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Die englischen Völkerrechts verletzungen. Don Prosesior Dr. Paul Laband. Etn von allen Kulturvölkern anerkanntes, überein stimmendes und gleiches Völkerrecht hat es hinsichtlich des Krieges, besonders des Seekriege», vor dem Ausbruch des Weltkrieges nicht gegeben. Es beruht dies auf einer Ver schiedenheit der Anschauungen über den Begriff, das Wesen und den Zweck des Krieges. Seit dem 18. Jahr, hundert und besonders seit den Freiheitskriegen kam die Anschauung zur Geltung, daß der Krieg ein Kampf unter Staaten sei, der beiderseits mit staatlichen Mitteln geführt werde und auf die Niederzwingung der organisierten Macht des feindlichen Staates gerichtet sei. Die friedliche Be völkerung, die in der Regel an dem Ausbruch des Krieges nicht schuld ist und an der Kriegführung selbst nicht teil nimmt, soll dagegen von den Leiden und Schäden, welche der Krieg ihr tatsächlich verursacht, möglichst verschont werden, soweit dies mit dem Wesen und Zweck des Krieges sich vereinigen kaffe. Dieser humanen Auffassung entsprach eine Beschränkung der Mittel der Kriegführung; da» Leben, die Gesundheit und das vermögen der Zivilbevölkerung sollten nicht vernichtet werden, soweit dies nicht eine un abwendbare Folge der notwendigen militärischen Kriegs handlungen ist. In Kongressen, theoretischen Erörterungen und seit der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts in internationalen Vereinbarungen wurde diesen Rücksichten in steigendem Maße Rechnung getragen. Man versuchte durch Rechtssätze der Art und den Mitteln der Krieg führung Schranken zu setzen; man schuf ein Kriegsvölkerrechk oder glaubte und versuchte wenigstens, es zu schaffen. Im Gegensatz hierzu^htelt aber Eng land an dem alten Begriff des Krieges fest, nach welchem die Schädigung und womöglich die Vernichtung des feindlichen Volkes der Zweck des Krieges ist. Jeder Angehörige des feind lichen Volkes ist, wie in alter Zeit, der Feind Englands, der unschädlich gemacht werden muß; er kann nicht nur ausgewiesen werden, was für ihn in den meisten Fällen weitaus das beste sein würde, sondern er kann interniert, in Gefangenenlager oder Gefängnisse gebracht, einer harten Behandlung unterworfen werden, und nur die Furcht vor Repressalien schützt ihn davor, daß er nicht getötet wird, wie der von der englischen Regierung gebilligte „Varalong«- Mord und die beim Untergang vom „V 41" verübten Scheuß lichkeiten beweisen. So wie er hinsichtlich seiner Person als Feind be handelt wird, so auch mit Rücksicht auf sein Vermögen. Niemand soll mit ihm Handel und Wandel treiben, ihm Zahlungen oder andere Leistungen machen; sein Ver mögen wird beschlagnahmt und konfisziert, die ihm er teilte» Patente werden für nichtig erklärt, seine Handels niederlassungen und industriellen Betriebe werden ge schlossen und aufgelöst, also zerstört, und selbst die Fähigkeit, zur Geltendmachung seiner Rechte vor Gericht aufzutreten und einen Prozeß zu führen, wird ihm ent zogen. Der Feind fkehk außerhalb von Gesetz und Recht; er ist vogelfrei. Zur Rechtfertigung eines Krieges sind auch nicht feindselige Handlungen des anderen Staates oder poli tische Zwistigkeiten mit seiner Regierung erforderlich. Es genügt, daß ein Volk durch seine Geisteskraft, seinen Fleiß, seine Industrie, seinen Handel, seine bewaffnete Macht usw. dem englischen Eigennutz, der brutalen Ausbeutung und , Tyrannisierung der anderen Völker, dec englischen Ländergier und Eroberungssucht ein Hindernis bietet. Als Zweck des gegenwärtigen Krieges wurde von der englischen Regierung die Zerstörung des preußischen Mi litarismus bezeichnet, d. h. die Vernichtung der Wider standskraft Deutschlands und der zu seiner Selbsterhal tung und