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war nur das noch da. was in der Erde gelegen, an Heftigkeit zunahm und sich näherte, hielt es Johannes nicht mehr aus, er sprang in den Kahn und steuerte zum festen Lande hinüber. Lange blieb er aE 'Dann brachte er die Gewißheit. Eine große Schlacht war im Gange. Wer würde siegen? Immer mehr steigerte sich der Lärm der Schlacht in den folgenden Tagen. 'Der Himmel im Westen war von blutig umsäumten Wolken bedeckt, und die Erde zitterte und bebte, als'sollte die Welt zu grunde gehen. Die Knaben waren selbst durch das Bitten der Mutter nicht zu halten gewesen. In der Nacht kamen sie nicht heim, aber am nächsten Mittag, da waren sie wieder da, bleich und erschöpft, nicht sowohl vom Hunger, sondern von dem, was sie gesehen hatten. Die Deutschen waren anscheinend im Vorteil, denn die Russen kamen in ganzen Scharen, bunt durcheinander- gewürfelt, Reiterei, Artillerie und Fußsoldaten auf der Landstraße und auf den Feldern daher. Die ersten waren noch in Reih und Glied marschiert, Lie nächsten folgten schon in völliger Auflösung. Dann 'ging's immer wilder, immer unordentlicher her, eine regelrechte Flucht! Sie liefen blindlings geradeaus,' nur vorwärts zur schützenden Grenze. Da kasnen sie ans'Moor, das wie eine grüne Wiese trügerisch und lauernd ihren Weg hemmte. Sie nahmen es, für was .es schien. Ein Schreiten, ein Straucheln, Sinken, ein gellender viel stimmiger Schrei! Aber die Folgenden lassen sich in ihrer blinden Flucht nicht aufhalten. Immer mehr, immer neue Opfer fordert das ostpreußische Moor, fordert die Erde als Sühne für die gemordeten und ge schändeten Landeskinder. Ein Schauer überlief die Zu hörer. Die Knaben waren von dem Erblickten so er schüttert, daß sie ihre Unternehmungslust ganz verloren und von nun an auf der Insel blieben. Der warme Augustabend senkte sich schon über das Erlengehölz, das die Insel schützend umsäumte. Träume risch schritt Marie daran entlang, um die Brüder zu dem knappen Abendbrot zu rufen. Da raschelte es im Userschilf. Sie sah sich um in der Meinung, es sei einer der Gesuchten. Doch der Schreck "lähmte ihre Glieder, als sie anstatt der Knaben einen der flüchtenden Kosaken vor sich sah. „Ha, ha! Bist du es, schöne Maruschka? Finde ich dich also doch noch! Jetzt gehörst.du mir! Ja, wehr' dich nur, dein Freund, der Junker, ist nicht da! Der liegt längst drüben im Massengrab. Komm, laß dich küssen, schönes Bräutchen!" Marie hatte ihre Besinnung wiedergefunden und erwehrte sich des Bedrängers mit allen Kräften. Lieber selbst mit in den Tod! So rang sie lange mit ihm, und es gelang ihr, ihn dem Ufer immer näher zu drängen. Noch ein kräftiger Stoß! Der schlüpfrige Boden gab nach, er glitt aus, zog das Mädchen aber ebenfalls nieder. Da brach es durch das Gebüsch. Johannes hatte den Hilferuf der Schwester gehört und .eilte herbei. Als der Russe den neuen Feind sah, versuchte er, nach seinem Degen zu greifen. Diesen Augenblick benutzte Marie, sich loszureißen. Nun ein Stoß, die Uferschollen brachen ab, und Janko Kaminski teilte das Los der unzähligen anderen. -- Eine schwere Ohnmacht umfing das Mädchen. Ws sie zu sich kam, sah sie an ihrem.Lager den totgeglaubten Vater stehen. Sie meinte zu träumen, aber das frohe Antlitz der Mutter, die, ihrer eigenen Krankheit un geachtet, die Pflege geleitet hatte, zeigte ihr, daß es Wahrheit sei, was sie sah. Nachdem sie sich zur Not erholt hatte, drängte der Vater zum sofortigen Verlassen der Insel. Sie fanden bei den deutschen Truppen auf einige Tage Pflege und Rast. Dann aber hieß.es, den Wanderstab ergreifen und die geliebte