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eU unä Ihr aus ihre fremd sind den Augen die Tugend und das Laster. Auf ihren kantigen Stirnen liegen die Schatten der Berge ernst und schwer, ihre Weiber und Dirnen kommen wie heilige Frauen daher; hochaufgerichtet, den Blick zu Boden gesenkt als hätte Gott in sie hineingedichtet himmlische Demut, die nicht nimmt, nur schenk. Aber manchmal blitzt es hinter den stillen Augen der Männer und Frauen hervor, dann ist es so, als glitzt' in ihren knöchernen Fingern Sense und Büchsenrohtz Steine sehe ich wälzen ihre Berge herab, dem Feind zum Verderben, und lachenden Adiges ihre Felsen, mit dem Blut verhaßter Fremdlinge färben. „Tiroler Bcrgbaueru". Bon dem österreichischen Ar- beitcrdichter Alfons Petzold, dessen Gedichte zu , den wert vollsten gehören, was die österreichische Lyrik zum Welt kriege beigesteuert hat, erschien bei Eugen Diederichs in Jena eine Gedichtsammlung unter dem Titel „Volk, mein Volk". Wir geben eine Probe daraus wieder, die der Stimmung des österreichischen Volkes in der Kriegszeit einen starken Ausdruck verleiht: Tiroler Bergbauern. langsames Schreiten dröhnt eisern über das Pflaster, dem sie herausgewachsen erscheinen, Gesichter kennen kein Lachen und Weinen, ihren lebenswarmen innig zu umfassen und dem sterbenden Mann ein letztes Liebeswort zu geben auf den dunklen Weg, den er allein zu gehen hat. Allein? Nein, sie wird mit ihm hinüberwandern. Wird nicht Zurückbleiben in leerer Verlassenheit, der ihre Kraft, ihre sensitive Natur vielleicht nicht gewachsen wäre. So ist es in dem Willen des Allmächtigen beschlossen. Als Friede sich aus tiefer Schmerzversunkenheit vom Sterbelager erhebt, an dem man sie rücksichtsvoll allein gelassen, als sie hinausgeschwankt, um das Nächstliegende anzuordnen, Auskunft, Rat zu holen, findet sie niemand anwesend in den angrenzenden Räumen, hört indes heftigen Tumult vor dem Hause. Sie tritt an ein offenes Fenster, fährt mit leisem Aufschrei zurück, sinkt im nächsten Augenblick haltlos zu Boden. Ein meuchlerisches Geschoß traf auch sie, die wehrlose Frau. Und traf sicher. Mitten ins Herz. Aber auf dem süßen, blassen Antlitz liegt ein seliges Lächeln. Das sagt: „Wir sind vereint. Nun gehen wir ihn mitsammen, den dunklen Weg. Aus den Wirren, den Schrecknissen eines furchtbaren Krieges hinüber in das Himmelsland ewigen Friedens." Der Aufruhr draußen ist plötzlich gestillt. Das matte Geläut tönt weiter. Jetzt wimmert'S wie das Armsünderglöckchen, denn den Ruchlosen, der frevelnd den Abendsneden brach, ihn richtete schnell das deutsche rächende Schwert. wurde, erhielt sie kürzlich Nachricht, einen frohgemuten Brief. Ihr Mann lebt. Ist gesund. Kämpft mit starken, heilen Gliedern, mit heißer Begeisterung für Kaiser und Reich, für den Bestand seines Liebesglücks, die Sicherheit eines trauten Heims. Friede hebt ihr Gesicht, das blaß und schmal wurde in der Zeit langen Harrens, mit einem Lächeln träume rischer Andacht empor. Klingt nur, klingt, ihr lieben Glocken; so hoch ihr auch steigt, meine Seele schwingt mit, trägt heißen Dank mit euch himmelan! — Des öfteren noch darf Friede ihre süße Herzensfreude dem Siegesgeläut vermischen. Dann wird es stiller. Die Schwierigkeiten des gewaltigen Weltkrieges häufen sich. Kein Feind mehr an Deutschlands Grenzen; auf fremden Boden werden die Riesenkämpfe gerungen, und dennoch ist der blutigen Schlachten kein Ende abzusehen. Deutsch land kämpft mit seinem Bundesbruder gegen eine Hydra an. Niemand zweifelt, es werde das vielköpfige Unge heuer bezwingen. Daß es hierzu dec Zeit bedarf, ver steht jeder. Auch wenn die Glocken zeitweilig schweigen, lebt diese unerschütterliche Siegeszuversicht in starker Volksseele weiter. Man Weitz, dem unvergleichlichen Heer unter seinen Meisterführern darf man vertrauen. Und der Herrgott verläßt keinen redlichen Deutschen. Seine Pflicht tun, und im übrigen getrost abwarten, das ist alles für die Zurückbleibenden! Und Friede Alves überläßt sich dieser nimmer zweifelnden Zuversicht mit ruhigem Stolz auf ihres Vaterlandes starke Wehrkraft, die es reinen Gewissens einsetzt zu seiner Ehre und Kultur. Hält sie fest mit be sonderem Stolz auf ihren Mann, der sich als schneidiger Krieger das Eiserne Kreuz errang, der trotz unerhörter Anstrengungen und mancher Entbehrung lebenatmende Briefe schreibt und voller Bewunderung ist für den Geist des Heeres, das Deutschlands Sicherheit in treuen, starken Händen hält. Dann bleiben diese lieben, guten Feldbriefe aus. In dem unheimlichen Schweigen beginnt Friedes tapfere Ge duld zu wanken. Ein Bangen schleicht ihr ins Herz. Eine große, lähmende Seelenmüdigkeit, die auch heroische Pflichterfüllung nicht mehr vertreiben kann. Nur eines rüttelt sie jählings auf. Und es ist eine Schreckenskunde von ferner Freundeshand. Ein Kamerad meldet: Durch eine Franktireurkugel schwer verwundet liegt Doktor Alves im Feldlazarett bei Lille. Wird seine junge Frau ein letztes Wiedersehen ermöglichen können? Es ist die Sehn sucht eines Todgezeichneten I — Der Liebe ist nichts unmöglich. Schon die nächsten Stunden sehen das verzweifelte junge Weib auf dem Wege nach Flandern. Sie Weitz ihn zu finden. Be hörden wie Krieger, gerührt von ihrer wagemutigen Frauenliebe, erteilen Gewähr, Rücksicht und Hilfe, soweit es irgend angängig ist. Trotzdem, es ist eine aufreibende Fahrt voll Mühsal und notgedrungener Verzögerung, die ihre Herzensangst auf den Höhepunkt treibt. Endlich ist sie am Ziel. Zu spät, um noch dem finsteren Allbezwinger ein geliebtes Leben abringen zu können, wie man ihr ehrlich sagt; denn Kurt Alves ist ein Sterbender. Hienieden wird ihm keine Sonne mehr aufgehen. Wie Friede das Haus betritt, in dem ein provi sorisches Lazarett für Schwerverwundete errichtet wurde, vernimmt sie ein dünnes Glockenstimmchen, halb erstickt von regendunkler Lust. Das Aveläuten vom nahen Kirchlein ist's. Friede erzittert. Sie denkt nicht an den katholischen Brauch, vermeint ein Grabgeläut zu hören. Mit wankenden Knien steht sie an dem ihr be zeichneten Lager und tut einen tiefen, erlösenden-Atemzng. Zur rechten Zeit ist sie da, um einem Blick seligen Erkennens zu begegnen, blasse, erkaltende Hände mit