Verteidigung dienenden Mittel. Zugleich sollten die Konkurrenzfähigkeit Deutschlands, seine wirt schaftliche Blüte, sein Handel und seine Industrie ver nichtet werden. Bei dieser Verschiedenheit der Auffassung vom Wesen und Zweck des Krieges erscheint vieles vom Standpunkt Englands aus als erlaubt, was nach den bis zum Aus bruch des Weltkrieges herrschenden Anschauungen der an deren Kulturstaaten als verboten und als Bruch des Völkerrechts erschien. Dahin gehört der Aushungerungskrieg selbst, dessen Folgen viel weniger die siegreiche Armee und Kriegsflotte als die friedliche Bevölkerung, Weiber, Kinder, Greise, Kranke und Dienstunfähige treffen. Das ganze Volk soll vernichtet werden; nicht nur die für die Kriegführung erforderlichen oder dienlichen Gegenstände, sondern alle Lebensbedürfnisse sollen ihm entzogen werden. Damit im Zusammenhang stehen die völkerrechtswidrige Ausdehnung des Begriff» der Konterbande, die Erklärung eines Teiles des offenen Meeres als Kriegs- schauplatz, die fiktive Blockade, die heimliche Bewaffnung der Handelsschiffe und ihre Verwendung zum Angriff gegen deutsche Kriegsschiffe, der Flaggenbetrug und die Mißhandlung der kleinen, zum Widerstand gegen die englische Seemacht unfähigen neutralen Staaten, die ebenfalls mit Aushungerung, Blockade usw. bedroht werden, wenn sie sich nicht der englischen Willkür fügen und zur Ein kreisung Deutschlands Mitwirken. Die Aushungerung mar als Kampfmittel im Burenkrieg bereits erprobt, in welchem viele Tausende von Frauen und Kindern einein qualvollen Hungertode preisgegebe» wurden durch Lord Kitchener, -essen selbst für einen Engländers unerhörte vrntalitü» ihn zum populärsten Manne in England machte. Auch bei der englischen Auffassung vom Wesen und Zweck des Krieges besteht immerhin die Möglichkeit, die Art der Kriegführung mehr oder weniger den Anfor derungen d r Humanität und dem sogenannten Völker- recht anzupassen. In dieser Hinsicht besteht ein Unterschied zwischen oem Lanvirieg uns oem Seekrieg. Am Land- ckrteg hatte England ein geringes Interesse. Infolge seiner infMron Lage und der Verteidigung seiner Küsten durch »keine überragende Seemacht war dl« Gefahr de» Ein» dringens einer fremden Macht kaum beachtenswert. Andererseits war auch ein Konttnenkalkrieg bei der früher gringen Militärmacht Englands unwahr» scheinlich. Es überließ daher den anderen Staaten, über den Landkrieg untereinander zu vereinbaren, was sie wollten; trat auch gelegentlich diesen Vereinbarungen bei, deren praktische Anwendung für England kaum in Betracht kam, und die es, wenn dies wider Erwarten doch einmal der Fall sein sollte, nicht zu befolgen entschlossen war, wie die Erfahrung gelehrt hat. Für den Seekrieg dagegen unterwarf sich England keiner Beschränkung seiner weltbeherrschenden Macht oder setzt« sich in rücksichts losester Weise über diejenigen Vereinbarungen, die es ratifiziert hat, hinweg, z. B. über die Pariser Seerechts deklaration vom 16. April 1856, den Ausgangspunkt und die Grundlage aller neueren Vereinbarungen über den Seekrieg. England ist hinsichtlich des Seekriegs auf dem Standpunkt längst vergangener Jahrhunderte stehengeblieben, erkennt keine Beschränkung der Kampf mittel durch Verträge oder Rücksichten auf die Humanität an Md führt den Krieg nicht nur gegen die Angehörigen des feindlichen Staates, sondern auch gegen die Neutralen mit der gleichen Schonungslosigkeit. Für England gibt es ein Völkerrecht, durch welches es sich im Kriege gebunden fühlte, überhaupt nicht; was andere Völker als Verletzungen des Völker rechts empfinden, sehen die Engländer als erlaubten Ge brauch ihrer überragenden Macht zur See an. Verschiebung an der italienischen Front. Die neunte große Offensive der Italiener ist