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bell« »ä« lchlechw, si, « rr veräirnt. i> i n r I. sonderbaren Behausung wieder an das Tageslicht kam, blieb uns unbekannt. Nur so viel steht fest, daß keiner mehr den ^.schönen Heinrich" zu Gesicht bekam, fort war er, spurlos und diesmal für imm^r verschwunden. „Schade," meinte einige Tage später einer der Hoch zeitsgäste, „daß er mir nicht seine Adresse zurückgelassen hat, ich würde ihn mir sonst, falls ich mich jemals ver heiraten sollte, ebenfalls als Küchenmeister angestehlt haben; denn ohne ihn hätten wir schwerlich eine Hoch zeit so vergnügt wie diese erlebt." Die Zeitung der Sträflinge. Neben anderen Ge fängnissen besitzt Madrid eines, das sich mit einem gewissen Recht des Rufes eines „Mustergefängnisses" erfreut. In diesem hatte sich vor einigen Jahren, wie im „Bollettino della Federazione della Stampa" erzählt wird, eine Gruppe von Journalisten gebildet, die heimlich für die Insassen des Gefängnisses eine eigene Zeitung schrieben, druckten und verbreiteten. Die merkwürdig« Zeitung nannte sich „Fuerza"; sie war in schönen Buchstaben geschrieben, auf Stein in zwei Farben gedruckt und hatte einen geschmackvollen Kopf, von einem Künstler gezeichnet, der sich unter dem Pseudonym „Cäsar" verbarg. Der Leiter des Blattes war ein berühmter internationaler Fälscher, der viele Sprachen kannte und Ar tikel in Spanisch, Französisch, Deutsch, Englisch und Italie nisch abfassen konnte. Der Zeichner und die anderen Schrift leiter waren sämtlich Diebe, die die Zellen der zweiten Galerie bewohnten; man sprach daher von der „Galerie der Intellektuellen". Die Zeitung besaß auch eine Geschäfts stelle und „Akttonäre", ja, sie hatte sogar eine Abteilung für die Anzeigen auf der vierten Seite. Die Anzeigenseits war besonders interessant, denn durch sie erfuhr man, daß man im Gefängnis für wenige Pfennige eine Tasse Tee erhalten konnte, daß es darin eine Reihe von Industrien gab, die für die Lebensbedürfnisse der Insassen sorgten, daß es selbst an verschiedenen „Psandleihhäusern" nicht fehlte. Die Zeitung war sehr gut geleitet und erzielte unter den Sträflingen einen starken Erfolg. Die zweite Nummer von „Fuerza" berichtet darüber in einem Jubeb- arttkel unter dem Titel: „Unser Erscheinen". Die ehren werten Diebe begnügten sich nicht mit Moralpredigten, sie erzeugten auch Literatur und trieben Philologie. Sie eröffneten Abstimmungen unter den Kollegen über die richtige Schreibweise eines Wortes, sie beschäftigten sich mit „Ge sundheitsmaßregeln" in der Verwaltung des Gefängnisses, wobei sie die verschiedenen Belästigungen anführten, die sie in den Nächten erfuhren; sie machten Verse, denen immer die letzte Spalte der vorletzten Seite Vorbehalten blieb. Sehr verschiedenen Inhalts waren die Wirtschaftsanzeigen. Die Gefangenen boten einander zu mäßigen Preisen Pan toffeln, Kaffee, alte Wäsche, Unterrichtsstunden, Firnisse, Streichhölzer usw. an. Welche Umstände einem so ver- dienstlichen und gutgehenden Blatte schließlich doch die Fort dauer unmöglich gemacht haben, wird in der Fachzeitschrift leider verschwiegen. Denkspruch. wenn äer Kus cin« Menschen erst einmal teststehl, ist er immer sicherte ein Lakai, nach ihm durchsucht, nirgends aber habe man eine Spur von ihm gefunden. Mit Windeseile verbreitete sich diese Nachricht unter den Gästen. Einige lächelten Wohl, andere nahmen die Sache wieder ernster, ja sogar das Wort „Selbstmord" wurde