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wirr. Er ist (Fortsetzung folgt.) haben, aus alten Herrn es nun ein ¬ meinen Anzug gebraucht. Aber das wenn man ein weibliches Wesen zu sind schon halb verschmachtet — nicht lange Zeit für kommt davon, Gast hat. Sie wahr?" den Mann, den Sie im Sarge gesehen Ihrem Gedächtnis, und lassen Sie den noch am Leben sein, wenn seine Tochter mal so haben will." „Mein Himmel, ich bin schon ganz doch aber tot. Das ganze Dorf kann es Ihnen be stätigen." „Daran zweifle ich ja nicht. Und ich denke, Sie müßten mich nun hinlänglich verstanden haben. Wollen Sie nur also versprechen, nach meinem Wunsche zu handeln?" „Ja, es wird wohl nichts anderes übrigbleiben." „Gut — ich verlasse mich darauf, daß Sie Wort halten. Fräulein Gotter wird, wie ich annehme, noch heute oder spätestens morgen das Heidehaus wieder verlassen, und es bedeutet keine übermenschliche Auf gabe für Sie, bis dahin Ihre Zunge im Zaum zu halten. Gehen Sie jetzt und wiederholen Sie Ihrer Mutter, was ich Ihnen gesagt Habel Suchen Sie ihr die Sache klarzumachen. Wenn sie damit einver standen ist, Fräulein Gotter in ihrem Glauben zu er halten, so habe ich nichts dagegen, daß sie herüber kommt und die Führung des Hauswesens übernimmt. Ich werde sie sehr gut dafür bezahlen, aber ich ver lange unbedingte Unterordnung unter meine An weisungen. Wenn sie sich dazu nicht ausdrücklich ver stehen will, werde ich nicht dulden, daß sie während meines Hierseins ihren Fuß jemals wieder über die Schwelle des Hauses setzt. Sie haben mich jetzt voll kommen begriffen — nicht wahr?" Betty bejahte und ging. Nach verhältnismäßig kurzer Zeit schon kehrte sie in Begleitung ihrer Mutter zurück, und Arenberg durfte das Erscheinen der Witwe für einen Beweis nebmen, daß sie bereit war, auf seine Absichten einzugchen. Sie ließ ihn darüber auch nicht im Zweifel; aber sie machte die Sache mit einer Kürze ab, die ihm wohlgefiel. „Guten Morgen, Herrn Arenberg! Betty hat mir ausgerichtet, was Sie ibr gesagt haben, und ich bin mit allem einverstanden. Wann wollen Sie Ihr Mittagessen haben? Und was für Gerichte soll ich Ihnen kochen?" Arenberg reichte ihr lächelnd die Hand. „Ich sehe, daß wir drei recht gut miteinander auskommen werden", meinte er. Nun, Betty, gehen Sie hinauf und erkundigen Sie sich nach den Befehlen des gnädigen Fräuleins, denn ich vermute, daß sie inzwischen ausgeschlafen hat. Auch die Frage nach dem Mittagessen soll Ihnen Fräulein Gotter beant worten. Ais der Gast des Hauses hat sie allein zu bestimmen, und ich erkläre mich von vornherein mit jeder ihrer Anordnungen einverstanden. Wir wollen dafür sorgen, daß sie während ihres kurzen Aufent halts hier nur angenehme Eindrücke empfängt und nur fröhliche, unbefangene Gesichter zu sehen be kommt. Von Selbstmördern, Geistern und Gespenstern darf mit keiner Silbe die Rede sein." Er begab sich in das Bibliothekzimmer und blätterte in einigen der Bücher, die Margarete Gotter für ihren lebendig-toten Vater zurechtgelegt hatte. Als er dann nach einer kleinen Weile die Eßstube wieder betrat, gab es ihm einen ordentlichen Ruck, und er fand vor Ueberraschung nicht gleich das rechte Wort der Be grüßung. Denn die er da vor sich sah, unterschied sich gar gewaltig von dem halb männlichen Wesen, deffen Bekanntschaft er in der verwichenen Nacht gemacht hatte. Günstig genug war ja auch schon dieser nächt liche Eindruck gewesen, aber er ließ sich doch nicht ver gleichen mit der Wirkung des lieblichen Bildes, das sich