erfolglos zu Ende gegangen. Trotz ganz enormer Truppenmassen und trotz ungeheurer blutiger Verluste erzielten die Ita liener nur eine geringfügige örtliche Einbuchtung der Front unserer Bundesgenossen. Unsere Kartenskizze ver anschaulicht die geringfügigen Aenderungen an der ita lienischen Front seit den im August begonnenen riesen haften Anstrengungen der Italiener. Die Erfolge stehen, wie gesagt, in gar keinem Verhältnis zu der ungeheuren Zahl der geopferten Mannschaften und zur Menge des verbrauchten Materials. Aus Grotz-Verlin. * Reu» Zentner Gold gesammelt. Die Kronprinzessin, die Schirmherrin über die Einrichtung der Goldankauss« , stellen, besuchte am Freitag die Goldankaufsstelle im Preußischen Abgeordnetenhaus. Sie wurde von dem Vorsitzenden des Ehrenaussthusses, Oberbürgermeister Wermuth und dem Präsidenten der Reichvbank Dr. Havenstein empfangen. Der Kronpiinzessin wurde be- richtet, daß in Berlin in den ersten drei Wochen neben vielen Juwelen acht bis neun Zentner Gold abgkliefert worden sind. Aus dem Reiche. Humor eines Geschädigten. Der Rittergutsbesitzer Plüskow auf Buddow in Pommern erließ, wie die „Mecklenburgische Landesztg." mitteitt, folgende nette Bekanntmachung: „Der Bürger meister empfiehlt den hiesigen Einwohnern, sich nach Mög lichkeit Wruken zu besorgen, um die Kartoffeln zu strecken. Dieses Besorgen ist gleichbedeutend mit Kaufen, nicht aber, wie es anscheinend viele Einwohner verstanden haben, mit „Nehmen" ob ne Bezahlung. Bei dem Äusnehmen meiner Wruken hinter dem Schloßgarten und an der Tempelburger Chaussee haben sich so oielvi freundliche Helfer gefunden, daß ich denselben, wenn Pes es am Tage und gegen Bezahlung gemacht hätten, von Herzen dankbar gewesen wäre. Um dieses scheinbar« Mißverständnis in der Auffassung der Verordmmg des Bürgermeisters zu beseitigen, gebe ich, soweit der Vor rat reicht, auf Bestellung beim hiesigen Hausfrauenverein Eßwruken zu 2,50 für den Zentner ab." Fortfall der Frauenabteiie ln den Versonenzügen. Anläßlich der zugunsten des Güterverkehrs verfügten Zug- Verminderung ist eisenbahnamtlich angeordnet worden, daß die Frauenabteiie in den Personenzügen sortsallen sollen. Es soll dadurch der Platz besser ausaenutzt wer den, da erfahrungsgemäß vle Frauenabtelle ost gar nicht, meist aber nur sehr schwach besetzt sind. Aus dem gleichen Grunde sollen auch nach Möglichkeit keine be sonderen Abteile für Reisende mit Hunden eingerichtet werden. Eino Hasenloltorie. Für den Verkauf der dem Sangerhausener Nabrungsmittelamt überwiesenen Hasen hat dieses eine neuartige Maßnahme getroffen. Jeder Einwohner zieht aus einer Urne einen Zettel. Ist aus diesem Los clne Rümmer vermerkt, so erhält er dtzn ebenso numerierten Hasen, natürlich gegen Bezahlung. Zieht er eine Niete, so geht er natürlich bei der Hasen verteilung leer aus. -f- IS Frauen von dem Balkan-Zug gekittet. Sonn» abendvormittag gegen S Uhr fuhr in der Nähe von Wiihelmshagen an der Ostbahn bei Köpenick der Bälkan- zug in eine Schar von Streckenarbeiterinnen. Ach t zehn Frauen wurden getötet, eine Frau ver wundet. Aus aller Welt. -s- Sechsuhrlavenschluß in Frankreich. Ja ganz Frankreich ist der Sechsuhrladenschlüß mit der Begründung ein geführt worden, daß man durch diese Maßregel die Leistungsfähigkeit der Munitionsfabriken erhöhen wolle. Das ist aber nur ein Vorwand. Tatsächlich erfolgt die > Maßnahme, wie „Libertä" jetzt offen zugibt, infolge Ko h l e n m a n g e ls, der sich letzt neben der Transport krise geigt. Kohlen seien selbst zu hohen Preisen nicht zu beschaffen. Daher komme die Notwendigkeit, den Licht- verbrauch einzuschränken. Die Fabriken im Sommetzebiet, hätten wegen Kohlenmangel» schließen müssen. Die da durch entstandene Arbeitslosigkeit