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Mit Recht wird der zweite Satz als Höhepunkt bezeichnet: Sehnsucht, Heimweh, strömende Lyrik und vollkommene Schönheit durchdringen sich in diesem wunder baren Adagio-Gesang. Im Mittelabschnitt der frei geformten dreiteiligen Liedform (mit Durchführungsepisoden) zitiert Dvorak die Abwandlung seines Liedes „Laßt mich allein!“ aus opus 82,— Erinnerungen an eine geliebte Frau, die später seine Schwägerin wurde. Reizvoll die Dialoge des Solisten mit Flöte und Oboe. Empfin dungstiefe und Religiosität der „Biblichen Gesänge“ scheinen in diesem Satz noch einmal aufzuklingen und auch die ruhevoll-ernste Stimmung des Largos aus der Sinfonie e-MoIl. Drängendes Erwarten und Vorfreude auf die Heimkehr in die Heimat klingen uns aus der glückhaften Musik dos Finalsatzes entgegen. Themenwiederholungen aus den vorherigen Sätzen werden zu einer besinnlichen Erinnerung. Eine knappe Coda verdichtet sich zu einem frohen, jubelnden Hymnus, mit dem das Werk beschlossen wird. „Don Quixote, Phantastische Variationen über ein Thema ritterlichen Charakters für großes Orchester“ nannte Richard Strauss sein am 29. Dezember 1897 beendetes opus 35. Der Komponist war damals 33 Jahre alt. Als Opemdramatiker war er — außer „Guntram“ — noch nicht weiter in Erscheinung getreten, doch innerhalb der programmatischen Orchestermusik hatte er sich eine ungewöhnliche Meisterschaft der virtuosen Instrumentierung angeeignet und (nach den voraus gegangenen sinfonischen Dichtungen „Don Juan“, „Tod und Verklärung“, „Till Eulenspiegel“ und „Also sprach Zarathustra“) eine Erfahrung, die kaum ein anderer Komponist seiner Zeit aufzuweisen hatte. Nach dem bekannten Roman des spanischen Dichters Cervantes schildert Strauss in 10 Variationen ungemein plastisch und bildhaft die Abenteuer des „Ritters von der traurigen Gestalt“. Das Solocello verkörpert die Titelfigur (1. Thema), während die Welt seines Schildknappen Sancho Pansa durch die Tenortuba, durch tiefe Holzbläser und die Bratsche charakterisiert wird (2. Thema). In einer Introduktion erzählt uns der Komponist die Vorgeschichte der Handlung, schildert er uns Wesen und Eigenart des Helden. In den 10 Variationen, die von einem nachdenklich besinnlichen, leicht resignierenden Epilog beschlossen werden, erleben wir Don Quixotes Liebe zu „Dulcinea“, den Kampf gegen die Windmühlen und die (höchst naturalistisch blökende!) Hammelherde. Eine Schar von Büßern wird von Don Quixote für Räuber gehalten, zwei Mönche für Zauberer, er glaubt durch die Luft zu reiten, fällt ins Wasser, — es geschehen aufregende Dinge, und bis zum letzten Zweikampf mit dem „Ritter vom blanken Mond“ bleibt Don Quixote stets der Unterlegene, der Genarrte, der sich aber nicht entmutigen läßt, seine Träume zu verwirklichen, seinen Ideen nachzustreben. Während wir die Musik hören, sehen wir zugleich ein großes, leuchtondfarbiges Gemälde, erleben wir ein Stück Musik gewordene Weltliteratur, ein musikalisches Meisterwerk der Jahrhundertwende, das wir auch heute noch, nach fast 60 Jahren, ob seiner spielerischen Eleganz und blendenden Virtuosität ehrlich bewundern. Drei Werke, drei Formen, drei Komponisten, vereint und zusammongeschlossen durch den Grundklang der Romantik in dreifacher Stufung. G. Sch. Literaturhinweis: Schnorr, C.M.v. Weber • Sourek, A. Dvorak • Krause, K. Strauss