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Hause um. (Fortsetzung folgt.) Woher hast du denn mit deinen noch nicht mal vollen siebzehn Jahren diese Weisheit?" wandte sich der Alte an sein Töchterchen, setzte aber, ehe sie ihm eine Ant wort geben konnte, hinzu: „Uebrigens paßt der Augen blick sehr gut, dir zu sagen, daß Mama und ick be schlossen haben, dich im Herbst und über den Winter nach Berlin in eine Pension gleichalteriger Damen zu stecken, damit du dort den letzten Schliff bekommst." Trude war starr, und was ihr noch nie in ihrem kaum siebzehnjährigen Dasein vorgekommen war: sie war — sprachlos. So konnte denn der Oberst, der sich auf einen leidenschaftlichen Protestausbruch vorbereitet hatte, nun beim Ausbleiben dieses töchter lichen Gewitters ruhig fortfahren und sagte: „Kommt bei Lage der Dinge wirklich ein Krieg dazwischen, dann mußt du eben, so gut du es kannst, Mutter hier helfen, denn ich mache sofort bei Ausbruch eines Feldzuges aus dem Schloß ein Iohanniterlazarett. Jedenfalls sollst du auch bei deinem Pensionsaufenthalt in der Krankenpflege, soweit es für eine Hilfsschwester nötig Ist, ausgebildet werden." „Hm, tja, Papa, ich bin starr," sagte Trude sehr zögernd, aber fügte wohlweislich weiter nichts hinzu, denn die Sache war doch sehr verlockend, und dennoch beging sie eine kleine Ungeschicklichkeit und fragte: „Nicht wahr, Tante Malwine wohnt in Lichter felde ?" „Warum fragst du das?" gab er etwas mißtrauisch zurück und warf ihr von der Seite her einen kurzen, prüfenden Blick zu, um beim Erröten seines Lieblings schmunzelnd hinzuzufügen: „Du kannst ja nachher deinen Intimus Walter fragen. Der Herr Selektaner steht ja in Onkel Fritzens Kompagnie." „I—a—a—a— das kann ich ja wochl tun," gab sie mit möglichst gleichgültigem Tonfall in der Stimme zur Antwort, hielt es aber in Anbetracht dessen, daß das Rot der Erdbeeren mit dem ihrer runden Bäckchen sehr stark zu wetteifern begann, für gut, das feine, zierliche Köpfchen tief zur Seite zu neigen. Plötzlich hob sie den braunen Lockenkopf, stürzte ans Fenster und rief halb über die Schulter hinweg ihrem Later zu: „Papa, da kommt Kurt wie ein Verrückter ange jagt I Donnerwetter sieht der Harras aber aus! Kein trockenes Haar hat ja der Gaul auf dem Leibe! Ich werde mich mal umsehen, daß das Tier im Stall gut abgerieben wird, denn der Kurt stürzt ja wie ein Ber serker ins Haus herein! Und nach diesen Worten flog sie, ohne irgend eine Antwort abzuwarten, zur Tür hinaus und eilte, draußen angekommen, über den Hof. Sie hörte im Vorüberrennen nur noch, wie der Bruder ganz außer Atem rief: „Beide sind erschossen!" dann war sie weg. Zwar schaute die noch eben über das abgejagte Pferd so aufgebrachte junge Dame einen Augenblick in den Stall, eilte dann aber durch ein Nebenpförtchen in den anstoßenden Garten und von da aus in den großen Park. Jetzt wußte sie ja, was sie hatte in Er fahrung bringen wollen, nämlich: Herr Walter kam Mit, und so galt es denn, schleunigst die Gedanken zu ordnen, um beim Eintreffen von Landrats dem etwas schwerfälligen Jungen mit einem, dieses Mal sogar zwei fertigen Plänen für ihre Zukunft entgegen zutreten. Der eine lautete für den Friedens-, der andere für den Kriegsfall! Trude war mit sich