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Arm des stolz und oben ge» ich Vater „Habt ihr aber heute nacht lange da schossen! Noch um Mitternacht herum, als heimkommen hörte, knallten eure Gewehre." Dabei hing sie glückselig lächelnd am schmucken Jägers, und ihre Augen schauten Schweigen der Nacht verhallt, als noch einmal von den Bergen her, wie mahnend, das Knattern der Maschinen gewehre erklang und den Deutschen zurief: Schlaft nur ruhig, wir sind da, und die Grünen halten Wache! Und gen Westen hieß die Sprache: Hüte dich! Wer in mein Bereich kommt, den — fresse ich! — Schweigend, aber mit hochschlagenden Herzen gingen die deutschen Männer auseinander, denn alle wußten es: Das deutsche Heer wacht! Bei Tage und bei Nacht! Der Sommersonntagmorgen war in seiner ganzen wunderbaren Schönheit angebrochen. Die Sonne über goß mit ihrem goldigen Scheine die Erde weit und breit, und nur ein leiser, milder Wind strich über die weiten gesegneten Fluren des Oberelsaß dahin. Trotz der späten Heimkehr klingelte der Oberjäger schon früh um neun Uhr bei Blumes und traf hier den eben aus Saarburg eingetroffenen Ulanen, seinen zu künftigen Schwager, in eifriger Unterhaltung mit dem Vater. Nach stürmischer Begrüßung seitens Lotte sagte sie dann zu ihrem Verlobten: strahlend in dessen frisches, offenes Gesicht, in dem kühn ein paar echte, klare Iägeraugen blitzten. Hübsch sah er aber auch aus in seiner hechtgrünen Uniform der Maschinengewehrabteilung, so daß Konrad, der Bruder, leise murmelte: „Donnerwetter, ist das Mädel aber höllisch verliebt!" Der Bräutigam aber sagte nun eifrig: „Muß auch sein, Kleines, denn den Franzmännern da drüben ist nie zu trauen; wenn die könnten, wie sie wollten, würden sie uns heute lieber wie morgen einfach überfallen. Es scheint fast so, als ob wir döm großen Kriege nun aber doch mit ziemlicher Sicherheit entgegengehen. Endlich soll's mal 'nen frischen, fröh lichen Tanz geben!" „O pfui, schäme dich, so etwas zu sagen! Freust du dich denn wirklich auf einen Krieg?" „Aber Lottekind, ich kenne dich ja gar nicht wieder l" unterbrach der Oberjäger sein Mädchen; in seiner Stimme lag dabei aber so ein Erstaunen und Fremd artiges, daß sie doch stutzig wurde und einlenkend meinte: „Gott ja doch, Fritz, ich weiß ja, daß du als Soldat anders über den Krieg denkst, wie wir Frauen es tun; aber ihr Männer seid eben immer nur mit euch und eurer Tätigkeit beschäftigt und vergeßt dabei, daß wir armen Frauen, die wir bei einem Kriege daheim bleiben müssen, im stillen viel größere Leiden durch zumachen haben, wie ihr Männer da draußen im Felde, wenn es erst einmal losgegangen ist!." „Nun habt ihr aber genug über diese Frage ge redet, Kinder, macht euch fertig und Laun tretet euren Ausflug an, sonst seid ihr vor einbrechender Dunkelheit nicht zurück," rief Vater Blume; und als sie dann den Tagesproviant eingepackt und marschbereit verstaut hatten, wurde der Marsch in die Berge unter freudigen Abschiedsrufen angetreten. Vergnügt wanderten die drei los und hatten bald die Stadt hinter sich; zwar mußten sie noch eine ziem lich weite Strecke die große staubige Landstraße ver folgen, um den Fußweg zu erreichen, aber das kümmerte sie wenig, und munter flogen die Worte hin und her. (Fortsetzung folgt.) unseres — pfui Deibel" — er spuckte dreimal aus — „ehemaligen Kollegen Keller in Straßburg!" Blume nickte stumm, denn gerade dieser Spionage fall