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H es Q, rr 'S' w .8" (Nachdruck verboten. Sie hatte diese Frage mehr geschrien als laut ge fragt, und so wandten sich die Köpfe einiger der in den Betten liegenden Verwundeten ihr zu. „Sei still, Ktnd, mach' hier keinen Lärm, du stehst, unsere armen angeschossenen Jungen werden schon un ruhig. Komm mit nach dem Wachzimmer, da sag' ich dir mehr, hier muß größte Ruhe herrschen; jede Auf- regung schadet den Leuten." Lotte schlich still zur Tür hinaus, sah sich aber wiederholt um, in den Riesensaal hinein, als suche sie die Reihen der Betten ab, in einem ihren Jäger Fritz zu finden. Ihr Beginnen blieb aber ohne Erfolg, und draußen brach sie in ein haltloses Schluchzen aus. Vielleicht war er schon tot, und der Vater wollte es ihr bloß nicht sagen! Immer tiefer bohrte sich dieser eine furchtbare Ge danke in ihre Seele und machte sie zunächst gänzlich fassungslos. Droben von den Bergen her donnerten die Ka nonen, tackten in ihrem wilden regelmäßigen Geknatter die Maschinengewehre und hallte das ununterbrochene Schießen der Infanterie. Näher, immer näher kam die Schlacht. — Vater Blume war sofort nach Eintritt der Mobil machung mit seiner Sanitätskolonne angetreten, hatte alles bereitgestellt und schon am ersten Tage einige Verwundete in Empfang genommen. An der Grenze waren die Gewehre ein wenig früher losgegangen, als der offizielle Krieg es eigent lich gestattete, un8 nun war er in seiner Furchtbarkeit bereits seit längerer Zeit im Gange; die feindlichen Kugeln hatten schon manche Lücke in die Reihen der tapferen deutschen Grenzer gerissen. In Mülhausen war die Stimmung eine sehr ge drückte ; die Franzosen standen mit Riesentruppenmassen jenseits und an der Grenze. Täglich griffen sie an, und die in der Verteidigung liegenden deutschen Bataillone hatten es wahrhaftig nicht leicht; sie lagen ununterbrochen Tag und Nacht draußen am Feinde und mußten mit Daransetzung aller Kräfte das Aeußerste hergeben, den übermächtigen Feind aufzuhalten. Furchtbare Lücken hatten die Maschinengewehre der Jäger in die Reihen der Franzosen gerissen. Ober jäger Günzel lag mit seinem Gewehr tatsächlich oben, im Wasgenwalde, am Franzosenkreuz und belauerte als echter Jäger seine Gegner wie ein abzuschießendes Wild im Walde. Schlapp waren die Rothosen und französischen Alpenjäger nicht. Pfff — pfff — pfff! zischten die kleinen kupferfarbenen Spitzgeschosse den ein! — Na, dann sagen 's ihr erst! Meine Frau küßt eben hier neben mir das Brautpaar! Aha, Sie brauchen 'ne Pause! — Gut! Wieder da? Haaaa? — Kinder dummheiten l Nee, liebster Landrat I Sie sollten mal lieber hier fein, als da in Ihrem Nest zu versauern. Na, um's kurz zu machen: Packen Sie, lassen Sie Ihren Sechzig- pferdigen ankurbeln, dann sind Sie von da aus in drei Stunden hier! Also auf Wiedersehen!_ Kaiserhof, vergessen Sie das nicht l — Ich bestelle für übermorgen die Kriegstrauung. Wollen Sie nicht, na dann gehen wir einfach nicht hin! So, nun aber Schluß! Der Spaaß hier, Ihnen eine Verlobung anzuzeigen, kostet mich schon neun Emmchen! Adieu!" „Stimmt, mein Herr, dreifaches Gespräch dreifache Taxe neun Emm!" rief lachend die Telephondame. Am zweiten Tage fand tatsächlich in der schönen Kirche der Haupt-Kadettenanstalt eine Trauung statt, wie sie in den Annalen der Geschichte des Kadettenkorps noch nicht zu finden war: Ein Bolle — Spitzname für die Selektaner — wurde mit einer siebzehnjährigen Dame kriegsgetraut. Walter o. Klützow und Trude o. Wussow waren ein — Ehepaar! »Ich gratuliere! Frau — Portepeeunteroffizier," sagte Papa Oberst nach Beendigung der Zeremonie. Eine halbe Stunde darauf traf aus dem Kabinet Sr. Majestät die Kadettenverteilung ein: Walter wurde zum Leutnant im dritten Garde-Regiment zu Fuß ernannt. Zwei Tage später zogen die Grenadiere mit klingendem Spiele ins Feld, Walter als Zugführer in Ler dritten Kompagnie; er marschierte neben der Fahne! Auch der Oberst war abgereist. Still, aber doch mit einem Schein hohen Stolzes, daß die ihrigen auch dabei waren, kehrten die drei „Frauen" nach Groß-Wilhelmshof zurück, an dessen Fahnenstange am anderen Tag das Iohanniterkreuz wehte. Das Lazarett war bereit. 6. Kapitel. Die Schlackt von Mülhausen. „Vater, Vater," fragte Lotte, in den großen Saal, den das Rote Kreuz für die Verwundeten eingerichtet hatte, tretend, „ist es wahr, daß Fritz verwundet ist?" Morgenrot! Roman von Wilhelm v. Trotha. (22. Fortsetzung.)