nachzusehen. ' Werde es nicht anders, so werde er demgemäß an das Generalkommando berichten, worauf dann militärische Requisitionen erfolgen werden. Von Beamten des Kriegsernährungsamtes sei auf einer i Reife durch den Kreis festgestellt worden, daß aus dem j L a n d e 1 n g era d ezu unverantwortlicher W e ise s Milch und Butter verbraucht wird, nur da- ! mitderStädter nichts bekomme. Es sei ein ! absolutes Unding, wenn bei einem Nindviehbestande von l 44 000 im Kreis« nur 4^ Zentner Butter in der l Woche abgeliefert werde. Eine neue, scharfe Ver- ordnung betreffend die Ablieferung der Butter werde i schon in den nächsten Tagen erlassen werden." — Hoffent- lich wird man nun, wenn auch die wohlgemeinten Mahnungen nichts nützen, auch einmal zu eyergischem Eingreifen übergehen. Einheitlichkeit der Vetrlebsfühnmg auf den Staatseisenbahnen. Unter voistehender Ueberschriit schreibt die „Nordd. Allg. Ztg.": „Der Krieg stellt an den Betrieb der Staats- i eisenbahnen ganz außerordentliche Anforderungen. Der! i preußische Eifeubahnminister hat sich daher veranlaßt gr- s sehen, um die Einheitlichkeit der Betriebsführung in be stimmten Gebieten zu verstärken, eine Oberbetriebsleitung einzusetzen. Nachdem für die westlichen Eisenbahndirektions bezirke bereits Ende Oltober dieses Jahres der Präsident der Eisenbahndirektion in Saarbrücken mit solchen beson deren Vollmachten ausgestattet worden war, hat nunmehr in gleicher Weise der Präsident der Eisenbahndirektion in Berlin für die mittleren und einen Teil der östlichen Be zirke dieselben weitreichenden Befugnisse erhalten. Beide Präsidenten sind als außerordentliche Kommissare des Ministers bestellt worden und haben als solche das Recht erhalten, für die ihnen zugewiesencn Bezirke selbständig Verkehnsperren zu verhangen, Umleitungen des Verkehrs vorzunehmen und überhaupt alle Abhilfemaßnahmen an- i zuordnen, die zur Behebung eintretcnder Belriebsfchwierig- s keiten erforderlich werdem , Nach den Erfahrungen, die Im Westen gemacht worden sind, läßt sich von dieser Oberbetriebsleitung eine schärfere Zusammenfassung des gesamten Vetriebsapparates und damit eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Staats eisenbahnen erwarten. > Beide Eisenbahndirektionspräsidenten sind entsprechend i ihrem erheblich erweiterten Machtbereich zu Räten erster ! Klaffe ernannt worden." s -s- Ehrenbürger von Metz. Der Gemeinderat von > Metz hat beschlossen, dem Gouverneur der Festung Metz, ! General der Infanterie von Oven, und dem Bezlrks- ! Präsidenten von Lothringen, Freiherrn von Gem mingen-Hornberg, das Ehrenbürgerrecht ! der Stadt Metz zu verleihen. — Namens der Beigeord- j neten hatte Beigeordneter Korath diesen Antrag gestellt ! und begründete ihn mit Worten wärmsten Dankes flle da» Wirten beider Herren. Bemerkenswert ist, daß dir Beschlußfassung einstimmig erfolgte, also auch mit den Stimmen der altlothriugischen Mitglieder, die ungefähr .ein Drittel dieser Körperschaft ausmachen. i -s- Erhöhte Kohlenpceise. Seit Monaten fanden seitens der Grubenverwaltungen Verhandlungen statt, welche bezweckten, eine Erhöhung der Kohlenprekse herbei- , zuführen. Trotzdem sich vor kurzem der Deutsche Städte- tng mit Entschiedenheit gegen diese Absicht aussprach, hat! sich jetzt das preußische Handelsministerium schweren . Herzens entschlossen, in die Preiserhöhung zu willigen, l Daraufhin beschloß nunmehr das Nhein.-Westf. Kohlen- * ab die Ober syndikat, die Preise str Kohlen um 2 für Koks um » und für Brikett um 3,25 für di« Tonne zu er- erhöhen. Die e Preisfestsetzung, die einstimmig und ohne Erörterung erfolgte, gilt für das erste Viertel des nächsten Jahre». In gleicher Weise erhöhte vom 1. Januar 1017 ab die Ober chlesische Kohlenkonvention den normalen Mindestpreis für Kohlen um 2 für die Tonne. Dabei ist beschlossen worden, die noch bestehenden Ausnahme- preise für Industrtekohlen zu beseitigen. -s- vet einem Ausflug verunqiück». In den Oberst- dorfer Bergen ereignete sich, nach einer Mitteilung aus Kempten, ein schweres Bergunglück. Fünf Soldaten machten einen Ausflug auf die Sonnentöpfe und wurden dort von einer Lawine überrascht. Drei von ihnen wurden in die Tiefe gerissen. Aufgebotenes Militär schaufelte die Verunglückten aus, von denen bereits zwei tot waren. -j- Kesfelexploflon. Das zwischen den Nürnberger Vor orten Stein und Gebersdorf belegene Großkraftwerk Franken war letzter Tage wieder die Stätte eines größeren Unglücks, nachdem bereits im August 1912 der Einsturz eines Baugerüstes