Heimat verlassen. Doch sie zogen nicht ins Kin gewisse, dem Fischmeister bot sich durch Vermittlung des alten Grafen Neudorf eine neue Stelle in Pommern. Auf dem langen Wege fand der Vater Zeit, seine Erlebnisse Zu erzählen. Er war durchaus nicht spurlos verschwunden gewesen, sondern hatte, sich die Verwirrung bei den Russen zunutze machend, seinen vorderen Wächter ins Moor gestoßen und sich in Oenkspruch. lv-u Uhr not ist, UN5 rum heil vllaw'i gegiünäei von äen VLiew; Aber äsr ist unler keil, vss wir gsünäen tür äic Später». kmsnuel Leidel. also die Rüben In Hast wurden die noch fast unreifen Erdfrüchte ge borgen. Einige Mutige wagten sich ins Dorf 'und in die Ruinen der Häuser. Wie sah es da aus! Alles zertrümmert und beschmutzt, nichts mehr brauchbar. In der Dorfstraße und auf den Höfen lagen die schon halbverwesten Leichen einiger Zurückgebliebenen, auch einige Kosaken dazwischen. Das Vieh war weggetrieben oder einfach so tot geschlagen. Jammernd kämen die Abgesandten zu den Inseln zurück. Ganz heimzukehren trauten sie sich nicht. Wer wußte, wie bald die Russen wiederkamen. lieber der ganzen Gegend lag eine dumpfe Stille der Erwar tung. Als Marie am Morgen des Sechsundzwanzigsten die Hütte verließ, in der sic die Nacht hindurch am Lager der durch all die Schicksalsschläge erkrankten Mutter ge wacht hatte, war in der Lust ein Grollen und Dröhnen wie vom Donner eines fernen Gewitters. Als das Geräusch im Laufe des Tages nicht nachlicß, sondern eher und ein Teil der Kartoffeln. Das Aschermädchen vom masurischen See. Von M. Gebhardtz . (Schluß.) (Nachvr. verboten.) Die Kosaken mit dem Fischer in der Mitte nahmen nun die Spitze. Bald wurde der Weg so.schmal, daß nur einer ohne Lebensgefahr zu gehen vermochte. Die Reiter saßen ab und nahmen die Pferde am Zügel. Da durch kam Progalla ganz voran, einer seiner Wächter nur schritt noch vor ihm, der andere mit gespanntem Kara biner ihm auf die Fersen. Dann 'folgten 'die anderen Reiter des Zuges, und die Offiziere schritten als.letzte, damit keiner etwa nach rückwärts ausbrechen konnte. Eine Weile kam man langsam, aber doch stetig vorwärts. Nun hörte der sichtbare Pfad ganz auf, und es galt, von einer festeren Stelle zur nächsten zu springen. Da gab es die ersten Unterbrechungen. Hier strauchelte ein Pferd, da ein Soldat und mußten wieder herausgeholt werden. Die Offiziere wetterten und fluchten, und hätte Janko den Deutschen erreichen können, dann hätte dessen letztes Stündlein geschlagen. Wieder trat eine derartige Verwirrung ein, und als endlich alles in Ordnung war, fehlte der Gefangene. Wär er.im Moor versunken? Hatte ihn die Luft aufgesogen? Man sah nur noch den Wächter mit erhobenen Armen aus dem' Sumpf um Rettung winken, von dem Bewachten keine Spur! An ein'e Verfolgung war auch nicht zu denken, - denn jeder Schritt weiter vor, nach rechts, nach links, führte zum sicheren Tod. So hieß es kehrtmachen und den unsicheren Weg wieder zurücktastcn. Mancher von ihnen, der von der Richtung auch nur um Haares breite abwich, versank vor den Augen seiner Genossen, und ihm zu helfen, blieb keine Zeit. Nach mehreren Stunden fand sich der Rest der Truppe wieder am Aus- gangspunttc ihrer Wanderung, und nach kurzer Rast mußten sie im Eilmarsche um das Moor herum zu ihrem Bestimmungsorte, wo sie viel zu spät anlangten. — Aus der Teusclsinsel schlichen die Stunden dahin. Zwar wurde durch den Abzug der Kosaken die Lage der Flüchtlinge etwas erleichtert, sie konnten verstohlen ins Dorf zurück, um nachzusehen, was von ihrer Habe der Zerstörung entgangen war. Das war freilich nicht allzuviel: Auf den Feldern