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anzu- einem einen einen erst einmal sprechen. Ist er denn gar nicht treffen?" „Nein," entschlüpfte es Dora, „er hat sich Gastwirt als Klavierspieler verpflichtet. Durch Zufall bekam er diese Stelle, von der er sich schönen Nebenverdienst verspricht." Alfred Bittner machte große Augen. Er be rechnete klar und scharf die Motive zu einer so merk würdigen Handlungsweise. „Als Dorspieler — ?" dehnte er, „nur die Ver zweiflung kann Hans zu einer so entnervenden Be schäftigung getrieben haben. Dann ist er entweder bereits entlassen, oder er trägt den Kündigungsbrief in der Tasche." Dora erschrak aufs heftigste. Die Zeit, wo die entbehrlichsten Dinge ins Leihhaus geschafft worden, nachdem die Ersparnisse nahezu aufgezehrt, und man trotzdem Miete schuldig geblieben, sich nur unzureichend hatte satt essen können, erstand mit all den wider wärtigen Begleiterscheinungen vor ihrem Geiste. Sie schauderte davor zurück. Wieder die graue Sorge durchs Haus schleichen zu sehen, das mußte entsetzlich sein. Und doch, wenn sie ihres Mannes verstörtes Wesen, seine seit Wochen schon auffällige Unruhe bedachte, kam sie zu dem Schluß, daß Bittner mit seiner Vermutung recht haben könne. „Ehe Hans in mein Kontor kommt, wo ihm eine, nach Lage der Dinge glänzende Einnahme» eine acht bare Lebensstellung geboten wird, verzettelt er, nur aus purem Eigensinn oder Hochmut, seine Kraft in einem Bierhaus oder Kino. So, so — und ein solcher Mensch wird von der besten, edelsten Frau aufopfernd und treu geliebt, wogegen meine Fehler auf der Gold wage gewogen werden. Ich gehe einsam durchs Leben." Durch seine grollende Stimme klang so schmerz, liches Weh, daß es Dora erschütterte. „Sie haben dis Rechte noch nicht gefunden," tröstete sie, „auch Sie, Herr Bittner, werden noch -so glücklich sein, wie Sie es ersehnen. Und schelten Sie Hans nicht! Er ist der Besten einer, nur nicht be fähigt, wie ein rechter Mann den Erfolg zu erzwingen. Er ist zu subtil und abwartend; wer sich durchsetzen will, muß rücksichtslos vorgshen." „Und wie entschuldigen Sie sein jetziges Ver halten ?" Sie zuckte die Achsel. „Gar nicht. Wer ich bin machtlos l" (Fortsetzung solgt.) „Wichtigeres, als Ihre Person, Dora? Ich wüßte nicht." Schweigend nahmen sie etwas von der Nachspeise. Dann saßen sie sich im Erker gegenüber. Dora raffte sich auf. „Mein Mann ist unzu gänglich, Herr Bittner, und wie ich ihn kenne, keine Sinnesänderung von ihm zu erwarten. Darum müssen wir auf ein Wiedersehen verzichten." Sie konnte nicht zu Ende sprechen. Bittner sprang auf, streckte abwehrend beide Hände aus. „Verlangen Sie nichts Unmögliches von mir, bringen Sie mich nicht zur Verzweiflung! Mein Beruf verlangt vollste Anspannung meiner Leistungsfähigkeit. Ich wäre un fähig, meine Geschäftsinteressen wahrzunehmen, wenn Sie mich ganz und für immer aus Ihrer Nähe bannen. Ich würde zugrunde gehen an der Ent täuschung !" Dora erhob sich in stolzer Abwehr. „Dann tat ich doch unrecht, Ihre Aufmerksamkeiten entgegen zunehmen, Herr Bittner, denn Sie wollten mich da durch verpflichten!" „Nein, nein, mißverstehen Sie mich nicht so grenzenlos! Wenn ich meine Worte ungeschickt wählte, so verzeihen Sie mir l Vielleicht ist Hans doch nicht so abweisend, wie Sie glauben. Ich müßte ihn nur sie beklommen, „nein, nein, es