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rechnen für mich nicht mehr, als wenn Hans ebenso- viele Markstücke ausgibt. Sind Sie nun beruhigt?" „Nicht ganz, Herr Bittner! Ich muß erst wissen, wie Hans darüber denkt. Er ist, wo es sich um Ge schenke handelt, die wir nicht erwidern können und schließlich als eine Wohltat empfinden müßten, äußerst peinlich und streng denkend." „Hans! Er vor allen bat doch wohl an mir gut zumachen ! Kam er mir nicht zuvor und riß mit kecker Hand die Blume an sich, die mir ebenso gut gehörte? Es wäre kleinlich und rechthaberisch, wollte er mir auch den Schatten eines Glückes mißgönnen, der mich Halbwegs mit meinem verfehlten Dasein aussöhnen könnte." Dora wehrte sich innerlich gegen seine bestrickende Stimme, seine Beweisführung. „Hans hat Ihnen nichts genommen, Herrr Bittner, ich hatte Hans lieb und hätte ihn einer Welt zum Trotz geheiratet." Er kniff die Lippen zusammen und schluckte an der Pille. Dora wartete vergeblich, daß er weitersprechen solle. Sie kam sich darüber undankbar und ungeschickt vor. Er wußte nicht, auf wie zarte Weise er ihr Freude bereiten sollte, und sie kränkte ihn so tief in ihrer Verwirrung und Gedankenlosigkeit. Um ihr ver meintliches Unrecht gutzumachen, beging sie eine wirk liche Unklugheit. „Man ist als junges Mädchen so leicht geneigt, zu glauben, was man wünscht, müsse auch in Erfüllung gehen. Was Sie erreicht haben", — sie stockte. Nein, wie das nun wieder klingen würde, wenn sie heraus- fagte, was ihr auf der Zunge schwebte. Bittner hatte sie schon verstanden. „Was ich er reicht habe, trauten Sie nicht mir, sondern Iohannes zu, nicht wahr? Sie hätten aber auch wirklich ein besseres Los verdient, Frau Dora I" Sie gab sich einen Ruck. „Ich bin glücklich. Nur — der Kinder wegen wünschte ich, wir hätten etwas mehr. Was soll aus ihnen werden? Wir werden das teure Schulgeld und die damit verknüpften Aus gaben nicht erschwingen können." „Durum machen Sie sich nun keine Sorgen mehr, verehrte Freundin, ich hoffe, etwas für Iohannes tun zu können. Es wird sich ein Weg finden." „Das wäre gut und edel von Ihnen!" ries sie mit aufleuchtenden Augen, „Hans ist ein tüchtiger, ge wissenhafter Arbeiter, ein pflichttreuer Beamter, aber zu schlicht und harmlos. Stets läßt er sich von den Kollegen Übervorteilen, verdrängen, die anderen kommen vorwärts, er bleibt immer auf demselben Punkt. Wenn er zehn Jahre älter ist, wird er sich überhaupt nicht mehr in einer Stellung behaupten können." „So weit wollen wir lieber nicht vorausdenken, sondern jetzt ein paar Spielzeuge für die Kinder kaufen und dann endlich dieses Wiedersehen feiern. Ich denke, wir haben alle beide Hunger bekommen, und bei Kempinski weiß ich ein ungestörtes, lauschiges Plätzchen, wo wir Iugenderinnerungen auffrischen können." „Liese Einladung muß ich zurückweisen, auf die Gefahr hin, Sie zu verletzen," bemerkte Dora ernst, „eine Tasse Schokolade will ich mit Ihnen trinken, alles andere ist ausgeschlossen!" Sie hatte die pracht vollen dunklen Augen in banger Frage zu ihm auf- geschlagen. Er sah, sie fürchtete schon, ihn wieder zu verlieren, und wurzelte doch noch zu fest in ihren „spießbürger lichen" Anschauungen, um seinen Wunsch zu erfüllen. Ein heimliches Löcheln teilte seine bartlosen Lippen. „Man muß den Bogen nicht zu straff spannen." ,fIch ehre Ihre Bedenken, gnädige Frau," pflichtete er ihr