mehrere Opfer gefordert Hatje. Kurz vor neun Uhr früh erfolgte eine Kesselexplosion, durch deren Gewalt die nach der Rednitzseite gelegene große Kesselhausmauer vollständig zerstört wurde. Von den vorhandenen zwölf großen Kesseln wurde einer voll ständig zerstört, ein zweiter sehr erheblich und ein dritter leichter beschädigt. Augenblicklich getötet wurden der 26Jahre alte ledige Kesselwärter Heinrich Rieß aus Neumühle bei Fürth und der im SO. Jahre stehende Hilfsheizer und Oekonom Stinzendörfer aus Unterasbach, vermißt wird der Maschinist Niegel aus Gebersdorf, verletzt ist der Heizer Mahler. Aus aller Welt. -s- Volkszählung. Das Generalgouvernement zu Lublin teilt mit, daß die am 1b. November veranstaltete Zählung der anwesenden Zivilbevölkerung im österreichisch-ungarischen Okkupationsgebiet die Gesamtzahl von 3 495 476 Personen ergab. Davon sind 1656 400 männliche und 1839 076 weibliche Einwohner. Die durch schnittliche Bevölkerungsdichte beträgt 81 sür den Quadrat kilometer. IS Söhne im Felde. 15 Söhne des verstorbenen Einwohners Joseph Lerch zu Ried in Oberösterreich sind nunmehr einberufen worden. Sieben Söhne haben bereits den Tod für» Vaterland gesunden, drei sind in Gefangen schaft geraten. 2 Oeflerreichische Kriegsgefangene im russischen Heer. An der Dobrudschafront wurden unlängst zahl reiche Angehörige der sog. „Serbischen Freiwilligen-Diol- sion" gefangengsnommen. Die Führung dieser Division war allerdings serbisch. Aber die Mannschaften ent puppten sich zum größten Teile als öfter- reichische Kriegsgefangene, die man zum Eintritt in die Legion gezwungen und schmählich behandelt hatte. Einer derselbe», der Land- wehrmann Anton Habe aus dem Dorfe Schwarzenberg in Krain, der bei den Dobrudschakämpfcn gsfangen- genommen wurde, hat darüber solgende Aussage gemacht: f „Ich wurde von den Russen am 13. August 1916 beim Dorse z Strumna bei Colomea gesangengenommen. Von de» Russen i wurde ich nach Kiew gebracht, mit zirka 1000 Mann desselben Regiments. Nach zwei Tagen wurden in Kiew alle nach der Nationalität geschieden und die Slowenen, Kroaten und Serben nach Odessa geschickt. Es wurde jedoch keinem darüber > etwas gesagt, daß beabsichtigt sei, uns ins russische Heer einzustellcn. jIn Odessa wurden wir eingekleidet, und man eröffnete uns, daß wir an die Front müßten. Wer nicht gehen wollte, wurde in Gegenwart des ganzen Bataillons ge prügelt,indem er auf eine Pank gelegt wurde u n d 25 mit etnemStock ausgezählt b e ka m. Bel einigen nahm diese Exekution sogar der Kapitän selbst vor. In Odeffa blieben wir vier Tage und wurden von dort mit zwei Bataillonen zur Front geschickt, zuerst nach Reni und von dort zwei Tage aus der Donau nach Cernavoda." Eines Kommendars bedarf diese Aussage wohl kaum. Vries eines französischen Kriegsgefangenen an Voincarv. Durch Vermittelung des Noten Kreuzes in der Schweiz hat sich ein Soldat aus einem deutschen Ge fangenenlager mit einem Handschreiben (vom 26. 10. 16) an den französischen Präsidenten gewandt, um ihn zur schleunigen Beendigung des Krieges zu bewegen. „Herr Präsident l Seit langem dürsten Vie wissen, daß das französische Volk den Frieden wünscht. Wenn Sie zweifeln, so fragen Sie die Soldaten, wenden Sie sich an die srun- zösffchen Gefangenen, die gegenwärtig ihren Ansemhalt in Deutsch land haben. Alle sind es müde, weiter zu kample», müde dieser blutigen Schlachten, die ihnen weder Vorteil, noch Frieden ver schaffen. Herr Präsident I Niemals ist unser Land in einer ähnlichen Lage gewesen I Die Vesten Ihrer Landsleute kommen um, Soldaten werden in Massen getötet, und alles das sür phan- tasllsche Ideen, dle sich niemals verwirklichen werden. Herr Prä sident, IhrLand opfert sich sür -England, welches Nüßen daraus zieht. Machen Sie so schnell wie möglich die größten Anstrengungen, um Ihrem Lande den Frieden wiederzm geben, der allein Imsiuude ist, Sie und Ihr Land von der Ver nichtung, die sie bedrohen, zu retten " Diese Stellung zu England ist übrigens unter den französischen Soldaten ziemlich verbreitet. So nimmt sich ein anderer französischer Soldat in einem Brief vom 15. 10. 16 vor, jetzt in Deutschland — „Englisch zu lernen, für den nächsten Krieg, wenn ich dann als>Gesangener tu England sein werde." Drei butterlose Tage zur Hindenbnrgspende. Im Kreise Görlitz kamen die Landwirte überein, zum Vesten der Hindenburgspende drei butterloie Tage einzürichten. Die dabei ersparte Buttermenge wird an Sammelstellen abgelieiert, um von dort den Jndustriegegenden zugeführt zu werden.