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geringen Habseligkeiten in einen nahe gelegenen dichten Niedertannenbestand hinein. Das junge Mädchen verbarg sich so tief im Inneren, daß man von keiner Seite ihr hell leuchtendes, weißes Kleid sehen konnte, während sich die beiden Soldaten so geschickt ver steckten, daß sie mit den Augen jede Bewegung der beiden Männer zu beobachten vermochten, daß die des Oberjägers nun wirklich so funkelten und glühten wie die Lichter eines auf der Lauer befindlichen Wolfes, der nur auf den Augenblick lauert, sein Opfer anzufallen und niederzureißen. „Paß genau auf alles auf!" raunte Fritz dem Kameraden zu, „iit's nötig, dann greifen wir zu. Sonst lieg mäuschenstill!" Der Ulan nickte kurz. So lagen sie nun auf der Louer, und vier Augen bohrten sich förmlich in die Gesichter der langsam Heraufsteigenden hinein. Jetzt blieb einer der Fremden stehen und hob langsam den Kopf, ähnlich einem sichernden Reh. Der Mann war mittelgroß, hatte ein rundes, wenig anziehendes Gesicht, aus dem ein Paar unstet bin- und herflackernde Augen leuchteten, deren Farbe ähnlich dem kleinen Schnurrbart und der Fliege am Kinn dunkel war. Als er nichts Verdächtiges wahr nahm, riß er seinen Hut vom Kopf, und nun sahen die beiden deutlich, wie sich die nicht eben hohe Stirn fast schneeweiß gegen das dunkelbraun verbrannte Gesicht abhob. Der Anzug, den jener trug, war ein einfacher Touristenanzug, wie man ihn in jenen Gegenden an und über der Grenze hier ost sieht, und wie auch sein Begleiter einen anhatte. Dieser hielt sick nicht so straff und gerade wie der erste, sondern ging mehr den saloppen Schritt des Weltbummlers, dennoch sah man auch ihm an, daß er sonst eine andere Beschäftigung haben mußte, als in den Bergen und Wäldern des Wasgaus herumzustreifen, und der deutsche Oberjäger hatte einen recht guten Blick für solch Wandervolk. Deshalb sagte er ganz teise zu seinem Kameraden: „Du, das sind Franzosen! Offiziere von jenseits der Grenze," setzte er sodann hinzu. Konrad klappte, zum Zeichen verstanden zu haben, nur die Augen lider nieder und dann wieder auf. Die Spannung im Gesicht des ersten Franzosen ließ plötzlich etwas nach, und es hatte den Anschein, als wolle er damit eine gewisse Zufriedenheit zum Ausdruck bringen, hier in der Gegend nichts Ver dächtiges gefunden zu haben. Dennoch schritten beide eifrig suchend weiter, bald den Erdboden, bald die mächtigen Tannenstämme musternd. Plötzlich blieb der eine wie angewurzelt stehen und sagte zu seinem Kameraden: «8e, won camaracke, voila—et lä IL — IL — !ä!» Sodann begannen sich beide eifrigst in französischer Sprache zu Unterhalten, aber von alle Lem konnten weder der Jäger noch der Ulan etwas verstehen. Wohl ahnte der deutsche Jäger, über was sich jene unterhielten, und was sie gefunden hatten, aber erst galt es abzuwarten, was jene nun beginnen würden. Ihre Gestikulationen zeigten zur Genüge, daß sie die Stellen entdeckt hatten, auf denen letzbe Nacht die deutschen Maschinengewehre gestanden hatten, und da wußte denn Fritz genug. „Himmel diese Schufte I" zischte er Lacher leise und suchte nur mit Mühe seine wild tobenden Gedanken zu ordnen. Am liebsten wäre er Len Leiden Fran zosen an die Kehlen gesprungen und hätte" sie erwürgt oder mit dem Hirschfänger äbgenickt. Aber das ging nicht so einfach an, und es war gut, daß diese beiden versteckten deutschen Soldaten auch Se lbstüisziplin kannten, und so