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Me Abendstunde (Nachdruck verboten.) mit der geologt wie Margarete so kümmerlichen gefunden haben schen Beschaffenheit dieser Gegend aussieht, hätte ich mir allerdings statt dessen genagelte Bergschuhe an gezogen", knurrte Dr. Sommer, durch seine körperliche Verfassung offenbar in einen Zustand hochgradiger Empfindlichkeit versetzt. „Sei doch nicht so knurrig, Paul! Und sage mir endlich, warum du überhaupt hierher gekommen bist! — Es ist doch nichts Schlimmes passiert — bei euch oder bei meinen Eltern?" „Nein — wenigstens nicht, daß ich wüßte. — Sidonie hat mich geschickt." „Das konnte ich mir wohl denken. Aber warum hat sie dich geschickt?" „Du hattest versprochen, zu telegraphieren oder zu schreiben. Als bis zum heutigen Morgen weder ein Telegramm noch ein Brief gekommen war, wurde sie unruhig und zwang mich, so wie ich ging und stand, mit dem ersten Zuge zu fahren. Ich sollte zusehen, was aus dir geworden sei. — Na, und wo befinde ich mich denn nun eigentlich?" „In der Nähe von Langenhagen. — Es tut mir ja schrecklich leid, daß ich dir diese Unbequemlichkeiten verursacht habe. Aber gestern konnte ich aus triftigen Gründen weder eine Depesche noch einen Brief schicken. Heute habe ich bereits an Sidonie gescbriebM. Und wenn sie sich bis morgen geduldet hätte, wirre deine Reise unnötig gewesen." Aber er achtete kaum auf ibre Entschuldigungen. „In der Nähe von Langenhagen — sagst du? Darf ich fragen, was du unter der sehr unb^'timurt und allgemein gehaltenen Umschreibung ,in der Rähe^ ver stehst? Mit derartigen Auskünften habe ich närnlich blühendes und gesundes Mädchen Holderegger Wohlgefallen an einem Individuum des andern Geschlechtes sollte. „Wenn ich gewußt hätte, wie es Arenberg hatte inzwischen Zeit genug gehabt, sich den Freund Margaretens etwas näher anzusehen, und das Ergebnis der Musterung hätte auch dann kaum ein günstiges sein können, wenn sie ohne alle Vor eingenommenheit erfolgt wäre. Der junge Mann war zwar nicht eigentlich häßlich zu nennen, aber er machte den Eindruck eines schwächlichen, nervösen Menschen von reizbarem, galligem Temperament. Sein kurzge schnittenes, rötlich-blondes Haar und die hellblaueu- Augen trugen auch nicht eben dazu bei, ihn interessanter und charaktervoller erscheinen zu lassen. Alles in allem schien es Arenberg beinahe unbegreiflich, daß ein schönes, argarete schien das „Ihr" ebenso zu über hören wie seine plötzliche Rückkehr zu der förmlichen Anrede, an deren Stelle schon seit Stunden die vertraulichere getreten war. Denn mit einem Aullachen, das vielleicht nicht ganz ungezwungen klang, erwiderte sie : „Natürlich ist er's. — Es gibt nur einen einzigen von seiner Art jiuf der Welt. Da kann man sich nicht gut täuschen. — Aber der arme, arme Mensch! — Ich bin überzeugt» daß er auch diese Heidewanderung in seinem turmhohen Halskragen und seinen unvermeid lichen Glacelederstiefeln unternommen bat. Da mag er sich allerdings in einem beklagenswerten Zustand befinden." Sie setzte sich endlich in Bewegung, und als sie dem völlig teilnahmlosen Manne auf dem Sandhaufen bis auf zwanzig Schritte nahegekommen war, rief sie ihn an: „Paul!" Er hob wohl den Kopf, aber er stand nicht auf. Mit zwei Fingern fuhr er sich unter dem in der Tat riesenhohen Stehkragen rund um den Hals, daß es bei nahe aussah. als müsse er durch diese Bewegung seinen Kopf in der neuen Stellung befestigen. Dann klang es mit einer matten, auffallend hohen Stimme zurück: „Hallo, Grete! — Bist du's?" „Natürlich bin ich's. — Aber ganz gelähmt vor Erstaunen. Was, in aller Welt, machst du denn hier?" „Was ich mache? — Gar nichts mache ich. Ich bin iin Begriff, mich in meine Urbestandteile aufzu lösen." Margarete lachte hell auf. Aber die klägliche Aeußerung des Erschöpften war auf solche Wirkung offenbar nicht berechnet gewesen, denn es klang ziem lich gereizt, da er fortfuhr: „Ja, was gibt's denn darüber zu lachen? Die Sache ist verzweifelt ernsthaft — wenigstens für mich! Seit einer halben Stunde habe ich nicht mehr die ge ringste Hoffnung, lebendig bis an das Ende dieses fürchterlichen Weges zu gelangen. Bist du auch bis Breitbrück gefahren, Grete?" „Jawohl." „Aber es ist. dir jedenfalls nicht in den Sinn ge kommen, zu Fuß diese entsetzliche Wüstenei zu durch wandern !" „Gewiß! Nur habe ich es allerdings mit vernünf tigem Schuhzeug und nicht in papierdünnen Stiefeln von Glaceleder getan." Roman von L. Waldbröl. (18. Fortsetzung.) VWclie llnlerliMligs-keilLrge E MiKrpttr-Zeffrma flmlsbistt)