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(Nachdruck verboten.) lich an so regt waren halten. Eingelullt von der köstlichen Ruhe, die hier oben im Hochwalde zwischen den mächtigen Tannenstämmen herrschte, nahmen die beiden fremden Eindringlinge ihre Strohhüte jetzt von neuem ab, wischten sich den reichlich von Stirn und Hals niedertropfenden Schweiß ab, dann aber setzten sie sich, und der eine zog nun die bisher unter dem Arme gehaltene Papierrolle hervor und breitste den mächtigen Bogen vor sich im Moose aus. Auf die etwas widerspenstigen Ecken, die sich immer wieder zusammenrollen wollten, legten sie zu sammengesuchte größere Kieselsteine, die sie aus dem Boden gebrochen hatten, wo sie bisher, in die samt weichen Flechten der Matten eingebettet, geruht und niemanden gestört hatten. Nach einer kurzen Ruhepause beugten sie sich über das Papier — es mußte wohl eine Karte sein —, sprachen kurz miteinander; als Resultat dieser kurzen Unterredung konnte Fritz mit dem Ulanenkameraden nur sehen, wie der eine dieser Burschen seinen Zeige finger auf einen bestimmten Punkt des Bogens legte und der andere nun begann, in bestimmten Richtungen vorwärtszuschreiten, und zwar ausgerechnet da, wo bei der Uebung die deutschen Maschinengewehre gestanden hatten. Nun zog der Kerl — so benamste Fritz den Franzosen, denn er sah in ihm unbedingt einen Spion —, der so eifrig herumlief, noch eist Bandmaß aus der Hosentasche und maß die abgeschrittenen Ent fernungen noch einmal genau nach, rief seinem Adlatus etwas zu, der nun seinerseits Eintragungen in die Katte — es war eine, davon waren die beiden Deutschen fest überzeugt — machte. »Solche Gauner, solche Hallunken, o solche Schufte!" och nicht wenigstens, denn die Grenze war ja nicht wie in Rußland abgesperrt, ja sie stand jedermann offen. Was allerdings im Schoße der Zu kunft noch alles lag, das wußte nie mand, auch die beiden Lauschenden nicht, die augenblicklich wohl auch schwer- etwas Aehnliches dachten. Aber wild er- sie, denn es gibt kein schlimmeres Gefühl als mitansehen zu müssen, wie andere schlechte Handlungen begehen, von denen man weiß, daß sie der Mensch heit oder wenigstens einem Teil derselben schaden, und man kann gegen sie nicht einschreiten. Das schmerzte hier ganz besonders die beiden deutschen Soldaten, deren Herzen ihnen bis oben in die Kehle schlugen, aber sie mußten sich mucksmäuschenstill ver Morgenrot! Roman von Wilhelm v. Trotha. (3. Fortsetzung.) dachte der Jäger, „und die sollte man so einfach laufen lassen? Nee, ihr Burschen, euch wollen wir den Spaß, hier herumzuschleichen und Malerkünste zu üben, sehr schnell versalzen I Trotzdem verharrten beide noch mäuschenstill in ihrem Versteck." Es wurde Fritz wie seinem Kameraden immer klarer: die beiden da vor ihnen waren elende Spione, die man unschädlich machen mußte! Rede und Gegen rede hörten die beiden wohl, aber sie verstanden nichts davon. Jetzt trat der Kleinere von den beiden Franzosen dicht an einen Baum heran, lehnte sich gegen den mächtigen harzentströmenden Stamm und schaute an gelegentlich durch ein Instrument, das er am Baum, haltend stützte und an den Augen hielt; ab und zu rief er dem anderen ein Wort oder eine Zahl zu, dann beobachtete er weiter; jetzt schien er fertig zu sein und entfernte sich von dem grauen Tannenstamm, aber ein Stückchen seines linken Aermels war an demselben am Harz klebengeblieben, und so sah er sehr wütend zu dem Stamm hinauf. Hierbei entdeckte er das Zeichen, sah es auch an anderen Bäumen und machte seinen Kollegen darauf aufmerksam. Beide besahen sich die Sache etwas näher und machten sich daraufhin in ihre kleinen Büchlein und die Karte Notizen. Der andere schritt wieder von Baum zu Baum. Nun schien Mr den deutschen Jäger der Augenblick zum Handeln gekommen zu sein, er lockerte ein wenig den neben ihm liegenden Hirschfänger und gab seinem Nachbarn einen gelinden Rippenstoß. Während dieser ganzen Zeit hatte Lotte sich in ihrem Versteck vollkommen ruhig verhalten, und keiner der beiden Männer hatte auch nur im entferntesten an das Mädel gedacht. Wie die vier Männer nachher ganz plötzlich hand gemein geworden waren und der Bruder dann 'nen Schuß ins Bein bekommen hatte, wußte sie selbst nicht; erst auf das Knallen zweier Schüsse sprang sie hoch, drang ohne jede Rücksicht auf ihr weißes Kleid durch das Tannengebüsch wieder vor, und nur ihr wilder Aufschrei ließ die Kämpfenden für Augenblicke ihre Gegenwart sich ins Gedächtnis zurückrufen- oder er kennen. Der eine Franzose stand dicht neben ihr und starrte ihr für Sekunden in das entsetzt dreinschauende Gesicht, dann aber ergriff auch er gleich seinem Kameraden die Flucht und ließ alles im Stich, nur um sich selbst in Sicherheit zu bringen.