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V7 lFortsetzung folgt.) Willens handelten, als Sie den Entschluß faßten, die Stätte Ihrer Kinderspiele aufzusuchen, und daß für mich das nämliche zutraf, als ich in scheinbarer Ueberstürzung dies Heidehaus zu meiner Zufluchts stätte erkor, noch ehe ich es mit Augen gesehen — einzig auf die ganz allgemein gehaltene Aeußerung eines Bekannten hin, daß es für einen Ruhe und Einsamkeit suchenden Menschen keinen passenderen Aufenthalt geben könne als die Mildenburger Heide." So warm und tröstlich klangen seine Worte, daß sie ihre ermutigende Wirkung auf das junge Mädchen nicht verfehlten. Indem sie mit einem dankbaren Blick zu ihm aufsah, sagte sie: „Wißen Sie auch, Robert, daß Sie mich immer wieder an meinem Vater erinnern — und während dieser letzten Minuten lebhafter als vorher? Nicht in Ihrem Aussehen natürlich, aber in Ihrem Wesen und Ihren Worten. So ungefähr würde auch er gesprochen haben. Vielleicht ist es gerade das, was mir vom ersten Augenblick unserer Bekanntschaft an so großes Vertrauen zu Ihnen eingeflößt hat — ein Vertrauen, das meine Freundin Sidonie sicherlich einigermaßen unschicklich finden und in hohem Maße mißbilligen würde." „Ah — wenn Sie ihr sagten, daß ich beinahe Ihr Vater sein könnte — daß ich ein Mann mit er grauenden Haaren bin — und überdies ein " Wieder ließ sie ihn nicht dazu kommen, das Wort auszusprechsn, vor dem sie eine geradezu abergläubische Furcht zu hegen schien. Rasch, mit einer wirklich ver dächtigen Hast, fiel sie ihm in die Rede: „Jedenfalls wünsche ich mir nichts so lebhaft, als Sie mit Papa zusammen zu sehen. Ich bin gewiß, daß es von vornherein das vollkommenste gegenseitige Verstehen sein würde!" „Und hoffentlich der Beginn einer recht langen und herzlichen Freundschaft", setzte er hinzu. „Nun aber denke ich, daß es wohl an der Zeit wäre, zur Ruhe zu gehen. Wir haben viel länger geplaudert, als es ursprünglich mit Rücksicht auf Ihr Ruhebedürfnis in meiner Absicht gelegen." „Oh, ich bin Ihnen von Herzen dankbar für diesen Abend! Um nichts in der Welt möchte ich ihn ver- wren haben." Sie reichte ihm die Hand; aber als seine starken Finger sich mit festem Druck um die ihrigen schloffen, stieg ihr das Blut heiß in die Wangen. Und ohne seine Erwiderung abzuwarten, machte sie sich frei, um mit einem letzten geflüsterten Gruß hastig zu enteilen. 11. Kapitel. Die Vorbereitungen zur Schlacht. Während seiner Heimfahrt nach Mildenburg hatte Philipp Welcker der Jüngere Zeit genug, über seinen düsteren Racheplänen zu brüten. Es wurde ihm nicht ganz leicht, zu bestimmten Entschlüssen zu ge langen, denn darüber, daß er nur einen absolut sicheren Weg gehen dürfe, war er sich vollkommen klar. Es mußte ein vollständiger Triumph für ihn werden; gleichzeitig aber durfte er seine eigene Person nicht zu sehr in Gefahr bringen. Er hatte gewisse Rücksichten zu nehmen auf das Ansehen der Firma, und er wußte, daß sein Vater keinen Spaß verstand, wenn der Ruf dieser Firma in Bettacht kam. Nicht daß der alte Welcker selber über die Maßen gewissen haft gewesen wäre! Man sagte ihm in der hiesigen Gegend allerlei recht skrupellose Geschäfte nach, und es gab genug Leute, die eher mit allen anderen Emp findungen als denen der Hochachtung und des Wohl wollens von ihm sprachen, aber das Dekorum blieb bei ihm doch immer gewahrt. Zu einem offenkundigen Skandal ließ er es niemals