darf so nicht weiter gehen. Nur heute will ich dem Freunde nicht ent gegen sein. Das hat er nicht um mich verdient. Es ist alles da und soll mir munden. Es ist ja kein Un recht dabei." Sie legte Bittner vor und plauderte mit liebens würdiger Gewandtheit. Er sah sie immer nur an. So angelegentlich sie sich auch mit ihrem gefüllten Teller beschäftigte, seinen Blick fühlte sie doch. Nur wenig nahm er zu sich. „Ach, Dora, daß ich hier als Zaungast sitzen muß!" rief er endlich, die zer knüllte Serviette zur Seite schleudernd, „ich ertrage es kaum, der Groll erstickt mich, der Groll über Mein grenzenloses Unglück . . . Schon damals liebte ich Sie, aber wie könnte ein unerfahrener junger Mensch, der noch in jedem weiblichen Wesen sein Ideal ver mutet, eine Dora schätzen! Keine Ahnung sagte mir damals, welch ein köstliches Kleinod ich mir von einem anderen rauben ließ! Auch damals schon empfand ich es schmerzlich, daß Sie sich mir versagten. Aber ich suchte und fand als bald Betäubung und Heilung in der Arbeit. Nie galten mir die Weiber etwas. Das einzige Weib, das ich je mit heißer ungestillter Leidenschaft geliebt habe, sind Sie, Dora, Sie!" Die junge Frau hatte nie ein Dienstmädchen zu ihrer Hilfe gehabt. Sie war es gewohnt, alle häus lichen Obliegenheiten selbst zu erledigen. Darum er hob sie sich rasch und trug die benutzten Teller hinaus, nur mit halber Stimme eine Entschuldigung stammelnd. Bittners Worte waren ihr wie ein Weinrausch zu Kopf gestiegen. Die weiche Stimmung, welchs ihr Herz zum Gatten zog, hielt nicht vor. Sie war ihm schon wieder böse, sehr böse sogar. In der Küche kam ihr der kleine Georg entgegen, in den erhobenen Händen hielt er seinen Teller. „Bitte, Mama, mehr haben!" Sie gab ihm noch eine kleine Portton. Mieze schüttelte auf Befragen ihr Blondköpfchen und ließ sich Mund und Hände waschen. Dann klopfte sie auf ihre Brust und spitzte das Mäulchen. So gut hatte es ihr geschmeckt. Stürmisch preßte Dora ihren Liebling an das pochende Herz und küßte die blonden Locken. „Ich bleibe bei euch," flüsterte sie wie im Protest gegen geheimste Wünsche und Befürchtungen. Das Töchterchen lief ungeduldig davon, um mit der Puppe zu spielen. Dora ging wieder zu Bittner hinein. Sie legte frische Bestecke auf. Ihr Gesicht glühte. „Langweilig, daß ich immerzu davonlaufe, nicht? Aber was hilft's, die Teller wandern nicht allein hinaus." - „Ich kann es kaum mit ansehen, daß Sie Dienst botenarbeit tun. Sind Ihnen diese unästhetischen Verrichtungen nicht zuwider?" „Ich habe mich daran gewöhnt, das Porzellan und Silber selber zu spülen und zu putzen. Manchmal kommt es mir schwer an, die Küche zu reinigen, doch nur der Unbcquemlichket wegen. Ein gutes Buch würde mir natürlich mehr zusagen." Sie seufzte verstohlen. „Es ist am besten, man denkt nicht viel darüber nach, sondern nimmt die Arbeiten frisch und froh in Angriff. Ich kann mir ja zu keiner Sache eine Hilfe nehmen und kenne es schon nicht mehr anders." . „Und Hans? Ist es ihm nicht peinlich, dies mit anzusehem.- „Hans? Ach wo, der denkt, das muß so sein. Er sieht ja auch nie, wie ich mich abhasten, meine Zeit auf die Minute einteilen muß. Es kommt ja auch auf eins heraus. Man muß sich kalt nach der Decke strecken. Wir haben Wichtigeres zu besprechen, Herr Bittner, und eine Stunde ist bald um."