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wo und wo trat ein, Vom Hof herauf erklang es kurz: „Zu Befehl, Herr Leutnant!" „Dann geh mal hin und prüfe es nach, ob es wieder angeschlossen ist." „So so, solch eine allgemeine Redewendung, Monsieur Henry, ist Blech." Der Offizier trat ans Fenster. „He, Karl," rief er dem jungen Blume zu, der sein Feldbursche geworden war, „du weißt doch noch, hier das Telephon war?" recht! Er sah ihn genauer an! Himmel, sollte der Bursche ihm damals die Rothosen auf den Hals gejagt haben? „Na, Freundchen, wir werden ja sehen," dachte der deutsche Offizier, „und merken lassen darf man dich nichts." „Ist der verwundete französische Offizier noch hier?" fragte er dann ganz unvermittelt die nun doch etwas ängstlich dareinschauende junge Dame. (Fortsetzung folgt.) „Schön, Henry, reisen können wir schon wegen des armen Kapitän da drinnen nicht. Also: .Wir bleiben und suchen auszuharren l /Fressen werden uns diese Deutschen schon nicht, wenigstens meint Miß Ethel Wilcox es!" „O, wenn die es sagt, dann muß es wahr sein, die kennt ja die Deutschen genau und — anvo 70/71 haben sie un- auch nicht gefressen, diese Barbaren, nur unsere Hammel und poulsrs! Und die — zahlten sie sogar!" Nach diesen trostreichen Worten Henrys ging GeneviLoe wieder hinüber ins Krankenzimmer und überliest es dem alten Diener, weiter für ihre Sicher heit zu sorgen. Henry selbst war mit sich und seinen Erfolgen zu frieden und konnte auch eine innere Genugtuung über die Nachricht des Grasen nicht verbergen. Nur die Sache mit dem Wechsel des Regierungssitzes paßte ihm wenig in den Kram, und dann, daß da drin der Kapitän gar nicht wieder zu sich kommen wollte! Doch daran war eben sticht-- zu ändern, und so trollte sich der Alte in sein Reich hinunter. Nun war die junge Gräfin wieder allein und konnte das Erfahrene in Ruhe überdenken. Wie mochte der Vater nur nach Paris gekommen sein? Und nun war er schon weitergereist nach Bor deaux. Genevieve ichüttelre, wie mißbilligend, ihren Kopf und war trotz der günstigen Nachricht doch eigentlich nicht recht zufrieden. Sie sah auf den Kranken! Der Aermste! Nun lag er schon tagelang in dem Zustande! Wie sollte das jetzt weiter werden? Kein Arzt zur Hand, und sie wußte gar nicht, wie ihm Helsen? Eisumschläge?, dachte sie. Ja, ich will's ver suchen. Schaden können sie ihm nichts. Und sie ließ in der Eismaschine Eis machen und kühlte ihm damit den von Bandagen frei gebliebenen Teil der Stirn. Merkwürdig! Regte er sich? — Wahrhaftig! Aber da galt es, ja recht vorsichtig zu sein, damit sich kein Verband lockerte. Nach Stunden anstrengender Kühlarbeit seufzte der Verwundete erst einige Male tief auf und — o welches Glück! er schlug die Augen auf und sah Genevieve matt und noch verständnislos an; erst ganz allmählich begann es in seinem Gehirn zu dämmern, und nun kam ihm zum Bewußtsein, wo er sich befand. Er wollte sprechen, brachte aber noch kein Wort heraus. GeneviLve legte ihm auch mit einem freundlichen Lächeln die zarte, weiche Hand auf den Mund und sagte leise: „Pscht, schön ruhig sein, woa aber ami, sonst schadet es Ihnen." Da war er still und' sah sie nur mit seinen matten Augen so strahlend und glücklich an, wie es eben ging, Schon am zweiten Tage konnte der Kapitän