kommen. Und diese lobenswerte Vorsicht hatte sich so gut bezahlt gemacht, daß jein Sohn und Nachfolger schon aus diesem Grunde gesonnen war. durchaus in die Fußtapfen seines ehr würdigen Erzeugers zu treten. Das Bureau des Rechtsanwalts und Notars Klingenberg befand sich im Erdgeschoß eines an der Mildenburger Hauptstraße gelegenen Hauses. Die Fenster der Schreibstube, in der der magere, rothaarige Bureauvorsteher seinen Platz hatte, waren geöffnet, und da Philipp Weicker ,umor zu diese» „rechten Hand" des Herrn Notars in ziemlich freundschaftlichen Beziehungen stand, konnte er sich schon herausnehmen, ihm vom Bock aus zuzurufen: „Holla, Ionas! — Auf ein Wort!" Der rothaarige Kopf erschien in der Fenster öffnung. „Was gibt's denn ? — Ich habe jetzt wirklich keine Zeit, Unterhaltungen zu führen!" „Möchten Sie nickt den Herrn Notar bitten, auf einen kleinen Augenblick herauszukommen? Ich habe ihm nämlich etwas höchst Wichtiges mitzuteilen." „Was fällt Ihnen ein? Der Herr Notar hält doch seine Sprechstunden nicht auf der Straße! Er würde mich schön anschauen, wenn ich ihm mit einer solchen Zumutung käme! Nein, mein Lieber! Wenn Sie ihm etwas mitzuteilen haben, müssen Sie sich schon gefälligst hereinbemühen!" „Aber ich kann nicht absteigen, wenn der Braune erst einmal den Stall gewittert hat. Der Herr Notar braucht doch schließlich nur für einen Moment ans Fenster zu kommen!" D'er rotbehaarte Schädel verschwand, und nach Verlauf etlicher Minuten tauchte statt dessen die ganze, magere Gestalt in der Haustür auf. „Der Herr Notar läßt Ihnen sagen, daß er nirgends anders als in seiner Kanzlei zu sprechen ist. Ist es wirklich so wichtig und so unaufschiebbar, was Sie ihm zu sagen haben, so kann ich ja während dessen Ihren Gaul halten. Er wird doch hoffentlich nicht ausschlagen oder beißen." Da Philipp Welcker in der Lage war, in dieser Hinsicht ziemlich beruhigende Zusicherungen zu machen, erwies sich der Vorschlag als ausführbar, und der junge Mann Heirat mit einer höflichen Verbeugung das Sprechzimmer des Rechtsanwalts. „Was für ein sonderbares Ansinnen haben Sie mir da machen lassen?" begrüßte ihn der alte Herr ziemlich unwirsch. „Ich sollte zu Ihnen auf die Straße hinausgehen — war das wirklich Ihr Ernst?" „Ich bitte tausendmal um Verzeihung, Herr Notar! Aber ich glaubte, daß die Mitteilung, die ich zu machen habe, wegen ihrer ungewöhnlichen Natur " „Na also — was ist's denn? Ich habe sehr wenig Zeit, und die Sprechstunde ist in einigen Minuten um." „Das war es ja eben, daß ich fürchtete, den Herrn Notar nachher nicht mehr anzutteffen, wenn ick mir erst Zeit ließe, nach Hause zu fahren. Und die Sache schien mir zu wichtig, um sie bis morgen hinauszu schieben." „Wenn Sie nur endlich damit zutage kommen wollteni Daß ich die überflüssigen Redensarten nicht liebe, sollten Sie doch wissen!" Der Herr Notar war einer von den beneidens werten Leuten, die sich infolge ihres Vermögens und ihrer gesellschaftlichen Stellung gestatten dürfen, jeder mann nach Lust und Laune ihre freundliche oder un freundliche Meinung gerade ms Gesicht zu sagen. Und wenn er dabei natürlich auch gewisse Unterschiede zu machen pflegte, so zählte doch Philipp Welcker zunim offenbar nicht zu den Leuten, denen er aus persönlicher Wertschätzung besondere Rücksichten erwies. Der junge Mann beeilte sich denn auch nunmehr nach Kräften. „Ich komme nämlich direkt aus dem Heiüehaus, Herr Notars