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„Nicht immer, aber „Meist!" „Ja, leider meist," sagte sie. „Miß Wilcox, wir sind da auf ein sehr heikeles Gebiet in unserer Unterhaltung gekommen. Wir wollen es lieber fallen lassen," setzte er ihrer Be stätigung schnell hinzu, „denn einmal ist es bei uns Deutschen mit unseren Gastrechtsitten nicht Brauch, einem Gast etwas Unangenehmes zu sagen, und, rein persönlich gesprochen, möchte ich mir auch durch meine Offenheit Ihre Ungnade nicht zuziehen, dazu sind Sie mir zu lieb und wert." Miß Ethel sah ihn mit einem zweifelhaften Lächeln an, das sich sehr schwer deuten ließ, sagte darauf aber ruhig: „Lieber Herr Baron, bitte schätzen Sie mich nicht genau so ein, wie Sie das Recht haben, es mit den meisten meiner Landsleute zu tun! Ich habe wegen dieser Dollarunehrlichkeiten schon recht oft sehr heftige Auseinandersetzungen mit meinem Papa gehabt. Ich bin für Wahrheit und Ehrlichkeit!" Kurts Augen leuchteten bei diesen Worten strahlend auf, und so sahen sich die beiden mit solcken Blicken für Sekunden an. Sie hatten sich verstanden. „Kommen Sie!" bat er und reichte ihr die Hand zum Aufstehen. Elastisch erhob sie sich, und beide schritten nun, jedes mit seinen Gedanken beschäftigt, den mit Tannennadeln besäten Weg entlang, dem Borkenhäuschen zu. — Sie sprachen kein Wort und sahen sich beide, am Borkenhäuschen angelangt, nur sehr erstaunt an, denn von da drinnen klangen ihnen Stimmen entgegen. Wie auf Verabredung blieben sie stehen und konnten an der Sprache den Herrn Kadetten und Fräulein Gertrud, die Schwester Kurts, erkennen. Gleich darauf kehrten sie um und wanderten in dem herrlichen rauschenden Tannenwald mit seiner sonntäglichen Stille dahin. Hie und da krächzte ein Häher oder eine Krähe, und spottend überquerte in ihrem wippenden Fluge ein Elsternpaar den Weg oder rief ein von Baum zu Baum fliegender Grünsprecht sein Tü—ttü— ttü—ttü—ttü—tüü—üüh. Fasanen huschten in langen Läufen über die Schneusen, und als die beiden einsam Dahinwandernden tiefer in den Forst vorgedrungen waren, sprang schreckend ein starker Sechserbock ab und brach durch-das dichte Niederholz. Verlassen wir die beiden, von denen schon hier verraten werden kann, daß sie sich recht gut unter hielten und für den folgenden Tag eine Reitpartie verabredeten. — Als der Kadett Walter und Fräulein Trude im Borkenhäuschen angekommen waren, setzten sie sich, wie zwei Turteltauben, auf die Bank. Schweigen war zuerst die Parole für sie. „Hier ist es sehr schön," sagte plötzlich sehr schüchtern der Kadett, so daß Trude ihn ganz erstaunt von der Seite ansah. „Finden Sie?" warf die junge Dame etwas leise, aber mokant ein. „Ja und — sehr abgelegen," fügte er sich um sehend hinzu. „Ganz recht, Herr Walter, und sehr abgelegen. Einer von uns," sagte sie nun sehr resolut, „muß einmal die Initiative ergreifen, und wir beide, mein Herr, müssen, wie sich die Weltlage nun einmal ge staltet hat, heute miteinander ins reine kommen. Es steht, wie Ihnen wahrscheinlich nicht unbekannt sein dürfte, ein Krieg vor der Tür, und da heißt es: Maren Tisch machen'!" „Oh, meinen Sie? Aber gewiß, ich stimme Ihnen vollkommen bei. Zum Donnerwetter! jawohl, wir müssen uns einmal gründlich aussprechen. (Fortsetzung folgt.) sie lustig machte und seinen Kameraden herausstrich, wo er nur