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Leuchttürme und Feuerschiffe. Bon Knut Dieffenbach. (Nachdruck" verboten.) Stürme. Nebel und Klippen sind die gefährlichsten Feinde des Seemanns. Mit dem Sturm nimmt er den Kampf meist mutig aus, den Nebel aber fürchtet er als einen heimtückischen Feind, dessen Gefahren nur schwer zu vermeiden sind. Tenn ein Seenebel ist keine Kleinigkeit, man sieht die Hand nicht vor den Augen, und gefährliche Zusammenstöße sind unver meidlich. Wie groß die Zahl der Schiffbrüche ist, die au? Sturm, Nebel oder andere Ursachen zurüHuführen sind, beweist die Tatsache, daß sich allein an den deut schen Küsten im Jahre 1893 S33 Schiffsuttfälle ereig- neien 59 Schiffe gingen ganz verloren und zahlreiche Personen büßten ihr Leben ein. Es ist erklärlich, Last die moderne Wissenschaft, so erfolgreich auf allen Gebieten, bemüht gewesen ist, auch zur Verminderung der Gefahren der Schiffahrt nach Kräften beizutragen, und man darf wohl mit Stolz sagen, daß in den letzten Jahren unendlich viel in dieser Hinsicht geleistet wor den ist Gerade in einer Jahreszeit, welche durch ihren trüben und stürmischen Charakter häufig Schiffs unfälle verursacht, haben wir Veranlassung, unser In teresse auch einmal den Hilfs- und Rettungsmitteln zuzuwenden, welche dem armen, mit Sturm und Un wetter kämpfendem Schiffer zu Gebote stehen. Vornehnrste Bedingung ist natürlich, daß. das Schiff selbst mit allen Einrichtungen zur Rettung versehen ist als da sind Rettungsboote, Signalapparate, Schwimmvorrichtungen usw. Wichtig sind vor allen Trugen die Mittel zur Verständigung mit anderen Schiffen oder mit den an den Küsten errichteten Sig- nalstotionen. Bei geringer Entfernung benutzt man das Sprachrohr, bei vorhandenem größerem Abstande verständigt man sich mittels der Signalflaggen. 18 Flaggen von den verschiedensten Kombinationen der Farben blau, rot, gelb und weiß werden in Vereini gungen von 2 bis 4 zu im Ganzen 87 642 verschiedenen Signalen, zusammengestellt, über deren Bedeutung ein besonderes Signalbuch Aufschluß gibt. An die Stelle dieser farbigen Signale treten bei erheblichen Ent fernungen die Fernsignale, bei denen nur die Form des Zeichens in Betracht kommt, weil die Farbe ja nicht erkennbar sein würde. Nachts oder bei Nebel be dient man sich der Signallaternen sowie dep akustischen Signale, wie Glockenläuten, Tampfpfeife und Nebel horn. Das letztere gibt einen durchdringenden, weit hin hörbaren Ton, ja die auf allen Kriegsschiffen ge führten Sirenen können bis auf acht Seemeilen Ent fernung hörbar gemacht werden. Natürlich muß in erster Linie auch eine Verständi gung mit der Küste möglich sein, um die sichere Ein fahrt der Schiffe in die Häfen zu bewerkstelligen und das Stranden oder Scheitern zu vermeiden. Tie se gensreichen Vorkehrungen, welche den Schiffer in die sen Bestrebungen zu unterstützen bestimmt sind, ver danken zum größten Teil privater Humanität und Opferfähigkeit ihren Ursprung. Von England nah men dieselben ihren Ausgang, und zwar schon im vorigen Jahrhundert, Frankreich folgte in der zwei ten Hälfte unseres Jahrhunderts nach, die „Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger" wurde am 29. Mai 1865 in Kiel gegründet. Sie zählt zur Zeit etwa 50 000 Mitglieder, besaß Mitte 1892 bereits 116 Rettungsstationen und rettete bis zum Jahre 1892 fast 2000 Menschen das Leben. Tie englische, dem glei chen Zweck dienende Gesellschaft verzeichnet bereits die Rettung von 38 600 Menschen (von 1824 bis 1894), die französische bis ebendahin eine solche von 7000 Men schen. Die Rettungsstationen sind mit Rettungsboo ten, Signal- und Raketenapparaten aller Art aus gerüstet; mittels des Raketenapparates wird die Ver bindung mit den gefährdeten oder gestrandeten Schif fen hergestellt, oder die kühne Mannschaft der Statio nen bahnt sich trotz Sturm und Wellen mit ihren Boo ten den Weg. Gewaltige Beispiele von Heldenkühnheit und Opfermut werden da von einfachen Fischern und Küstenbewohnern gegeben, für welche als äußere