jetzt seinen Augen zeigte. Margarete Gotter hatte unter den Kleideroorräten, die vor zwei Jahren bei ihrer Abreise im Heidehause zurückgeblieben waren, ein leichtes sommerliches Ge wand ausgewählt, dessen einfacher Schnitt von vorn herein jedem Einfluß der wechselnden Mode entzogen gewesen war, und das ihr wie angegossen saß. War sie gestern nur ein sehr schlanker und wohlgebauter junger Mann gewesen, so war sie heute ein junges Mädchen von entzückendem Wuchs und von geradezu vollendetem Ebenmaß der Formen. Die prachtvolle Fülle ihres Haars kam durch die sorgfältige Frisur zu schönster Geltung, und die strahlende Heiterkeit auf ihrem feinen, rosig überhauchten Gesichtchen trug auch noch ein Erhebliches dazu bei, sie zu verschönen. Sie wäre kein Weib gewesen, wenn sie seine große Ueberraschung nicht bemerkt, und wenn sie sie nicht zu ihren Gunsten gedeutet hätte. Lächelnd ging - sie ihm mit ausgestreckter Hand entgegen. „Guten Morgen! Ich hoffe. Sie sind mir nicht gar zu bös wegen meiner unverzeihlichen Langschläferei. Betty hat mir erzält, daß Sie schon angekleidet waren, als sie herüberkam, und nun habe ich eine so endlos der Weisung, ihr um zwölf Uhr etwas zu essen zu bringen. Aber Sie wissen ja selbst, weshalb ich diesen Wunsch nicht erfüllen konnte. Denn inzwischen kamen Sie mit dem jungen Herrn Welcker, und ich habe das arme gnädige Fräulein seitdem mit keinem Auge mehr gesehen." „Es ist mir lieb, Fräulein Betty, daß Sie heute so aufrichtig gegen mich gewesen sind; denn ich habe dadurch die Ueberzeugung gewonnen, daß man Ihnen vertrauen darf. Hören Sie mich also aufmerksam an! Alles, was ich bis jetzt aus dem Munde des Fräulein Gotter gehört Habs, läßt unbegreiflicherweise darauf schließen, daß sie ihren Vater noch immer unter den Lebenden wähnt. Ich finde keine Erklärung für diese merkwürdige Tatsache, aber schließlich ist es weder meine Aufgabe noch die Ihrige, nach einer solchen Erklärung zu suchen. Alles, was wir zu tun haben, ist, daß wir nach Kräften bemüht sein müssen, Fräu lein Golter bis zu dem Augenblick, wo sie das Heide haus wieder verläßt, in ihrem Glauben oder ihrer Unwissenheit zu erhalten. Mit anderen Worten: weder ich noch Ihre Mutter oder Sie selbst dürfen des gewaltsamen Endes des Herrn Stephan Gotter mit einer einzigen Silbe Erwähnung tun. Wenn seine Tochter überzeugt ist, daß er lebt, wäre es eine ebenso- uner freuliche als undankbare Aufgabe, sie zu der Er kenntnis zu bekehren, daß er tot ist." „Aber er ist doch tot, Herr! — Ich sah ihn mit meinen eigenen Augen, wie er steif und starr in seinem Sarge lag." „Ich bestreite nicht, daß es so ist; aber das geht mich im Augenblick gar nichts an. Ich denke jetzt an nichts anderes als den Frieden und die Seelenruhe der jungen Dame, die da oben schläft. Oder möchten Sie es etwa auf sich nehmen, wenn sie nachher von der freudigen Ueberraschung spricht, die ihr Vater bei dem unerwarteten Empfang seiner Lieblingsbücher haben wird, ihr zu antworten, daß davon ja gar nicht die Rede sein könne, weil ihr Vater schon seit zwei Jahren tot und begraben sei? Hätten Sie wirklich das Aerz, dergleichen zu tun?" „Nein, gewiß nicht, Herr Arenberg, — das wäre ja ganz abscheulich." „Aber Sie werden einsehen, daß nur das eine oder das andere möglich ist. Wenn Sie eine solche > Erklärung vermeiden wollen, müssen Sie eben auf die Vorstellung einaehen, die Fräulein Gotter nun einmal von Ler Sachlage zu haben scheint. Löschen Sie also für ein paar Stunden oder Tage die Erinnerung an