konnte. Statt dessen sagte er: „Lassen wir das und sprechen von der Gegenwart!" „Gut, mein Herr Leutnant, ich werde mich mit Ihnen über die Gegenwart unterhalten," und dennoch machte sie eine Pause und sah wie verträumt in die Ferne. Kurt befand sich in einem gar eigenartigen Zu stande; er sah bald das schöne Mädchen, das da so einfach, natürlich und doch so graziös vor ihm im duftigen Moose saß, an, bald schweifte auch sein Blick hinaus in das von der Sonnenglut sattgetränkte, heiße Land. Ja, was ging denn nun eigentlich mit ihm vor? War er denn bereits bis über beide Ohren in dies "süße amerikanische Girl verliebt? Er mußte an den Augenblick denken, an dem ihm vorhin der Papa die Ankunft der Miß mitteilte, und jetzt bekam er wieder einen roten Kopf über den, den er vorher gehabt hatte. Zu dumm! Er war doch kein Tertianer mehr, sondern nun schon einhalb Dutzend Jahre wohlbestallter könig lich preußischer Leutnant, na und der muß sich doch in der Gewalt haben! Nach und nach aber bekamen seine Gedanken eine bestimmte Richtung, und so be schloß er denn im stillen folgendes : Ich werde mir das amerikanische Goldfischchen erst einmal sehr genau aus der Nähe betrachten. Dann erst werde ich sehen, wes Geistes Kind sie ist. Zudem steht, wenn nicht alles trügt, ein Krieg vor der Tür, und da muß der Soldat 'n klaren Kopf und kein volles, wildschlagendes Herz haben, sondern kalt sein, wie 'ne Hundeschnauze. Das stand nun bei ihm fest, und so griff er denn den letzten Teil seiner Gedanken an den Krieg auf und begann mit ihm den abgerissenen Faden der Unter haltung wieder aufzunehmen, indem er seine schöne Begleiterin fragte r „Haben Sie auch schon daran gedacht, daß gar bald hier in Europa ein großer Krieg toben kann?" „Nein", gab sie ehrlich und erstaunt über seine ihr sehr unerwartet gekommene Frage zurück. „Warum denn auch?" „Nun, dieser Fürstenmord ist eine hochpolitiscke Tat, die einen Krieg sehr leicht im Gefolge hüben kann." „Wie, deswegen würden hier in Europa ganze Völker mit den grimmigsten Mordwaffen aufeinander losgehen?" „Wegen der Tat allein nicht, Miß Wilcox, aber wegen des Zusammenhanges der Personen mit ihren Völkern; wenn in einem monarchisch regierten Lande das Oberhaupt oder sein Nachfolger oder näherer Ver wandter ermordet werden und zwar von Personen eines an sich schon feindlich gesinnten Nachbarstaates, so ist das ein hochpolitischer Akt, und da können die eigenen Völker des Betroffenen nicht stillschweigend dabeistehen und diese schwerste Beleidigung so einfach über sich ergehen- lassen!" „Also mmß geschossen werden", schaltete siefragend ein und schüttelte zum Zeichen der Verständnislosigkeit eines derartigen Gebarens ihren goldblonden Kopf. „Erst arbeitet die Diplomatie, und wenn sie mit ihrer Weisheit M Ende ist — und das ist gewöhnlich sehr schnell der "Fall, denn was heißt Diplomatie ? alles und nichts in solchen Fällen zu können, und dasNichts überwiegt meist das Wes — na, dann kommt die „ultima rativ I-SUS" in der Soldatensprache: Bumm, bumm, bumm! das sind die Kanonen." „In Amerika macht man nicht so viel Aufhebens davon. Man ni mmt die oder den Täter fest, stellt ihn vors Gericht unt> „Und sprich t ihn aus irgendwelchen Gründen frei oder erkauft die Richter, denn da drüben herrscht doch nur eine einzige Größe — der Dollari" schaltete er lebhaft ein.