sei um so schmerzlicher, als im Sommedepartement alles Brennmaterial fehle, so daß man sich fragen müsse, wie man die Speisen kochen solle. -s- Anwekker in Frankreich. Seit mehreren Tagen wüten über Nordwest- und Sttdwestfrankreich hejtige Stürme mit Regengüssen. Vielfach werden Ueberschwem- muugen gemeldet, die teilweise die Herbstsaat vernichtet haben. Die Stürme haben Cebäudeschaden angcrichtet und den Telegraphen unterbrochen. Aus Brest, Rennes, Fecamp und Sables-Dolonne werden Unfälle von Schissen gemeldet. -s- Aeberschwemmungen in Italien. Mailänder Blätter melden, in Toscana seien große Ueber- fchwemmungen vorgekommen. In der Campagna sei un geheurer Schaden angerichtet worden, sodaß Militär auf geboten werden mußte. Weitere Einzelheiten fehlen noch. Auch aus der Poebene wird das Anwachsen des Flusses ge meldet. -s- Ein rumänischer Heerführer gefallen. „Temps* meldet aus Bukarest, daß General Draga lina, der unlängst zum Befehlshaber einer rumänischen Armee er nannt wurde, verwundet wurde und seinen Verletzungen erlag. Englische Truppen schon im Juli 1914 in Frank reich l Eine sehr bemerkenswerte Feststellung, die auf die militärischen Vorbereitungen der Entente bereits vor Kriegsausbruch ein Helles Licht wirft, enthält der Brief eines Franzosen, der aus St. Pierre, den 5. August 1014, datiert ist. Edouard Pepin schreibt darin an seinen Sohn Marcel wörtlich: „Seit 7 Uhr früh — und es ist jetzt 11 Uhr — kommt Artillerie von der 15. Division durch mit den Rekruten, die den Bries an Dich auf die Post bringen sollen. Das wird alles auf dem Bahnhof St. Aubin nach Angouläme verladen. Wir nehmen ch« auf, so gut wir können. Wir geben ihnen Obst und Ge tränke, wie wir es vor acht Tagen mit den Engländern gemacht haben." Die Engländer, die auf dem Bahnhof St. Aubin -- es kann nur St. Aubin-sur-Mer gemeint sein — nach AngoulLme verladen wurden, müssen dem ganzen Zu sammenhang nach unbedingt Soldaten gewesen sein. Durch eine gelegentliche Bemerkung, die wegen ihrer harmlosen Unabsichtlichleit besonderen Wahrheitswert hat, wird also hier die höchst interessante Tatsache festgesiellt, daß schon Ende Juli 1914 vor jeder Kriegs- erklärung englijche Truppen in Frankreich gelandet waren! „Ehrlose Besitzer«. Unter dieser Spitzmarke ging dieser Tage eine Bekanntmachung des Landrats des Allcnsteiner Kreises durch die Blätter, derzusolge die dortigen Landwirte ihre Kartoffelvorräte in überpslügten Mieten verheimlichen. Jetzt wird über ein gleich verwers- liches Vorgehen vieler Landwirte des Meppener Kreises berichtet. Das in Meppen erscheinende Zentrumsorgan „Hümmlinger Volksbl." schreibt unterm 3. November: „Bei einer behördliche»! Rachreoistoa der Kartoffel bestände im Kreise Meppen wurden bi» jetzt über 80000 Zentner unangemeldete Kartoffeln vorgesunden» welche größtenteils in versteckten Mieten verborgen waren." — Hoffentlich werden diese Meldungen ein Anlaß, daß man auch anderwärts sich einmal gründlich nach Kartoffeln umsieht. Die Lage der internierten Deutschen in England. Ein Leser stellt dem „Berl. Tagebl." einen von der Zensur genehmigten Brief eine» auf der Isle of Man internierten Deutschen zur Verfügung. Bon allgemeinem Interesse ist der Anfang de» Brieses: „Knockaloe, d. o. M., 29. 9. 16. Geliebte Mutter! Wie Du aus obiger Adresse ersiehst, bin ich nach all meinen Irrfahrten wieder auf diese Insel angelangt, die so ziemlich von der Außenwelt abgeschlossen ist. Sage es allen, die es hören wollen und die in Frage kommen, daß die Leute in den Schützengräben es gar nicht wissen, wie güt sie es haben im Vergleich zu unserem Los hier. Was uns aufrecht erhält, ist der Glaube auf Erlösung srüher oder später. . . Das ist wieder ein Bild von Old-England al» „Kultur"ttaat.