hörbar! — Doch für die Frau des Hauses blieb nicht lange Zeit zum Nachdenken. Kurz entschlossen, die lange Seiden schleppe über den Arm gerafft, betrat sie den Küchen raum. Ihrem Beispiel folgten andere Damen, und in wenigen Augenblicken bot sich den Zuschauern ein selt samer Anblick dar. Mitten unter einer Schar frei- williger Helfer und Helferinnen, junge Damen in bunter Pracht, Kammerzofen, Stalljungen in knallroten Röcken, stand Gräfin B. wie ein Feldherr und suchte Ordnung in das Chaos zu bringen. Natürlich hatte die junge Männerwelt die Komik der Situation sofort völlig erfaßt und versuchte durch scheinbare Hilfeleistung den Wirrwarr nach Kräften zu verstärken. Ein junger Offizier zog sich sogar den frischen Küchenstaat an, den der „schöne Heinriche sich für sein Tagewerk zurechtgelegt hatte, und suchte den Ver schwundenen möglichst getreu zu kopieren. Stürmische Heiterkeit lohnte ihn für dies Unternehmen. Lächelnd sah die Hausherrin diesem fröhlichen Treiben einige Zeit zu, dann aber schied sie entschlossen die brauch baren Helfer von den unbrauchbaren und beförderte die letzteren aus den geheiligten Räumen der Küche. Glücklicherweise hatte es der /.schöne Heinrich" an einer gründlichen Vorbereitung der Gerichte nicht fehlen lassen, und so galt es, überall nur noch die letzte Hand anzulegen. Schnell wurden Braten um Braten in die mächtige Röhre geschoben, auf dem Herde dampfte und brodelte es, allerhand liebliche Gerüche verbreiteten sich, und dank der vielen fleißigen Hände gelang es, das Werk des „schönen Heinrich" in überraschend kurzer Zeit zu gutem Ende zu führen. Das Hochzeitsmahl mit Hindernissen wurde aller seits mit vorzüglichem Appetit eingenommen, gute Weine sorgten für eine fröhliche Stimmung. Trinksprüche, allerhand scherzhafte Gedichte kamen zum Vortrag, die vorausgegangene Störung war längst vergessen. Da erschien plötzlich der Leutnant von vorhin, noch immer in weißem Küchenstaat, im Rahmen der Saaltür und wand sich schier vor Lachen. -Kat ihn schon, hat ihn schon!" sprudelte er schließ lich in übermütiger Weinlaune hervor! „Was hat, wer hat?" tönte es ihm sofort von allen Setten ent gegen. Aber er antwortete nicht, sondern winkte nur, ihm- zu folgen. Sofort war der Speisesaal leer, paar weise, mit voranschreitender Musik, folgten die Hoch- zeitsgäste ihrem winkenden Führer. Zehn Minuten vom Dominium entfernt besaß, die Gräfin eine Spiritusbrennerei. Einer der großen Kessel war schadhaft geworden, man hatte ihn zum Ausbessern auf eine nahe Wiese gerollt, und dort harrte er nun seinem weiteren Schicksal. Als die Hochzeitsgäste an- kamen, wichen die Männer, welche den Kessel'neugierig umstanden, zur Seite, und nun erblickte man mitten drin „im Aaß" schnarchend und wirklich „lieblich an- zuschaun", den „schönen Heinrich". Mit dem rechten Arm umklammerte er, sie fest ans Herz drückend, eine Flasche Curayao, eine zweite Flasche, die Cognac ent- halten hatte, lag leer zu seinen Füßen. Nun war das Rätsel gelöst. Um irgendeinen Kummer zu ertränken, hatte der „schöne Heinrich" zu tief in die Flasche ge schaut. Gerüttelt und geschüttelt hat man nun den armen Heinrich, aber erst der Strahl eines Garten schlauches schien wieder Leben in seine Glieder zu bringen. Ein kräftiges Niesen kündete sein Erwachen an, dann aber vernahm man wie aus Grabestiefe die Worte: „Ist ja so finster hier, gehen Sie mir doch ge- fälligst aus der Sonne!" Wie dieser moderne Diogenes dann später aus der