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(Fortsetzung folgt.) den er aus wieder ein- damit sagen, wollen. „Sie wissen sehr gut, daß es nicht das ist, was ich meine." „Ja so — Sie denken an meinen Anzug von gestern. Nun, seien Sie unbesorgt! In diesem werden Sie mich nicht wieder zu Gesicht bekommen." „Nun, ich meine, die Frage, wann und in welcher Begleitung Sie aufbrechen, können wir ganz gut später erörtern. Vorläufig werden Sie ja noch, wie Sie selbst sagen, eine oder zwei Stunden lang durch Ihre Vor bereitungen zum Aufbruch in Anspruch genommen sein." „Meinetwegen — aber darauf, daß ich Ihre Be gleitung nicht annehmen werde, können Sie sich jeden falls fest verlassen." Wieder hörte man draußen einen wuchtigen Män nerschritt, und Margarete unterbrach sich mit dem Aus ruf: „O weh — da droht mir, wie es scheint, schon wieder eine Entdeckung. Denn hier herum-gibt es ja kaum einen Menschen, der mich nicht kennt. Da will ich lieber freiwillig davonlaufen, ehe ich wieder auf so energische Weise fortgeschickt werde wie vorhin." Sie verschwand nach der Küche hin; in der Tür aber erschien die breitbrüstige Gestalt eines Mannes in der Uniform eines Gendarmerie-Wachtmeisters. Das verbindliche Lächeln, das sein lebhaft gerötetes, martia lisches Antlitz verklärte, ließ von vornherein nicht im Zweifel, daß es kein irgendwie unerfreulicher, dienst licher Auftrag sein konnte, der ihn hierher führte. „Erlauben Sie, daß ich mich worstelle, mein Herr: Gendarmerie-Wachtmeister Möllmann von Reinsdorf. Es ist heute der Tag, an dem mein Kontrollgang mich nach Langenhagen führt. Da hörte ich, daß das Heide- Haus einen neuen Bewohner erhalten hat. Und ich wollte mich erkundigen, ob Sie vielleicht irgendein Anliegen haben, das die Polizei erfüllen kann." „Das ist sehr freundlich, Herr Wachtmeister," er widerte Arenberg, „und es gereicht mir zu besonderem Vergnügen, Ihre persönliche Bekanntschaft zu machen, obwohl ich für den Augenblick keinerlei Wünsche hege, die eine hohe Polizeibehörde zu erfüllen imstande wäre." „Na, was nicht ist, kann ja noch werden. Ihr Vorgänger in diesem Hause hätte sich's wahrscheinlich in seinen guten Tagen auch nicht träumen lassen, in welcher Weise sich die Gendarmerie noch einmal mit ihm zu beschäftigen haben würde. Nie in meinem Leben werde ich den Tag vergessen, an dem ich zum letzten mal hier war. Ich wurde —" Da seine tiefe, dröhnende Stimme weithin ver nehmlich sein mußte, und da Arenberg nicht ganz sicher war, ob seine junge Freundin von dem Laster der weiblichen Neugier wirklich vollkommen frei sei, hielt er es für angezeigt, den jovialen Beamten zu unterbrechen, noch ehe er tiefer in den Schatz seiner Erinnerungen hatte hinabsteigen können. „Es tut mir sehr leid, Herr Wachtmeister, daß Sie es gerade bei Ihrem ersten Besuche nicht besser ge trosten haben. Ich bin nämlich, wie Sie sehen, mit dem Auspacken beschäftigt und darum in meiner Zeit etwas beschränkt. Aber wenn Sie wieder vorbei- kommen, bitte ich, mich nicht zu übergehen. Ich werde Ihnen dann auch die Gastfreundschaft erweisen können, die zu bieten mir heute leider noch versagt ist." „O, ich kam nicht deswegen, mein Herr! Es ist nur so etwas wie alte Anhänglichkeit an das Heide haus, denn ich mochte den alten Herrn sehr gut leiden. Es ist ein hübscher Platz, nicht wahr? Und zu Leb zeiten des Herrn Gotter war es ein richtiges kleines Schmuckkästchen. Das Herz tut