äußerst zufrieden. — „So, Papa", schnaufte Kurt eintretend, da bin ich wieder. Hier sind die ersten Extrablätter über die Schreckenstat. Ich habe nur flüchtig hineingeschaut und bin dann gleich losgesaust. Im Borbeireiten sprach ick nur den dicken Rittmeister v. Ullmann von den Ulanen, der mir lakonisch zurief: „Sie, Wussow, i ch lasse für alle Fälle meinen Kriegssäbel morgen schleifen!" „Komm mit ins Arbeitszimmer," unterbrach der Alte den Sohn, „spüle deine trocken gewordene Kehle erst gründlich aus, in der Zeit habe ich die Zettel da einer Durchsicht unterzogen! Halt," setzte er kurz überlegend hinzu, „das geht ja nicht, du muht dick schleunigst umziehen, denn Landrats mit ihrem Besuch haben sich angcsagt und können jeden Augenblick in den Hof eintöffen. Da, versuch' mal die Bowle und dann mack' dich — schön, denn — Miß Wilcox kommt auch mit!" „We—e—e—e—e—r, die hübsche Miß Ethel Wilcox aus Philadelphia wieder mal hier?" „Ja ja, was ist denn dabei?" „O—o—o—o—oh, nischt weiter, Vater, aber 's ist 'n famoser Kerl und " „I, mein Jungchen/rot, wie'n verliebter Ter tianer, brauchste nicht zu werden, aber nu mach', daß du raufkommst, und zieh dich um, 's wird Zeit." Vater Wussow zog ein gar komisches Gesicht und murmelte, allerdings nur halb bei der Sache: „Habe doch 'n paar merkwürdige Iöhren, werden beide rot, wenn sie hören, daß Besuch kommt! Donnerwetter oller Herr, sei uff der Hut: Walter und Trude und Kurt und die Miß! Ei ja, da rpuß ich gründlicher aufpassen! Tja, aber heute, nee, weeß Iott, da habe ick keene Zeit für solche Liebes tändeleien." Und mit den Worten ließ er sich in seinen Leder sessel fallen, setzte den Kneifer auf und vertiefte sich in das Extrablatt. 4. Kapitel. Allerlei Pläne. „Ta—tü ta—ta—ta!" erklang da das Signal des landrätlicken Autos. Trude horchte von ihrem Ver steck im Parke auf und sah eben noch, wie das Auto durchs Parktor bog und dann vor die Freitreppe des großen Herrenhauses schnaufte. Die junge Dame war äußerst zufrieden, denn der Herr Kadett saß, wie sie es genau hatte feststellen können, mit im Wagen. Wie von ungefähr kam sie gerade, als die Herr schaften dem Auto entstiegen, dahergeschlendert und begrüßte den Besuch mit allseitig gönnerhaftem Zu nicken, während sie jedem die Hand reichte; nur Frau v. Klützow, die Frau Landrätin, erhielt einen freundlich oertraulichen Handkuß; sonst ging die allgemeine Be grüßung nach Trudes Ansicht programmäßig vor sich, und man betrat gemeinsam das große Herrenhaus. Als letzte: der Herr Kadett mit dem gnädigen Fräulein. Walter v. Klützow tat bei allem, was er vornahm, als rechter und echter Kadett ungemein wichtig und gab sich im Kadetlenjargon als einen ganz kolossalen Kerl. Sie stützte sich höchst vertraulich auf seinen dargebotenen Arm und nahm die kleinen Aufmerksamkeiten des jungen Herrn mit sichtbarer Freude entgegen, schien aber dem Grundsätze zu huldigen: man darf den Männern nicht zeigen, daß man sich für sie interessiert; demgemäß rar sie auch etwas von oben herab, konnte aber dennoch Mund und Augen nicht so im Zaume halten, wie sie es als wirkliche Dame für angebracht und durchaus wünschens- wert hielt. Miß Wilcox, von dem jungen Ulanenoffizier ge führt, sah sich höchst erstaunt in diesem merkwürdigen