ein wenig sprechen, und die Nahrungsaufnahme hatte ihn sichtlich gestärkt. Genevieve hatte ihm gerade das Essen selbst eingelöffelt, da trat Henry leise ein. Sie bettete den Kranken gut, und er schlief auch sofort ein ; so konnte sie das Krankenzimmer ruhig für kurze Zeit verlassen und trat auf den Korridor. „Nun, Henry, was gibt's?" „Einquartierung, gnädigste Gräfin. Ein Offizier und fünfzehn Mann! Da erschrak sie doch etwas! Sie hatte ja täglich damit gerechnet und im stillen auf das Nahen schwerer Tritte oder das Klappern von Pserdehufen gelauscht; nichts war gekommen, und nun waren sie doch da und so plötzlich. Run verstand sie! Das da war ja auch ein Franzose, der sein Vaterland liebte, und sie reichte ihm die Hand. „Henry, sei vorsichtig, wenn sie dich noch fangen und hängen, dann bin ich ganz schutzlos!" „Keine Sorge, Komteßchen! Ich bin 'n alter Fuchs." Wo sind sie?" ^Bis jetzt kamen nur zwei Reiter und sagten ihre Kameraden an. Sie taten sehr vertraut hier, ich glaube, es sind Leute von denen, die neulich schon da waren." „So, so! — Und ein Offizier, sagst du?" „Ja, einer wäre nur dabei." „Es ist gut; laß die Leute gut unterbringen und melde mir, wenn sie da sind. Halt — frage den Offi zier noch, ob ich ihn für ein paar Augenblicke sprechen kann. Es ist wegen des — Kapitäns!" „Sehr wohl, Komtesse", sagte Henry, verneigte sich respektvoll und ging. In ihrem kleinen Boudoir angekommen, warf sie sich in einen der Sessel und starrte trostlos vor sich hin. Sie dachte an den neulich so ohne Gruß fortge gangenen deutschen Offizier, der doch so ritterlich vor nehm war, und den sie nicht gerade damenmäßig be handelt hatte! Aber, man clieu, wie komme ich denn überhaupt dazu, an jenen wildfremden Mann, einen grimmigen Feind meines armen Vaterlandes, zu denken? Da wieherten ein paar Pferde. Also: sie kamen! Nun mußte Genevieve sie wie der unter ihrem Dacke dulden, mußte sogar gestatten, daß sie alles benutzten, ja eigentlich mußte sie noch fragen, ob sie in ihrem eigenen Hause geduldet würde. Bei dem Gedanken stieg ihr das Blut doch siedend heiß vor Zorn in die Schläfen und sie sprang empört auf; immer und immer wieder kam ihr gallisches Naturell zum Durchbruch, und sie wollte doch einmal sehen, ob sie nicht noch Herrin im Schloß war oder ein anderer. Henry sollte kommen. Er erschien erst nach einiger Zeit, meldete aber gleichzeitig den deutschen Leutnant an. Da stand er auch ichon vor ihr. „Es tut mir leid, Gräfin, wenn wir Sie wieder be helligen müssen, aber die Kriegsoerhältnisse bringen es so mit sich. Ich muß mich mit meinen Soldaten hier einquartieren; lassen Sie, bitte, die Tür zum Turm und Söller öffnen. Das Telephon kenne ich. Ist es seit meiner letzten Anwesenheit hier — ich weiß nicht, ob Komtesse die Freundlichkeit haben, sich meiner noch zu erinnern? Schön mag es ja für Sie nicht gewesen sein, das Gefecht mit all feinen Begleiterscheinungen miterleben zu müssen, und Abschied konnte ich nicht nehmen, vermutlich lag Ihnen daran auch gar nichts — also", wandte er sich nun wieder an den Diener, „ist das Telephon wieder in Gang gesetzt worden?" „Das ich nicht wüßte," gab jener achselzuckend zur Antwort. „Zu Befehl!" Tiefes, eigentlich recht peinliches Schweigen der Offizier traute dem Alten da nicht mehr so