Aner kennung Medaillen und Geldgeschenke Lohnen. Auch im übrigen hat man arff mancherlei War- nungszeichen an gefährlichen Stellen Bedacht genom men. Die Sandbänke uNd bedeEKchek Plätze Nutz durch hohe mit charakteristischen Merkmalen aWSgeMt- tete Holz- oder Eisengerüste (Baken) Mvtktch gemacht, aas den Sandbänken hüt man zum Teil zür GtärkuNH und Erhaltung Nahrungsmittel (Schiffszwieback und Wasser) untergebracht, zur Kennzeichnung des Fahr wassers und eventueller Hindernisse dienen besondere Schwimmkörper (Bojen oder ToNNen), die auf dem Grunde verankert und in neuerer Zett Niii Glocken oder auch Lichtern zur Kenntlichmachung äNSgerüDt sind. Za alledem kommt noch das vom Staate ein gerichtete Sturmwarnüngswesen. An verschiedenen KL- stenpunkten sind Eignalstellen eingerichtet, welche mit den wichtigsten Meteorologischen Instrumenten und — soweit es sich wenigstens um solche erster Klaffe handelt — mit vollständigem Signalapparate für den Tag- und Rachtgebrauch, versehen sind. Liese Signale zeigen den zu erwartenden Sturm nicht für den Ort der Sta tion selbst an, sondern besagen nur, daß evva im Um kreise von 100 Seemeilen stürmische Winde aus der im Warnungstelegramm angegebenen Richtung zu er warten sind. Tie hervorragendste Bebrütung, wenn es sich um Schutzmittel für Nacht UNd NLVLl handelt, müssen wir aber unstreitig den Leuchtfeuern, Leucht- oder Feuer türmen, wie sie auch genannt Wdtden, zumessen. Sie sind es, welche den Schiffer übet die einzuschlagende Richtung belehren, wenn Finsternis oder Nebel ihn verhindern, seinen Weg zu erkennen. Natürlich müs sen sie, da sich oer Schiffer auf ihre Zeichen verläßt, sicher und richtig funktionieren, sie müssen dabei so weit wie möglich sichtbar sein UNd dürch große Haltbar keit dem Anprall oer Wellen trotzen können. Tie weite Sichtbarkeit läßt sich nur durch eine entsprechende Höhe erzielen. Um so schwieriger erscheint vielfach ihre sichere Anlage, da der Grund entweder in locke rem Sand oder in eisernen Felsenmassen besteht oder gar das schwankende, schäumende Element selbst — bei den schwimmenden Leuchttürmen — als solcher die nen mutz. Tie zweckmäßige Wirkung eines Leucht turmes und die Sichtbarkeit in möglichst weiter Ent fernung hängt jedoch nicht allein von der entsprechen den Höhe des Baues, sondern ebensosehr von der Be nutzung einer möglichst durchdringenden Lichtquelle ab. Die Lösung der Beleuchtungsfrage ist aber nicht leicht und, wie man wohl sagen darf, bis heute noch nicht völlig gelungen. In älterer Zeit wurden Holzfeuer an gezündet, später benutzte man Steinkohlen für densel ben Zweck oder auch Talgkerzen in entsprechender An zahl. Für die Zukunft dürfte die allgemeine Benützung des elektrischen Lichtes sicher sein, obwohl dasselbe den Nebel nicht so gut durchdringt, als da-s gewöhnliche Licht, weil es weniger rote Strahlen enthält, die der Nebel allein durchläßt. Tie Wissenschaft hat indessen zahlreiche Mittel zur Verfügung gestellt, das Licht der Leuchttürme künstlich zu vervielfältigen oder doch zu intensiverer Wirksamkeit in bestimmter Richtung zu veranlassen, z. B. durch Anbringung von Parabel- und Hohlspiegeln usw. Selbstverständlich muß auch darauf Bedacht genommen werden, die Unterscheidung der mannigfachen, an einer besonders gefährlichen Küste brennenden Leuchtfeuer zu ermöglichen, da sonst im Dunkel der Nacht bedenkliche und folgenschwere Irrtü mer passieren können. Am einfachsten würde ja die Anwendung farbiger Gläser mit ein- für allemal fest-- gelegter Bedeutung sein, indessen verbietet sich dieselbe durch den Umstand, daß. die Farben in weiter Entfer nung undeutlich werben. Ter erfinderische Menschen geist hat daher andere Unterscheidungsmittel in der Art und Weise gefunden, wie er die Leuchtturmflamme selbst funktionieren läßt. Entweder läßt man das Licht in regelmäßigen Intervallen aufblitzen und verschwin den oder man läßt Helle und dunkle Flammen abwech seln, oder die Helle allmählich ab- und zunehmen und anderes mehr. Je nach der angewandten Methode be-