einem weh, wenn man sieht, was inzwischen aus dem Garten geworden ist, aus dessen Pflege er so große Stücke hielt. Er hatte darum auch den besten Gärtner, d«t es hier herum gibt. Arenberg kniete vor einem der Koffer, zupacken begonnen hatte, noch bevor sie getreten war. Nun blickte er zu ihr auf. „Auf die Wanderschaft? Wollen Sie daß Sie abermals zu Fuß über die Heide „Ja." „Wenn das für Sie die einzige Möglichkeit ist, un gesehen von hier fortzukommen, so werden Sie mir er lauben, Sie bis zur Station zu begleiten." „Mich zu begleiten? Drei Stunden weit? Ach, das wäre ja geradezu lächerlich." „Ich kann auf keinen Fall zugeben, daß Sie allein gehen!" „Aber ich werde es tun, ohne nach Ihrer gnädigen Erlaubnis zu fragen!" „Sie brauchen nicht zu fürchten, daß ich Ihnen meine Gesellschaft aufdrängen oder Sie zwingen werde, sich mit mir zu unterhalten. Nur ohne Schutz sollen Sie nicht bleiben! „Soll das vielleicht heißen, daß Sie mir in schul diger Respektsdistanz nachfolgen werden wie mein Schat ten oder wie ein Lakai?" „Wenn es nicht anders sein kann — meinetwegen." „Aber ich wiederhole Ihnen, daß ich solchen Schutzes nicht bedarf. Ich bin alt genug, um für mich selbst zu sorgen, und ich fürchte mich nicht im geringsten! „Um diese Jahreszeit pflegt sich auf dem Lande allerlei Gesindel herumzutreiben. Und es wird auch in dieser Gegend nicht an Vagabunden fehlen." „Das ist allerdings richtig. Ich habe gestern selbst den Beweis dafür erhalten, denn ich bin nacheinander zweien von dieser Gattung begegnet, und ich gestehe, daß sie sehr wenig vertrauenerweckend aussahen." Arenberg schien sich nachträglich zu beunruhigen. Wurden Sie vielleicht von ihnen belästigt?" fragte er besorgt. Margarete machte eine verneinende Bewegung. Der erste sagte wohl irgend etwas; aber als ich ihm keine Antwort gab, ließ er mich in Ruhe. Und der zweite begnügte sich damit, mich anzustarren. Ich glaube, diese Leute pflegen gefährlicher auszusehen, als sie es in Wirklichkeit sind." - „Darauf wollen wir uns denn doch lieber nicht verlassen. — Darf ich mir übrigens die Frage gestatten, in welchem Kostüm Sie Ihre Wanderung über die Heide anzutreten gedenken? Sie wurde rot, als'sie seinem Blick begegnete, aber sie verbarg ihre Befangenheit hinter einem Lächeln. „Ich weiß es noch nicht genau. Oben habe ich ja eine ganze Auswahl von Kleidern aus verflossenen Tagen vorgefunden. Grau — weiß — blau —, zu wel cher Farbe würden Sie mir raten?" brauchen Sie es nur dem Postboten zu sagen. Ich bin immer gern zu Ihrer Verfügung." Er verabschiedete sich, und als das Rumpeln seines Wagens in der Ferne verklang, erschien Margarete wieder auf der Bildfläche. „Sind Sie mir nock bös ?" fragte sie zwischen Ernst und Scherz. „Es war ja wirklich etwas unüberlegt, daß ich dem alten Christian zunickte. Und es war nett von Ihnen, daß wie mich darauf aufmerksam machten, nachdem ich Ihnen in der Nacht gesagt hatte, daß ich hier von niemandem erkannt zu werden wünschte. Aber im Augenblick war ich so erfreut,- das alte, ehr liche Gesicht wiederzusehen, daß ich nicht daran dachte. Darf ich Sie nun noch um eine weitere Gefälligkeit bitten?" „Um jede, die zu leisten in meiner Macht steht." „Gehen Sie ein bißchen spazieren! Eine Stunde vielleicht oder zwei. Inzwischen werde ich hier zu sammensuchen, was an meinen Papa gesandt werden soll. Bevor wie wieder zurück sind, habe ich mich dann auf die Wanderschaft gemacht."