war einer der traurigsten im ganzen Reichslande gewesen, da ein deutscher Beamter für schnöden Mammon sein altes Vaterland verraten hatte. „Hm, tja, da muß ich dir zustimmen, denn gerade der Fall war einfach niederschmetternd, und dem Himmel sei's gedankt, daß er gar nicht in die breite Oeffentlich- keit gedrungen ist. Daran aber, daß ich morgen un bedingt in der Versammlung zugegen sein will, ersiehst du, wie ich auf der Hut bin und Augen und Ohren offen halte." Sie sprachen noch von diesem und jenem, als Lotte kam und das angerichtete Abendessen meldete. Bei Tisch wurde das Gespräch nicht fortgeführt, sondern nach altdeutscher Art der Mund zum Essen ver wandt. Kaum hatten sie den letzten Bissen mit einem Schluck kühlen Bieres hinuntergespült, erhoben sie sich und verließen nach kurzem Abschied von der Tochter des Hauses die Wohnung. „Den Hausschlüssel habe ich dir in die rechte Rock tasche gesteckt, Vater," rief Lotte ihm noch nach, worauf der Alte nur ein herzliches „Danke, Kleine" zurückrief und, zu dem Freunde gewendet, sagte: „So machte es Mutter auch, wenn ich mal aus ging. — Gott, nun ruht das brave Weib schon fünf Jahre droben in der Erde unseres lieben Pommer landes. Hier hätte sie sich nie wohlgefühlt und unter den Welschen zurechtgefunden. Bald darauf standen die beiden vor dem Lokale und verschwanden mit anderen, gleickgesinnten alt deutschen Männern in dessen Innern. Lotte war nach dem Abgang der beiden Männer an eines der offenen Fenster, das nach dem Wasgen- walde zu lag, getreten und sah hinaus in den sinken den Sommertag. Die Schwalben zwitscherten und schlugen im Fluge ihre kunstvollen Haken, die Rosen dufteten stark, und die Berge winkten von da drüben bläulich-gedämpft herüber. Plötzlich zuckte sie ein wenig zusammen, und ihr Gesicht bekam einen scharfgespannten Ausdruck, denn in die friedliche Stille der Natur erscholl alles dieses zurückdrängend droben vom Franzosenkreuz her ein scharfes, hartes: . Tack — tack — tack — tack — tack — tack — tack! Das waren die Töne deutscher Maschinengewehre! Drüben, von der Rheinseite kommend, vernahm sie deutlich scharfes Pferdegetrappel. Richtig, da bogen sie schon um die Ecke: eine Schwadron deutscher Dragoner kam von einer Uebung zurück. Als die beiden Freunde um Mitternacht mit noch anderen Altdeutschen aus dem „Exil" auf die Straße traten, marschierte ein Bataillon Infanterie unter den Klängen des Torgauer Marsches in seine Kaserne zurück. Mit Kennerblick musterten die deutschen Männer da am Wegerand die vorbeiziehenden Reihen, eine nach, der anderen. Sie waren zufrieden, denn beim Scheine der elektrischen Bogenlampen sahen sie hier nur frische, lachende, braungebrannte Soldatengesichter, und die Gewehrläufe blitzten so hart und stählern, als wollten sie sagen: Seid unbesorgt, wir sind in guten Händen. Hm, das waren Soldaten! Soldaten eines Volks heeres, eines Heeres, dessen Volk weiß, was seine Armee ihm bedeutet! Lustig und munter schauten sie alle aus ihren frischen Äugen heraus, und doch ging ein Hauch tiefen Ernstes von solch einem, im festen Gleich-^ schritt dahermarschirenden Bataillon aus. Wenn man sich die Jungens ansah, dann hatte man das be ruhigende Gefühl, die warten nur aufs Dreinhauen, denn sie beißen! — Nimm dich in acht, Franzmann, bandele mit denen lieber nicht an! Der in einen Takt übergehende hundertfältige Gleichschritt der dahivmarschierenden Kolonnen war im