verharrten sie ruhig in ihi em Llersteck. Jene beiden taten ja auch nichts Verbotene s. (Fortsetzung folgt.) einen mit den Pferden ein wenig unsicher, der Wald ist mir da hinten zu dicht, aber — ja — weißt du —" er machte eine kurze Pause, stgrrte hinüber, dahin wo die Grenze liegt, und fuhr dann eifrig fort: „ja, Donner- klitz, was muß von hier aus 'ne Batterie oder gar 'ne Maschinengewehrkompagnie schaffen können,, wenn da vorne die Bäume erst weg wären! Du — über das Wegekreug da unten kommt keine Katze lebendig rüber, wenn von hier oben jemand anständig dahinunter- funkt." „Nee", bestätigte im Brustton wahrster Ueber- zeugung der Oberjäger und setzte noch einmal des Schwagers Worte hinzu: „Da kommt keine Katze rüber!" Erst allmählich konnten sich die drei von dem herrlichen Rundblick losreißen, bis endlich Lotte, als die materiellste, sich umschaute, einen halbverdeckten, umgestürzten Baumstamm entdeckte und auf ihn zu schritt. Hier zeigte sie sofort, daß in jedem gut er zogenen deutschen Mädchen schon sehr früh eine gute Hausfrau steckt, denn sie begann sofort die mitge nommenen Butterstullen, Eier und anderen leckeren Kostbarkeiten aus dem mitgebrachten Körbchen heraus zukramen und dem Papier zu entwickeln. „So, meine Herren", rief sie lachend, „immer ran ans Vergnügen! Fütterung der Raubtiere!" „Raubtiere is gut", rief lachend der Ulan, und auch der Bräutigam der jungen Dame meinte, sich vom An blick der Landschaft losreißend: „In welche Kategorie komme ich denn in deiner Menagerie, Schatz?" „Du", rief sie lachend und ihn schelmisch ansehend, „du bist ein reißender Wolf!" „Also reißen wir", rief er seelenvergnügt, schnallte seinen Hirschfänger ab und warf sich, einen mutwilligen Aufjauchzer ausstoßend, ins Moos. „Du, so brüllt aber kein Wolf", sagte Lotte lachend. „Nee Kleine, da hast du recht! Aber" — setzte er mit bedeutsamem Fingerheben hinzu: „ein Wolf brüllt nicht, ein Wolf " „Du", unterbrach ihn der andere kauend, „die miauen! Wie?" „Herrgott noch eins, Kinder, seid ihr aber dumm! So'n Wolf — heult!" „O jeh! Du, Fritz, nee, wenn Wölfe heulen und du derartige Wolfmanieren hast und nur immer — Heu—eu—eulst, dann mag ich dich nicht! Dann suche dir eine andere Braut!" . Unter derlei lustigen Weidmannsreden war das Mahl höchst anregend verlaufen, und alle wollten sich gerade zu einem kleinen „Schläfchen nach Tisch" ins grüne, duftende Moos strecken, als Fritz zunächst den Kopf hob und dann eine merkwürdige Entdeckung machte, während die beiden anderen langsam ein- druselten. Zwei Männer stiegen langsam von jenseits der Grenze den Bergpfad herauf. Bald blieben sie stehen und besahen prüfend den Pfad und die Bäume, bald sahen sie hier-, bald dahin mit ihren Ferngläsern. Ab und zu bückte sich dieser oder der andere, und dann schritten sie, in gleichmäßigen Abständen haltmachend, größere Entfernungen ab. Unter dem Arm hatte jeder eine größere Papierrolle, und in sie machten sie immer nach solch einem Manöver Aufzeichnungen. „He, Lotte, Konrad, wacht auf", sagte der Jäger und schüttelte die beiden Schläfer. „Ss, keinen Lärm gemacht", gebot er, als der Ulan, ziemlich dösig um sich schauend, etwas fragen wollte. „Kommt", zischte der Jäger dann weiter, „wir wollen uns hier herum im Dickicht verstecken, denn die heraufschleichenden beiden Männer scheinen un sichere Kantonisten zu sein, denen man auf die Finger gucken muß." Lautlos glitten die drei unter Mitnahme ihrer