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(Nachdruck verboten.) Morgenrot! Roman von Wilhelm v. Trotha. (31. Fortsetzung.) dankbarer Blick des Franzosen, und mit einem Herz, lichen Händedruck verabschiedete sich Herr von Wussow von ihm. Genevisve hatte alles mit angesehen und setzte sich nach dem Abgang des Deutschen wieder ans Bett ihres Verlobten. Was sind diese Deutschen doch für komische Käuze? — Nun wieder diese Szene hier! War das nur Pose? Mache? — Nein, danach sah es gar yicht aus, im Gegenteil, der junge Offizier benahm sich sogar sehr respektvoll gegen seinen französischen Kameraden, sagte stets „Monsieur Kapitän" und spielte sich gar nicht als den Sieger auf! Das Gesicht des Franzosen hatte etwas Ruhiges bekommen. Geneviöve beobachtete ihn und stellte mir Freuden fest, daß der allgemeine Zustand ein sehr viel günstigerer sei als bisher. Sie atmete daher erleichtert auf, rückte dem Kranken die Kissen zurecht, der ihr mit einem Blick dankte und dann wieder die Augen schloß. Nun schritt sie leise hinaus. — Bereits drei Tage weilte die deutsche Telegraphen- Patrouille im Schloß, und der Leutnant befand sich meist oben auf dem Söller, woselbst er eine Beob achtungsstation aufgebaut, auch einen Lichtspiegel, und nachts eine elektrische Morselampe ausgestellt hatte. Die Station arbeitete ausgezeichnet. Ueber das Schloß, den Wald und die Gaue der Champagne zogen aber auch nun heulend und zischend die Granaten hin. Noch hatten die Franzosen allem Anschein nach keine Ahnung von der Signalstation, denn unbehelligt konnte sie zum großen Nutzen der deutschen Truppen arbeiten; ach Gott, was hätte das für eine Schießerei gegeben, wenn die Franzosen irgend etwas von ihrer Existenz geahnt hätten! Und dennoch lag es in der Lust, als müsse hier ein Unglück geschehen; daß es nicht mehr fern sein konnte, mußte merkwürdigerweise auch dem alten Henry wohl so im Traum eingegeben worden sein, denn er drang plötzlich in die Gräfin, doch ihr Zimmer nach Westen zu verlegen, ja noch besser, für alle Fälle Vorbereitungen zu treffen, sich im Keller einzulogieren. „Seit wann bist du denn solch ein Hasenfuß?" fragte sie ihn. Sie saß gerade bei ihrem Verlobten, dem es etwas besser ging, Und der bereits wieder An teil an den kriegerischen Ereignissen nahm, und der sich in sehr respektvoller Weise über den deutschen Offizier aussprach und mit Sehnsucht dem in Aussicht gestellten Besuch des deutschen Arztes entgegensah. „Heute abend oder morgen fimh wird er in Be- a I O, entschuldigen Sie, mon lismenunt, daß ich Ihnen das nicht sofort sagte." Sie sprang hastiger, als es ihre Ab sicht war, auf, trat an ihren zierlichen Rokokoschreibtisch und kramte in einigen Papieren herum. Endlich hatte sie die ! Bescheinigung des deutschen Arztes ge- funden und reichte sie nun dem deutschen Offizier. Leutnant von Wussow las den Zettel und reichte ihn dann mit einer Verbeugung der jungen Gräfin zurück. Schon die steilen, eckigen Schriftzüge hatten ihm genügt; er kannte sie ja genau, das waren die Buchstaben, wie sie der gute Doktor malte. Er wollte gerade den Wunsch aussprechen, dem kranken Feinde einen Besuch machen zu dürfen, als Karl Blume herein trat und meldete: „Alles noch, wie wir es verlassen haben, Herr Leutnant." „Gut, Karl! Gräfin, welchen Raum wollen Sie mir als mein Quartier anweisen?" „Ich? Das ist Sache meines Dieners," gab sie, das .ich' erstaunt fragend, den Nachsatz aber so von oben herab zur Antwort, daß es ihn doch ein wenig ärgerte. Mochten diese Französinnen immerhin eine besondere Rasse sein, etwas gedämpft sollte aber ihr Auftreten den Deutschen gegenüber sein; man mußte sie zwar nicht den Sieger fühlen lassen, aber doch den ! kultivierten Barbaren, gegenüber den arroganten Manieren dieser eitelen Franzosen. Ihre Eitelkeit ver letzen, hieß sie schwerer treffen, als einen Sieg über sie ! in der Schlacht davontragen. „Danke! Ich werde mir dann mein Zimmer selbst bestimmen! Im übrigen bleiben alle von mir seiner zeit gegebenen Bestimmungen in Kraft! Ohne meine ausdrückliche Genehmigung hat niemand, aber auch ! niemand das Schloß zu verlassen! Meine Leute haben strengste Weisung, jeden, der diesen Befehl übertritt, unweigerlich niederzuschießen! Und nun: Wo liegt ! der Kapitän?" „Stören Sie ihn doch nicht, wenn er gerade ein wenig schläft", bat sie nun doch etwas zahmer. „Wie ich mit einem verwundeten Kameraden um- ! zugehen habe, Gräfin, weiß ich allein, also — bitte!" Der Franzose lag mit offenen Augen in seinen Kissen und starrte erschreckt den deutschen Offizier an. Als aber der Leutnant sich nur teilnehmend nach seinem Befinden erkundigte und ihm sagte, daß die deutschen Reiter Befehl erhalten würden, Rücksicht auf den Schwerverwundeten zu nehmen, traf den Deutschen ein