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Texte der Gesänge Das Liebesmahl der Apostel Eine biblische Szene für Männerstimmen und grosses Orchester*) Über das Liebesmahl schreibt Hermann Kretzschmar im „Führer durch den Konzertsaal": „Wagner hat sein Werk nicht Kantate oder Oratorium, sondern, um seinen durchaus dramatischen Charakter anzudeuten, „biblische Szene“ genannt. Die Jünger des Herrn haben sich heimlich in Jerusalem versammelt, um in gemeinsamem Mahle des geschiedenen Heilandes zu gedenken. Die einen (zweiter Chor) zagen und bangen, andere (dritter Chor) sprechen Mut zu; eine dritte Gruppe (erster Chor unisono) rüstet und mahnt die Feier zu begehen. Im Augenblicke, da alle bereit sind, treten die Apostel ein, aber mit Unglücksbotschaft. Neue Verfolgungen sind beschlossen, und die Lehre vom Nazarener ist bei Todesstrafe verboten worden. Die Jünger ergreift Verzweiflung. In höchster Not bitten sie den Allmächtigen um Hilfe: „Send’ uns deinen heil’gen Geist!“ Da begibt sich ein Wunder. Von der Himmelshöhe, unsichtbar, erklingt ein Chor der Engel: „Seid getrost“. Dieser wunderbare Zuspruch richtet die Herzen wieder auf. Schwungvoll wird die Feier des Liebesmahls begangen und mit dem begeisterten Gelöbnis aller Jünger beendet: Hinaus zu ziehen und allen Völkern das Wort des Herrn zu verkünden. Die Musik zerfällt in zwei Teile. Im zweiten, der nach dem Engelchore beginnt, setzt das Orchester, aus der Tiefe allmählich heranrauschend, mit einem wunderbaren elementaren Effekte ein, den man zeitlebens nicht wieder vergisst. Der erste Teil besteht aus lauter unbegleiteten (a cappella) Chören, die dreifach geteilt sind. Er ist technisch nicht leicht; besondere Schwierigkeiten bereiten die Modulationen. Die gefürchtetste Stelle kommt vor dem Ende des Teils bei den Worten: „Send’ uns deinen heil’gen Geist“. Manche Kritiker erklären diesen ganzen a cappella-Teil für langweilig. Dies kann er bei mangelhafter Aufführung wohl werden. An und für sich umschliesst er einen höchst bedeutenden mannigfaltigen Stimmungsgehalt in dramatisch bewegter Form. Geschichtlich interessiert dabei die Verwandtschaft, welche die Musik mit dem „Tannhäuser" und dem „Parsifal" aufweist. Bei der ersten Aufführung des Werkes in der Frauenkirche zu Dresden (im Jahre 1843) sangen die Engel oben auf der Gallerie der höchsten Kuppel des mächtigen Gotteshauses." Ganzer Chor der Jünger Gegrüsst seid, Brüder, in des Herren Namen, Der uns zum Mahl in Eintracht hier vereint, Damit inbrünstig seiner wir gedenken, Der von uns schied, den unser Herz beweint. Kommt her, ihr, die ihr hungert, die ihr dürstet, Zu stärken euch, beut er sein Fleisch und Blut Was wollen wir nun zagen, warum schmachten, Da solche Labung uns erquicken soll? Zweiter Chor der Jünger Wir sind bedrückt, es droht der Mächt'gen Hass; Gewitterschwer stehn Wolken über uns, Die heute wir versammelt. Wer kann wissen, Wo morgen wir getrennt und traurig schmachten? Dritter Chor der Jünger O fasst Vertrau’n! Mehrt sich von Tag zu Tag In Kraft und Glauben nicht der Treuen Schar? Zweiter Chor der Jünger ln gleichem Mass wächst auch der Hass der Feinde» Macht Einigkeit uns stark, kann sie uns auch verderben- Ein jeder trag’ den Erlöser im Herzen, Auf dass, wenn auch zerstreut, wir einig bleiben. Dritter Chor der Jünger Die wir einmütig, sollten uns denn trennen? Des liebsten Trostes sollten wir entbehren? Zweiter und dritter Chor der Jünger Wahrlich, es dränget uns die Zeit mit Not, Der Mächt’gen Spähn verfolgt uns überall! So sollten wir des liebsten Trost’s entbehren, Beim Mahl nicht mehr ein Herz und eine Seele sein? Erster Chor der Jünger Kommt her, ihr, die ihr hungert, die ihr dürstet, Zu stärken euch, opfert er sein Fleisch und Blut! Was wollen wir nun zagen, Was wollen wir nun schmachten, Da solche Labung uns erquicken soll? Die Apostel Seid uns gegrüsst, ihr lieben Brüder! Seid Versammelt ihr im Namen Jesu Christs? Ganzer Chor der Jünger Wir sind versammelt im Namen Jesu Christs. Preis seinem Namen! Wir harrten euer lang in Furcht und Bangen. Die Apostel Ihr Männer, lieben Brüder, einig seid Im Herzen und im Glauben! Die Verfolgung Erhebt ihr Haupt, es nahen all die Leiden, Die ihr ertragen sollt um seines Namens willen. Die Jünger Welch neues Drohen ist euch widerfahren? Die Apostel Da wir, im Tempel lehrend, Wunder wirkten ltn Glauben an den Herrn, erweckten wir, Wie nie zuvor, den Hass der mächt’gen Feinde. Da wir nun kräftig Rede ihnen standen Und sie der Missetat bezüchtigten, Die an Marias Sohne sie verübt, Ihr Zorn entbrannte da, und sie geboten Mit hartem Drohen uns: nicht mehr zu lehren Im Namen Jesu von Nazareth — bei Todesstrafe! Die Jünger Allmächt’ger Vater, der du hast gemacht Himmel und Erd’ und alles, was darin, Der zur Verheissung deines Schutzes du Den teuren Sohn zu uns herabgesandt, Sieh an das Drohn der Mächtigen der Erde, Mit dem sie schrecken deine Gläubigen! Dass wir mit Freudigkeit dein Wort nun reden, Send uns Unmünd’gen deinen heil’gen Geist!