bei. verstohlen ihren Arm drückend, „und nichts liegt mir ferner, als Sie gegen Ihren Willen be- stimmen zu wollen . . .! Aber hier sind wir schon am Ziel." Er betrat mit ihr einen Spielwarenladen. Das Beste suchte er für Doras Lieblinge aus, eine Parade puppe und eine „Unzerbrechliche" zum Herumwerfen, eine Bahn mit elektrischem Betrieb, Passagieren und Zugpersonal, auch zwei Teddibären und blanke Gummi bälle. Jetzt geriet die junge Frau wirklich in Ent zücken, und auch Bittner fand Vergnügen an diesem Einkauf. Sie lachten und scherzten. Man konnte sie für ein verliebtes junges Ehepaar halten. Dann gingen sie zu Josti. „Hier sah ich Sie vor hin, Frau Dora, und erkannte Sie sogleich, raunte Alfred; „ich zögerte, Ihnen zu folgen, aber wie glücklich bin ich jetzt, daß ich's getan." „Ich weiß nur nicht, wie Hans über all dies denkt", sagte sie. „Vertrauen Sie mir, Frau Dora; erzählen Sie, was Hans vor sich gebracht, und wie es kommt, daß Sie Ihre schönen Augen mit dem Kram da" — er wies auf das Paket — „verderben müssen." „Ich habe meine Freude an den Handarbeiten, Herr Bittner, es ist kein ,Mußh daß ich miterwerbe, aber — " „Wenn Sie gut angezogen sein wollen, so müssen Sie sich das Geld dazu verdienen," unterbrach er sie brüsk, „warum wollen Sie Versteck mit mir spielen, verehrte Freundin? Das hat ja keinen Zweck! Es muß Hans doch zu helfen sein. Und ich will ihm helfen! Ein angenehmeres Leben soll für Sie alle be ginnen! Zunächst muß ich doch aber wissen, wo es fehlt und wo ich den Hebel anzusetzen habe. Früher konnte man Hans einen tüchtigen Menschen nennen. Ist das anders geworden?" Dora zögerte. Es war ihr doch peinlich, daß sie hier unumwunden aussprechen sollte, was sie selbst sich kaum einzugestehen wagte. „Glauben Sie, daß ich Mißtrauen mit dem treiben könnte, was Sie mir anvertrauen, gnädige Frau?" Bittner sah sie aus seinen durchdringenden grauen Augen an. Es war etwas Zwingendes in seinem Blick. Auch früher hatte sie das empfunden und es unerträglich genannt. Jetzt lag es wie ein Bann auf ihr. Sie sprach, sie konnte nicht anders. Das Herz war ihr auch wohl übervoll, sie hatte es keinem zuvor ausgeschüttet. Der Kellner brachte das Gewünschte. Es blieb ihr eine kurze Zeit zum Ueberlegen, denn er stellte sich in der Nähe des Tisches auf, an welchem sie saßen. Da mußten sie beide schweigen. Doch ein Blick Bittners, den Dora, die in ihrer Schokolade rührte, nicht bemerkte, verscheuchte den Ganymed. Nun waren sie ungestört; denn um diese Zeit war die Konditorei wenig besucht. In Hörweite saß niemand. „Sie sind mir noch die Antwort auf meine Frage schuldig, gnädige Frau!" Dora" schrak zusammen. Wenn er so formell und fremd zu ihr sprach, fürchtete sie, daß er sich von ihr abwenden, seine Freundlichkeit bedauern könne. Das hätte ihr, schon der Kinder wegen, bitter leid getan, sah sie doch die leuchtenden Aeuglein schon im Geiste vor sich, hörte die jubelnden Stimmen, die Freude über all das herrliche Spielzeug. „Ich mißtraue Ihnen nicht, Herr Bittner, nein, für so undankbar müssen Sie mich nicht halten —!" „Aber teure Freundin, ich will doch keinen Dank, was fragt echte Freundschaft nach lauen herkömmlichen Gefühlen, nur helfen möchte ich Ihnen und Hans, denn mir kommt es beinah wie ein Unrecht vor, daß ich so im sicheren Wohlleben schwelge, während Sie und die Ihrigen darben! Widersprechen Sie nicht i (Fortsetzung folgt.)